Hamburg. Die britische Band Coldplay hat im ausverkauften Volksparkstadion vor 45.000 Fans gespielt. Der Brexit war dabei auch Thema.

Es ist – neben der Eingängigkeit ihrer Songs – die Überzeugung, das Publikum mit guter Laune überwältigen zu können, die Coldplay zu einer der größten Bands gemacht hat. Die Konzerte ihrer Welttournee, die am Freitag in Hamburg haltmachte, beginnen mit der Einspielung von „O mio babbino caro“ in der Interpretation der Callas. Was folgt, sind zwei Stunden große Rockoper vor 45.000 Fans im ausverkauften Volksparkstadion.

Eine Oper, die vor Klischees, Pathos und Gefühl birst: Gefeiert wird das Leben mit all den Möglichkeiten, den Glücksmomenten und der Gelegenheitstrübsal, und sein erster Repräsentant ist an diesem Abend Sänger Chris Martin. Der hopst vom ersten Song an beseelt über die Bühne, als wäre er ein Flummi. Oder berauscht vom süßen Saft, der so nur auf Kindergeburtstagen ausgeschenkt wird. Konfetti, eine Lightshow in knalligen Farben, auf und vor der Bühne: Coldplay ist, wie Spötter behaupten, das Popmusik gewordene Leuchtarmband.

„Every Teardrop Is A Waterfall“, „Clocks“, „Viva La Vida“ – das Quartett verdichtet im an diesem Abend lauten Volkspark sein jetzt auch schon sieben Alben umfassendes Œuvre zu einem Best-of-Programm, das vor allem die Chartdominatorphase Coldplays abbildet. Die gleichbedeutend mit der Ära ist, in der Coldplay Stadien wie das in Hamburg füllt. Die Tautologie des großen Popglücks, wonach eben nur wahre Stadionrockbands mit der Hymnen-befeuerten Geste des Allen-und-jeden-Umarmens in der Lage sind, ein ganzes Stadion zu bespielen, bestätigen Coldplay eindrucksvoll.

Zahlreiche Engländer unter den Zuschauern

Überraschungen sind dafür nicht nötig (sieht man mal vom Techno-Rock-Moment bei „Paradise“ ab), wo die Mitnahmeeffekte der Ohrwürmer seit nunmehr mehr als anderthalb Jahrzehnten bewiesen sind. Mit englischen Zuständen kann die Hamburger Sause freilich nicht mithalten: Bei den jüngsten Konzerten Coldplays in ihrer Heimat England kamen mal Chris Martins Kinder, mal Prinz Harry auf die Bühne.

Ihre deutschen Fans haben die Musiker dagegen in dieser Woche erst mal verärgert. In einem Eisstadion in Hannover durften sie beim Coldplay-Videodreh zwar zu Hunderten Wunderkerzen recken, die Band bekamen sie aber nicht zu Gesicht – klarer Fall von Hannover-Allergie! In Hamburg feuern Martin und seine Mitstreiter Jonny Buckland, Will Champion und Guy Berryman im meist fröhlichst daherstampfenden Rhythmus vor allem Songs des neuen Albums „A Head Full Of Dreams“ ab, wobei die Wiederholung vieler Motive aus vorhergehenden Alben wirklich gar nicht stört. „Es leuchtet von ganz alleine“, steht auf der Leuchtband-Anleitung auf der Leinwand vor dem Konzert. Gilt auch für die Lieder. „Bitte tragen Sie das Armband!“ – Coldplays Sinn für die Visualisierung des Augenblicks funktioniert nur mit willigen Fans. Es strahlt und blitzt!

Die Hamburger und nach Hamburg Gepilgerten – unter ihnen etliche Engländer – werfen ihre Herzen Coldplay jedenfalls von der ersten Minute zu, wobei es immer wieder schön zu beobachten ist, wie gut die durchaus auch mal Hüften ansprechende Musik und Arenakurvenbestuhlung zusammenpassen. Der Trick ist: einfach aufstehen.

Und dabei aber, wohlgemerkt, die „Oh Hoo Oh Hoo Hoho“-Chöre mitsingen, für die Coldplay berühmt-berüchtigt sind. Bei einem Konzert Coldplays weiß man endlich, für was diese kompositorischen Taschenspielertricks gut sind. Tausende Kehlen veredeln jedes textliche Füllsel. Die Band ist in guter Form, und manchmal kommt sie von der Hauptbühne auf die kleine, vorgelagerte: Dies ist auf riesigen Konzerten stets der Augenblick, der Nahbarkeit herstellt und Intimität, wenn es so etwas bei Open-Air-Konzerten denn gibt.

„Brexit Refugees Welcome“

Chris Martin ist das, was der Vorsteher einer großen Band sein muss: ein kommunikativer Mann, der mit den Fans spricht, ehe der nächste Song beginnt. Über ein „Brexit Refugees Welcome“-Plakat freut er sich besonders. Schöne Geste: Die Musiker spielen den Klassiker „Heroes“ des unlängst verstorbenen David Bowie, und Muhammad Ali erscheint auch mal auf der Leinwand. Eines der neuen Stücke Coldplays heißt „Amazing Day“. Wer würde dem an diesem herrlichen Konzertabend nicht zustimmen?

Martin verabschiedete sich von den Fans mit den Worten: „Danke, dass Ihr so nett zu uns wart. Nach Brexit müsstet Ihr das gar nicht sein.“