Hamburg. Die Bilanz ist erschreckend: Innerhalb kurzer Zeit gab es vier Badeunfälle in Hamburg, zwei Kinder sind tot. Das raten Experten.
Ein Junge treibt leblos im Wasser des Schwimmbades MidSommerland, im UKE kann er wiederbelebt werden und stirbt dennoch tags darauf. Der tragische Fall des Dreijährigen vom Wochenende ist mittlerweile der vierte schwere Badeunfall mit kleinen Kindern innerhalb kurzer Zeit.
Anfang Mai stirbt ein drei Jahre alter Junge im UKE. Er war im Schwimmbad St. Pauli seiner Mutter in der Umkleidekabine entwischt und ins Wasser gefallen. Im Juni entdeckt eine Schwimmerin im Kaifu-Bad ein Mädchen, das leblos im Wasser treibt. Es kann reanimiert werden. Glücklich endet auch der Badeunfall eines gleichaltrigen Jungen wenige Tage zuvor im Schwimmbad in Bramfeld. Noch im Schwimmbad gelingt es der Badeaufsicht, den Jungen wiederzubeleben.
Eltern lassen sich vom Smartphone ablenken
Michael Dietel ist Sprecher von Bäderland, dem Betreiber der Hamburger Schwimmbäder. Er sagt: „Badeunfälle kommen leider immer mal wieder vor, aber dass innerhalb kurzer Zeit zwei so dramatisch enden, ist schon ungewöhnlich und schockiert uns.“
Eine Erklärung für die Häufung der Badeunfälle kleiner Schwimmgäste ist ernüchternd: Zufall. Weder habe sich die Anzahl der Besucher – jährlich kommen rund vier Millionen Gäste – noch die des Personals, das für deren Sicherheit sorgt, spürbar geändert. Und die Mitarbeiter der Badeaufsicht seien bestens auf den Ernstfall geschult.
Dietel: „Die Beobachtung der Kollegen in den Bädern zeigt auch, dass die meisten Eltern sehr gut auf ihre Kinder aufpassen.“ Doch es gibt auch immer wieder diejenigen, die sich ablenken lassen – durch ein Gespräch, ihre anderen Kinder oder durch das Smartphone. Vor allem die Nutzung des Handys bereitet Dietel Sorge.
Kleine Kinder sind niemals sichere Schwimmer
Die Kleinsten keine Sekunde aus den Augen zu verlieren und sich bewusst sein, dass sie keine sicheren Schwimmer sind – das sollten sich laut Heiko Mählmann, Präsident der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) in Hamburg, Eltern immer vor Augen führen. Er sagt: „Selbst die Kinder, die ein Seepferdchen-Abzeichen haben, dürfen in Wassernähe nicht unbeaufsichtigt bleiben.“ Erst ein Kind mit Bronze-Abzeichen kann wirklich schwimmen, so Mählmann. Er rät Eltern zudem, ihre kleinen Kinder mit Schwimmflügeln auszustatten.
Um nicht nur die Eltern, sondern auch die Kinder selbst zu sensibilisieren, bietet die DLRG die sogenannten Kindergartentage an. An einem Vormittag erklären Rettungschwimmer der Organisation den Kleinsten, worauf es beim Baden ankommt und welche Gefahren es gibt.
Die Gefahr des zweiten Ertrinkens
Doch auch wenn das Kind nach einem Badeunfall wieder selbstständig atmen kann und außer Gefahr scheint, sollten Eltern aufmerksam bleiben. Der Grund: das sogenannte sekundäre oder zweite Ertrinken. Philippe Stock, Leiter der Pädiatrie im Altonaer Krankenhaus, erklärt das Phänomen: „Bei dem sogenannten sekundären Ertrinken befindet sich noch Wasser in der Lunge, welches diese innerhalb von rund 24 Stunden schädigen und es so noch zum Erstickungstod kommen kann.“ Die Symptome seien Husten, eine veränderte Atmung, apathisches Verhalten und blaue Lippen.
Das kann auch Erwachsene betreffen, doch Kinder sind laut Stock viel gefährdeter – nicht nur, weil die Jüngsten schlechter schwimmen können. Stock: „Kinder haben weniger Reserven als Erwachsene.“ Bei ihnen setzt unter Wasser, wo jeder Mensch zumeist noch versucht, eine Weile die Luft anzuhalten, der Atemreflex eher als bei Erwachsenen ein. Es folgt ein schwerer Hustenreiz und so gelangt immer mehr Wasser in die Lunge.