Hamburg. Zweitgrößtes Kreditinstitut in Hamburg gestaltet Filiale bis 2019 nach neuem Konzept um. Zwei Einzelhändler müssen dafür weichen.
Die Commerzbank hat große Pläne für Hamburg. Das Geldinstitut, das nach der Haspa die zweitgrößte Bank in der Hansestadt ist, räumt in wenigen Monaten nicht nur ihre Zentrale am Neß, sondern will im nächsten Jahr auch mit dem Umbau der Filiale am Jungfernstieg beginnen. Dort residiert sie bereits seit 1899.
„Wir werden bei laufendem Betrieb die rund 1000 Quadratmeter große Filiale am Jungfernstieg zu einem Flagship-Store umbauen“, sagt Frank Haberzettel, Bereichsvorstand für das Privatkundengeschäft in der Region Nord, im Gespräch mit dem Abendblatt. Auch äußerlich werde sich das Gebäude am Jungfernstieg 22 bis 25 leicht verändern. Große bodentiefe Fenster sollen die Fassade bestimmen. Der Zugang zur neuen Filiale wird nach dem Umbau ebenerdig möglich sein, was umfangreiche bauliche Veränderungen an dem in Teilen unter Denkmalschutz stehenden Gebäude erfordert. „Der Eigentümer des Gebäudes hat die Bauanträge für den Umbau gestellt“, sagt Haberzettel. Die Commerzbank hat für den Standort einen langfristigen Mietvertrag.
Sehr offene Raumarchitektur
Die neue Filiale, die erst 2019 fertig sein soll, wird sich durch eine sehr offene Raumarchitektur auszeichnen. Rund 70.000 Kunden werden dort künftig betreut. Jetzt wirkt die Filiale eher unübersichtlich, auch wenn sie in einem beeindruckenden historischen Gebäude mit Marmorboden, Stuck und vielen Säulen eingerichtet wurde.
Spannend wird, wie die moderne Filialarchitektur etwa aus der Vorzeigefiliale in Stuttgart (s. kleines Foto) in der denkmalgeschützten Schalterhalle integriert wird. Das historische Flair soll erhalten bleiben, aber mehr Transparenz, Licht und Leichtigkeit das Erscheinungsbild bestimmen. Auch längere Öffnungszeiten sind nach dem Umbau angedacht. Noch schließt die Filiale um 18 Uhr.
Alteingessene Händler müssen weichen
Doch die Pläne stoßen nicht nur auf Zustimmung, denn sie treffen auch zwei alteingesessene Einzelhändler am Jungfernstieg, das Lederfachgeschäft Donna und die Filiale der Silbermanufaktur Robbe & Berking. Beide müssen ihren Standort, an dem sie seit rund 25 Jahren sind, verlassen. Unklar ist, wann das sein wird. „Wir bekommen ständig neue Informationen zum Auszug“, heißt es bei Donna. Robbe & Berking will sich offiziell dazu nicht äußern. Nach Informationen des Abendblatts sucht die Manufaktur bereits nach einem neuen Standort in der Hansestadt.
Beide Geschäfte im Souterrain passen nicht in das neue Konzept des Gebäudeeigentümers Art-Invest, der offenbar durchgehend Geschäfte über zwei Etagen in dem Eckgrundstück etablieren möchte. Außerdem dürften sich die Einzelhändler die neuen Mieten kaum leisten können.
Die Bauphase beginnt Anfang 2017 mit dem Gebäude Große Bleichen 3, welches hierfür temporär leer gezogen wird, bestätigte Art Invest auf Anfrage. Die Projektentwicklungsgesellschaft vertritt den Eigentümer des Eckgrundstücks Jungfernstieg/Große Bleichen, das dem Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg gehört. Nach Fertigstellung folgen 2018 / 2019 die Gebäude Jungfernstieg 22-24 sowie Große Bleichen 1, welche auch wiederum für die Bauphase temporär leer gezogen werden, teilte Art Invest mit.
