Hamburg . Plenum soll die komplette Übernahme des Wirtschaftsinstituts beschließen. Gruppe „Die Kammer sind WIR“ findet das zu riskant.

Am heutigen Donnerstag soll das Plenum der Handelskammer der Übernahme des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) zustimmen. Die Kammer, die bereits 50 Prozent der Anteile an dem traditionsreichen Institut hält, will zumindest vorübergehend auch die weiteren 50 Prozent übernehmen – und zwar von der Universität Hamburg zum symbolischen Preis von einem Euro. Grund: Die Uni will sich an dem Institut, das in den vergangenen Jahren einen Millionenverlust erwirtschaft hat, nicht weiter beteiligen. Ziel der Handelskammer ist es, das HWWI zu erhalten und in einem zweiten Schritt die Helmut-Schmidt-Universität (HSU) der Bundeswehr an dem Institut zu beteiligen, die bereits Interesse signalisiert hat.

Vor der Entscheidung allerdings wächst der Widerstand. „Ich halte es für falsch, jetzt das gesamte HWWI zu übernehmen“, sagte Tobias Bergmann von der Gruppe „Die Kammer sind WIR“ dem Abendblatt. „Es ist nicht Aufgabe einer Handelskammer, ein Forschungsinstitut zu führen.“ Zudem sei es nicht in Ordnung, dass das Plenum der Kammer über diesen Beteiligungskauf entscheiden solle, ohne dass den Mitgliedern des Gremiums die jüngsten Jahresabschlüsse des HWWI vorgelegen hätten. Stattdessen habe man nur einige Eckdaten zur Lage des Instituts präsentiert bekommen. Dass die Plenarier ihre Informationen unter anderem aus Senatsantworten auf Anfragen von Bürgerschaftsabgeordneten bezögen, könne nicht angehen, so Bergmann. Zudem stehe es in den Sternen, ob die Bundeswehr-Universität später wirklich Anteile von der Kammer übernehme.

In der Beschlussvorlage, die dem Abendblatt vorliegt, steht einerseits, die HSU wolle sich mit 80.000 Euro pro Jahr an den Personalkosten des HWWI beteiligen. An anderer Stelle heißt es aber, die Personalkosten könnten durch den Einstieg der HSU von 1,4 Millionen auf 800.000 Euro gesenkt werden – was einen Beitrag der Bundeswehr-Uni von 600.000 Euro voraussetzt.

Nicht nur angesichts solcher Widersprüche sieht Bergmann das Vorhaben kritisch: „Die Handelskammer ist gerade auf einem Konsolidierungskurs“, sagte er. „Wir müssen unser Büro in St. Petersburg schließen, haben die Ausbildungsgebühren erhöht, mussten die Sanierung des Gebäudes aufschieben und haben 2015 mit einem Minus von 5,3 Millionen Euro abgeschlossen. Ich glaube nicht, dass es zu dieser Lage passt, ein Forschungsinstitut zu kaufen.“ Er sei ohnedies der Ansicht, dass die Kammer sich in zu vielen Bereichen engagiere, die eigentlich nicht zu ihren originären Kompetenzfeldern gehörten. So müsse auch hinterfragt werden, ob die Kammer mit der HSBA eine eigene Hochschule betreiben solle.

Die Modalitäten, unter denen die Kammer das HWWI retten will, haben sich ausweislich der Beschlussvorlage noch einmal geändert. So ist die 100.000-Euro-Bürgschaft der Kammer vom Tisch. Stattdessen soll nun „der Senat“, also die Stadt, 30.000 Euro zuschießen, um die Verbindlichkeiten des HWWI zurückfahren zu können. Merkwürdig: Auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Carsten Ovens antwortete eben jener Senat Ende Juni, er habe sich mit der Zukunft des HWWI „noch nicht befasst“. Dabei handle es sich um „strategische Entscheidungen“ der Anteilseigner.

„Das ist ein Armutszeugnis für Rot-Grün“, sagte Ovens. Er forderte Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) auf, die wissenschaftliche Qualität des Instituts zu sichern, anstatt zuzulassen, dass die Uni es für einen Euro „verramscht“, so der CDU-Politiker.

Kammer-Kritiker Bergmann hat im Vorfeld der Plenarsitzung auch die Erhöhung des Einkommens von Hans-Jörg Schmidt-Trenz, dem Kammer-Hauptgeschäftsführer, kritisiert. Wie das Abendblatt exklusiv berichtet hatte, ist das ohnedies in der Höhe umstrittene Gehalt von Schmidt-Trenz 2015 von 505.000 auf 530.000 Euro gestiegen. Dass die Kammer das Gehalt für 2014 bei der Veröffentlichung im vergangenen Jahr mit 475.000 Euro statt mit den korrekten 505.000 Euro beziffert hatte, erklärte die Kammer damit, dass zu den 475.000 Euro ein geldwerter Vorteil für private Nutzung des Dienstwagens und Aufwendungen für die Altersvorsorge hinzugerechnet werden müssten.

„Angesichts der wirtschaftlichen Lage der Kammer mit einem Defizit von mehr als fünf Millionen Euro ist ein Gehalt in dieser Höhe nicht vermittelbar“, sagte WIR-Sprecher Bergmann. „Da muss man wirklich mehr Management-Hygiene erwarten.“ Auch stünde das Gehalt in keinem angemessenen Verhältnis zu anderen Bezügen. Es liege deutlich über dem der Bundeskanzlerin, viel höher als etwa das Jahreseinkommen des Chefs der Industrie und Handelskammer von Berlin, der 275.000 Euro bekomme. Selbst der Chef des Dachverbands Deutscher Industrie und Handelskammertag (DIHK), der über Themen wie TTIP verhandle, beziehe mit 368.000 Euro ein deutlich geringeres Jahressalär als Schmidt-Trenz.

Das Abendblatt hatte einen Vertreter der Handelskammer-Führung oder der Plenarmehrheit für ein Doppelinterview bzw. ein Streitgespräch zum Thema HWWI mit Tobias Bergmann angefragt. Die Kammer hat eine Teilnahme leider abgelehnt - wie sie es in jüngerer Zeit immer wieder abgelehnt hat, an Doppelinterviews mit Vertretern der Gruppe "Die Kammer sind WIR" teilzunehmen.