Hamburg. Jüngere Hamburger entdecken Laubenkolonien für sich. Für Parzellen in City-Nähe gibt es mittlerweile lange Wartelisten.

Heiß begehrte Gartenparadiese: Schätzungsweise rund 4000 Hamburger warten gegenwärtig auf einen Kleingarten. Sie wollen einen der mehr als 33.000 Schrebergärten in der Hansestadt pachten und sind bereit, für die Ablösesumme mehr Geld zu zahlen als noch vor einigen Jahren. Besonders groß ist die Nachfrage bei den zen­trumsnah gelegenen Kleingärten in den Bezirken Altona, Eimsbüttel und Nord. Nicht selten berichteten die Interessenten von Summen über 10.000 Euro, die sie bereit wären zu zahlen, heißt es in einer Kleingarten-Studie, die jetzt die Behörde für Umwelt und Energie vorgelegt hat. Das Geld ist für die sogenannten Aufbauten (Laube, Bäume) fällig. Neben der Bereitschaft, hohe Ablösesummen zu zahlen, würden die Interessenten auch lange warten, um eine wohnortnahe Lage zu erhalten.

In dem mehr als 100 Seiten umfassenden Papier hat das auf Stadt- und Regionalanalysen spezialisierte Unternehmen Konsalt im Behördenauftrag den „Kleingartenbedarf in Hamburg“ untersucht. Befragt wurden nicht nur repräsentativ ausgewählte Vereine und Pächter, sondern auch potenzielle Käufer auf den Wartelisten und 1000 Hamburger Haushalte. Das wohl wichtigste Ergebnis: Die Nachfrage nach Kleingärten ist seit 2003, dem Jahr der bislang letzten Erhebung, deutlich gestiegen – und der Kampf um die noch vorhandenen Parzellen härter geworden.

Vor allem Familien mit Kindern interessieren sich immer mehr für einen Kleingarten in der Nähe ihres Wohnumfeldes. Vereine in den zentral gelegenen Bezirken wie Altona und Eimsbüttel berichten von jeweils mehr als 50 Personen, die auf der Warteliste stehen. Ihre Zahl sinkt, je mehr sich die Schrebergärten an der Stadtgrenze befinden.

Während es im Jahr 2003 pro Verein durchschnittlich zehn Bewerber gab, sind es jetzt durchschnittlich bereits 13. Dazu kommt, dass sich die Erwartungen an die Kleingärten geändert haben. Jan Dube, Sprecher der Behörde für Umwelt und Energie, sagt: „Eine Mehrheit der Befragten wünscht sich eher kleinere Parzellen von weniger als 300 Quadratmetern.“ Die grüne Fläche soll vor allem der Erholung und der Freizeit dienen und nicht mehr vordringlich dem Anbau von Obst und Gemüse.

Längst vollzieht sich bei den Pächtern ein Generationswechsel. Im Vergleich zur Studie aus dem Jahr 2003 werden die Schreber jünger. Größer ist auch die Zahl jener Kleingärtner geworden, die über einen höheren Bildungsgrad verfügen. So ist die Personengruppe mit Fachhochschulabschluss beziehungsweise Abitur von sieben auf 44 Prozent gestiegen. Lag der Anteil der 35- bis 49-Jährigen bei der Umfrage im Jahr 2003 noch bei 18 Prozent, so sind es nun 24 Prozent. Das Haushaltsnettoeinkommen der Pächter beträgt zwischen 1000 bis 3000 Euro pro Monat. Jeder zehnte Pächterhaushalt hat sogar mehr als 4000 Euro monatlich zur Verfügung. Jede fünfte Parzelle wird inzwischen mit Kindern unter zwölf Jahren bewirtschaftet. Die meisten Parzellen in Hamburg sind zwischen 300 und 400 Qua­dratmetern groß.

Auf der Basis der vorliegenden Daten empfehlen die Experten von Konsalt zum einen, die Kleingartenanlagen besser in das öffentliche Wegesystem zu integrieren. Denn die Mehrheit der Befragten wünscht sich kurze Wege zum eigenen Gartenparadies, das im Idealfall mit dem Fahrrad oder zu Fuß erreicht werden kann. Möglichst mit einem zeitlichen Aufwand von 20 Minuten will man auf die eigene Scholle kommen.

Besonders teuer sind wassernahe Lagen

Zum anderen wird empfohlen, die Größe der Parzellen auf 200 bis 250 Quadratmeter zu reduzieren. Die Aufteilung würde auch weiteren Pächtern die Möglichkeit für einen Garten geben. „Vereine mit langen Wartelisten sollten vermehrt Gemeinschaftsparzellen anbieten, um mehr Personen einen Zugang zu Gärten in beliebten Lagen zu ermöglichen.“ Stärker gewünscht werden in Zukunft auch Mietergärten, Freizeitgärten und Urban Gardening.

Besonders teuer und nachgefragt sind übrigens die wassernahen Lagen: Kleingartenvereine an der Alster haben Wartezeiten auf freie Kapazitäten von mehreren Jahren. Zu den Geheimtipps unter den Parzellengebieten der Hansestadt zählt die Billerhuder Insel. Umspült von Wasser bietet sie im Osten der Stadt, wo einst ein Gebiet mit Barockgärten lag, idyllische Lauben und Grundstücke, viele mit eigenem Bootssteg. Jenseits von zersiedelten Grundstücken und viel befahrenen Straßen scheint hier die Zeit stehen geblieben zu sein. Man muss sich auskennen, um die Zufahrt von der Süderstraße zu finden. Aber gerade der Kontrast zwischen Gewerbe und romantischem Idyll, in dem jeder jeden kennt, macht den Reiz des Viertels aus, das bislang allen Umnutzungsplänen widersteht.

Die Anfänge der Hamburger Kleingärten gehen nach den Forschungen des Historikers Hartwig Stein auf die Armengärten im 19. Jahrhundert zurück. „Seit dem Jahr 1850 sind in der Hansestadt Kleingärten nachweisbar“, sagt Stein. Kurz nach dem Napoleonischen Krieg entschied sich Schleswig-Holstein, der Armut mit der Verteilung von kleinen Flächen für den Anbau von Gemüse zu begegnen. Diese Initiative habe auf Hamburg ausgestrahlt.

Bundesweit gibt es mehr als vier Millionen Kleingärtner, die – unter dem Schutz und dem Regiment des Bundeskleingartengesetzes – eine Scholle ihr eigen nennen. Zum Vereinsleben gehört nicht nur die strikte Einhaltung der Ruhezeiten zur Mittagszeit. Erwartet wird auch die Teilnahme an Koppelversammlungen und zur Gemeinschaftsarbeit. Wer verhindert ist, wird zur Kasse gebeten.