Hamburg. Mit dem Kompromiss ist ein Volksentscheid abgewendet. Volksinitiative fordert Parteien auf, Erfüllung der Vereinbarung zu überprüfen.

Hamburgs rot-grüne Koalition und die Volksinitiative gegen große Flüchtlingsheime haben sich nach wochenlangen Verhandlungen darauf geeinigt, die Belegung von Unterkünften deutlich zu reduzieren. Bis Ende 2019 sollen in jedem Heim im Schnitt 300 Flüchtlinge leben, erklärten beide Parteien am Dienstag. Alle ab jetzt neu geplanten Unterkünfte würden von vornherein auf höchstens 300 Plätze festgelegt. Um im Fall wieder steigender Flüchtlingszahlen reagieren zu können, sollen zudem in ganz Hamburg künftig bis zu 300 Unterkünfte möglich sein. Derzeit gebe es knapp 170.

„Schmerzhafter, aber machbarer Kompromiss“

Mit dem Kompromiss, der am Mittwoch von der Bürgerschaft endgültig beschlossen werden soll, ist ein Volksentscheid abgewendet. Initiativensprecher Klaus Schomacker kündigte an, die Initiative nach dem Bürgerschaftsbeschluss zurückzunehmen. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel sprach von langwierigen und schwierigen Verhandlungen, die jedoch in eine sehr wichtige Vereinbarung gemündet hätten. „Ich sage, für die städtische Seite ein an einigen Stellen auch schmerzhafter Kompromiss, aber ein machbarer Kompromiss, den wir im Sinne der Friedenstiftung in der Stadt (...) miteinander gehen können.“

Ausgangspunkt sei die grundgesetzliche Verpflichtung gewesen, allen Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu bieten. Man habe jetzt einen Weg gefunden, der auch noch bei veränderten Flüchtlingszahlen bestehen könne. Froh zeigte sich Dressel auch darüber, dass man eine Einigung über den Expresswohnungsbau für Flüchtlinge gefunden habe. Der SPD-Fraktionschef versprach, dass für alle Standorte Bebauungspläne erarbeitet würden. Zudem werde man frühzeitig die Siedlungen gemischt belegen und die Zahl der unterzubringenden Flüchtlinge deutlich reduziert.

Anjes Tjarks: Der Vertrag ist ein „Meilenstein“

Grünen-Fraktionschefs Anjes Tjarks würdigte, dass die Volksinitiative es geschafft habe, Rechtspopulisten auszuschließen. Die vielen mit den Bürgerinitiativen geschlossenen Bürgerverträge seien die operative Umsetzung der Vereinbarung. Jetzt könne man alle Kraft in die Integration von Flüchtlingen stecken. Der Vertrag sei ein „Meilenstein“, aber die Arbeit sei noch nicht beendet.

Die Initiative „Hamburg für gute Integration!“ hatte ursprünglich verlangt, dass in einem Flüchtlingsheim nicht nur nicht mehr als 300 Menschen leben dürfen, sondern auch, dass die Unterkünfte mit mehr als 100 Bewohnern mindestens einen Kilometer voneinander entfernt liegen müssen. Ohne eine Einigung wäre es aller Voraussicht zur Bundestagswahl 2017 zu einem Volksentscheid gekommen. Das wollte Rot-Grün in jedem Fall verhindern.

Elf von Zwölf Bürgerinitiativen unterschreiben Bürgervertrag

Nach den Worten von Klaus Schomacker, Sprecher der Volksinitiative, sei mit der Zeit Vertrauen entstanden, weil Transparenz geherrscht haben. „Mit Transparenz ist der Durchbruch gekommen.“ Schomacker lobte Dressel und Tjarks, denen es auch in schwierigen Situationen gelungen sei, Konsens herzustellen, der immer zielführend und ohne Eigennutz gewesen sei.

Schomacker forderte die Parteien zugleich auf, die Erfüllung der Vereinbarung zu überprüfen. „Es geht darum, den guten Geist der Einigung am Ende ach Realität werden zu lassen.“ Schomacker bedankte sich auch bei der Opposition. „Ohne deren Unterstützung hätten wir die Vereinbarung nicht erreicht.“

Elf von Zwölf Bürgerinitiativen werden nun einen Bürgervertrag unterschreiben. Das sei ein Zeichen von Bürgerbeteiligung und Kompromissbereitschaft, sagte Harald Lübkert von der Volksinitiative. Es habe heftige Debatten bei den Bürgerinitiativen vor Ort gegeben und manche Mitglieder seien bis an ihrer Schmerzgrenze gegangen. Jetzt habe man einen Volksentscheid verhindert und könne sich auf die Integration von Flüchtlingen konzentrieren.

Scholz lobt Einigung und spricht von „gemeinsamer Anstrengung“

„Es ist gut, dass es eine Verständigung gibt“, lobte Bürgermeister Olaf Scholz die Einigung am Dienstag. Mit dieser Einigung sei klar, dass die Stadt die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen als eine gemeinsame Anstrengung begreife. „Alle sind sich darüber einig, dass die Stadt ihre gesetzlichen Verpflichtungen weiterhin erfüllen muss.“ Darüber hinaus sei klar geworden, dass Hamburg seine ehrgeizigen Ziele im Wohnungsbau weiter umsetzen müsse, so Scholz weiter. „Nur so kann die ohnehin hohe Wohnungsnachfrage in Hamburg befriedigt werden und zugleich eine ordentliche Unterbringung für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive gelingen.“