Hamburg. Kernpunkt ist die Erschwernis alte, wertvolle Werke ins Ausland zu verkaufen. Kulturgüter dürfen das Land nicht mehr verlassen.

Selten zuvor polarisierte ein Gesetz die deutsche Kulturszene so sehr wie die Neuregelung des Kulturgutschutzes, die der Deutsche Bundestag am 3. Juni beschlossen hat. Nach der am 8. Juli erfolgten Zustimmung des Bundesrates geht es jetzt an den Bundespräsidenten zur Unterzeichnung, ­sodass es wohl Anfang August in Kraft treten wird.

Während der Deutsche Museumsbund das von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) maßgeblich ­vorangetriebene Gesetz begrüßt, gab es vor allem aus dem Kreis von Kunstsammlern, aus dem Kunsthandel sowie von einigen prominenten Künstlern heftige Kritik. Viel Aufsehen hat der Maler Georg Baselitz erregt, der – wie auch einige seiner Kollegen – Leihgaben aus Museen zurückzog. Vehement hat sich auch der Hamburger Kunstexperte und Sammler Harald Falckenberg gegen die jetzt erfolgte Novellierung ausgesprochen. Kernpunkt der Neuregelung ist die Festlegung, dass für den Verkauf von Kunst, die älter als 75 Jahre und mindestens 300.000 Euro wert ist, auch ins europäische Ausland eine Ausfuhrgenehmigung benötigt wird. Außerdem darf als „national wertvoll“ eingestuftes Kulturgut Deutschland nicht verlassen. Zugleich wurden die Einfuhrbestimmungen für Kulturgüter aus Krisenregionen deutlich verschärft.

Schon machten Schreckensmeldungen die Runde; so hatte das Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum bekannt gegeben, dass es seine Ausstellung „Schätze für den Kaiser“ vorzeitig beenden müsse, weil die Leihgeber wertvoller chinesischer Kunst befürchteten, dass ihre Werke unter das neue Gesetz fallen könnten. Dabei sind die ersten Erfahrungen mit der neuen Lage durchaus unterschiedlich.

Kunsthalle Hamburg hat wenig Leihgaben

Auf die Frage, ob sich das Gesetz bereits auf die Hamburger Kunsthalle ausgewirkt habe, antwortet Direktor Hubertus Gaßner: „Es gibt zwei Sammler, die bereits vor drei bis vier Monaten eine geringe Anzahl von Leihgaben zurückgenommen haben. Dabei hat es sich jedoch nicht um substanzielle Werke gehandelt.“ Benennen wollte er die Werke, die sich im Depot befanden, nicht. Die Kunsthalle sei schon deshalb kaum betroffen, weil sie wenige Dauerleihgaben habe. Deshalb rechnet Gaßner auch in Zukunft mit keinen spektakulären Auswirkungen.

Das sieht auch Sabine Schulze, die Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe, ähnlich. „Bislang gibt es bei uns keinen einzigen Fall, in dem ein Leihgeber seine Objekte zurückhaben will. Auch wir verfügen über keine größeren Bestände an Dauerleihgaben, die möglicherweise unter das Gesetz fallen könnten“, sagt Schulze, die jedoch einen anderen Aspekt des Gesetzes für relevanter hält. „Wenn jetzt der Handel mit Kulturgütern aus Krisenregionen wie dem Irak oder Syrien deutlich stärker kontrolliert wird, ist das ein wichtiger Schritt, um das Geschäft mit geraubter Kunst zu erschweren“, sagt die Museumsdirektorin.

Nach Recherchen der Deutschen Presseagentur bekommen einige Museen in Bremen und Niedersachsen dagegen die Auswirkungen des neuen Kulturgutschutzgesetzes zu spüren. Der Direktor der Bremer Kunsthalle, Christoph Grunenberg, erklärte: „Wir befürchten, dass wir zukünftig spannende Ausstellungsprojekte nicht mehr in gewohnter Größe und mit den passenden Werken realisieren können.“ So habe sein Haus bei der Vorbereitung einer Max-Liebermann-Ausstellung eine deutliche Verunsicherung bemerkt. „Im Vorfeld haben Galerien und Privatsammler, die dem Haus bisher leihfreudig gesinnt waren, Leihanfragen aufgrund des damaligen Gesetzentwurfes negativ beantwortet.“ Das Gesetz erschwere die Zusammenarbeit mit Sammlern. „Eine kleine Auswahl in Aussicht gestellter Dauerleihgaben bedeutender Künstler wurde zurückgezogen. Dies geschah nicht nur, aber auch aufgrund von Bedenken hinsichtlich des Gesetzentwurfes.“

Aufklärungsarbeit ist gefordert

Aus dem Sprengel Museum in Hannover hat ein ausländischer Leihgeber 13 Werke zurückgezogen. Direktor Reinhard Spieler hofft allerdings, ihm vermitteln zu können, dass Leihgaben aus dem Ausland bei Einfuhr mit einer Rückgabegarantie ausgestattet werden. Mit zwei weiteren Leihgebern, die ihre Werke zurückziehen wollen, gibt es Gespräche. Spieler sieht dennoch keine aktuellen Ausstellungen gefährdet. „Aber natürlich bedauern wir den Verlust, da wir nur Leihgaben annehmen, die eine echte Bereicherung für die Sammlung darstellen.“

Der Direktor der Bremer Museums Weserburg, Peter Friese, sieht in dem neuen Gesetz dagegen Vorteile: So dürfte ein Werk wie Gerhard Richters „Matrosen“ nach dem neuen Gesetz wahrscheinlich nicht verkauft werden. Das monumentale Werk von 1966 hatte 2010 beim New Yorker Aktionshaus Sotheby’s insgesamt 13,2 Millionen US-Dollar erzielt. Wegen Finanzproblemen war das Museum damals gezwungen, mehr als 50 seiner Bilder zu verkaufen. Friese rechnet nicht damit, dass ausländische Sammler ihre Leihgaben zurückziehen. „Ich glaube, das wird total aufgebauscht“, sagte er. Damit liegt er auf der Linie des Deutschen Museumsbundes, der angesichts der genauen vertraglichen Regelungen den Leihverkehr von Kunstwerken ausdrücklich nicht gefährdet sieht. Auf Nachfrage hatte der Pressesprecher von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erklärt: „Wird für eine Leihgabe eine rechtsverbindliche Rückgabezusage beantragt, was bei Museumsleihgaben Standard ist, so ist mit deren Erteilung von Gesetzes wegen eine Eintragung des Kulturgutes ausgeschlossen.“

So ist im Moment wohl vor allem Aufklärungsarbeit über die tatsächlichen Auswirkungen des Gesetzes gefragt. Manche Befürchtung erweist sich jedenfalls schon jetzt als gegenstandslos. Das lässt sich auch auf der Website des Roemer- und Pelizaeus-Museum feststellen. Dort heißt es seit Kurzem: „Keine vorzeitige Schließung der Sonderausstellung ,Schätze für den Kaiser‘!“ Die Leihgeber würden „nach Klarstellung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und der Staatsministerin für Kultur und Medien“ ihre Werke nun doch nicht zurückziehen. So kann die spektakuläre Hildesheimer Ausstellung wie geplant bis zum 8. Januar 2017 geöffnet bleiben.