In den Geschäftsräumen von Donna Lederwaren soll dann die Interims-Automatenhalle der Commerzbank entstehen. Aufgrund der langfristigen Zeitschiene und den noch erforderlichen Abstimmungen mit den genehmigenden Behörden wurden noch keine Vermietungsaktivitäten für die zweigeschossige Einzelhandelsflächen in den Großen Bleichen 1 und 3 begonnen, teilte Art-Invest weiter mit.
Bisher gibt es solche Vorzeigefilialen der Commerzbank erst in Berlin und Stuttgart. Hamburg – mit 2600 Mitarbeitern der größte Standort der Bank nach Frankfurt – soll eine der nächsten Städte mit einem Flagship-Store werden. Bundesweit sind 65 bis 100 solcher repräsentativen Filialen geplant. Insgesamt hat die Commerzbank 1050 Zweigstellen in Deutschland.
„Die Kunden können sich leichter orientieren, und es gibt auch weniger Hemmschwellen als in klassischen Filialen“, beschreibt Haberzettel das Konzept der Flagship-Stores. „Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht, denn es kommen deutlich mehr Kunden.“ So haben die großzügigen Filialen 55 Prozent mehr Besucher im Monat und bringen auch neun Prozent mehr Ertrag.
Zweitdichtestes Netz nach der Haspa
Während die meisten Institute ihr Filialnetz stark ausdünnen, halten Commerzbank und Haspa an einem dichten Zweigstellennetz fest. Die Commerzbank hat mit 49 Standorten in Hamburg das dichteste Netz nach der Haspa. Die Deutsche Bank wird nach der Schließung jeder dritten Filiale ab 2017 nur noch 19 Standorte in der Hansestadt haben. „Wir sind von der Zukunft der Filiale überzeugt, aber wir müssen auch die Kundenfrequenz erhöhen“, sagt Haberzettel. Selbst die am bisherigen Hauptquartier am Neß wegfallende Filiale wird ersetzt. Die Commerzbank hatte das Gebäude am Neß im Februar 2016 für rund 70 Millionen Euro an einen Investor verkauft. Ersatzquartier sind die ehemaligen Philips-Hochhäuser an der Kreuzung Sechslingspforte-Lübeckertordamm. Dort wird auch eine neue Filiale entstehen. Ende Oktober 2016 ziehen 1200 Mitarbeiter in das Gebäude ein. Weitere Standorte für die Mitarbeiter außerhalb der Filialen sind das Deutschlandhaus am Gänsemarkt und die Domkaskaden.
Die Commerzbank will die Filialen in verschiedenen Formaten an die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse anpassen. Die Formen reichen von der Flagship-Filiale mit einem umfassenden Angebot für Privat- und Geschäftskunden über die klassische Filiale bis zur Cityfiliale, die ihren Fokus auf der Gewinnung neuer Kunden hat. Gleichzeitig setzt aber die Commerzbank auf den Ausbau der digitalen Bankgeschäfte. „Wir haben die schnellste volldigitale Kontoeröffnung einer Filialbank eingeführt“, sagt Haberzettel. „In weniger als zehn Minuten kann das kostenlose Girokonto per Smartphone oder vom heimischen Computer aus eröffnet und auch sofort benutzt werden.“ 13 Prozent der Konten werden so schon eröffnet. Bis 2020 soll die Transformation zur Multikanalbank abgeschlossen sein. Die Filiale bleibt aber ein zentraler Bestandteil dieser Strategie.
Um Aufmerksamkeit zu wecken, will sich die Commerzbank noch stärker im Bildungs- und Kultursponsoring Hamburgs engagieren. „In diesem Jahr fördern wir das Internationale Musikfest, die Kunsthalle und sind erstmals Hauptpartner des Filmfests Hamburg“, sagt Haberzettel.
Banken, die auf ein starkes Filialnetz setzen, sind eher die Ausnahme. Nach Schätzung von Experten stehen in den nächsten fünf Jahren bundesweit 13.600 Filialen vor dem Aus. 2015 gab es noch 34.045 Bankfilialen.