Hamburg . Mieterverein klagt, dass die vor einem Jahr eingeführte Mietpreisbremse kaum wirke. Härtere Sanktionen für Eigentümer gefordert.

Sie ist eher ein Bremschen als eine echte Bremse – dieses Fazit zieht der Mieterverein zu Hamburg nach einem Jahr Mietpreisbremse. Demnach werde die gesetzliche Regelung bei schätzungsweise 40 Prozent der Neuvermietungen nicht beachtet. In der Folge würden Mieter in vielen Fällen deutlich mehr zahlen als zulässig. So ist nach Angaben von Geschäftsführer Siegmund Chychla für Hamburger Haushalte bereits ein Schaden in Höhe von etwa 20 Millionen Euro entstanden.

Grundlage der Ergebnisse sind mehrere Untersuchungen der Angebote im Wohnungsportal Immonet. Insgesamt hat der Mieterverein rund 18.000 Annoncen überprüft. Gestützt werden die Ergebnisse weiter durch eine erst kürzlich veröffentlichte Studie des Gymnasiums Ohmoor, nach der die aktuellen Neuvermietungspreise rund 55 Prozent über der durchschnittlichen Miete des Hamburger Mietenspiegels (8,02 Euro) liegen würden.

Die Mietpreisbremse gilt in Hamburg seit dem 1. Juli 2015. Ziel ist es, sprunghafte Mieterhöhungen zu verhindern. Die Mietpreisbremse besagt, dass bei Neuvermietungen einer Wohnung die Miete maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Bei der Ermittlung der angemessenen Mietpreise fließen zudem Faktoren wie die Ausstattung, das Alter und die Lage der Wohnung mit ein. Bei Neubauten und „umfassender“ Modernisierung der Wohnung gilt die Mietpreisbremse jedoch nicht. Ebenso wenig, wenn der Vermieter schon zuvor hohe Mieten verlangt hat.

Mieter müssen sich wehren

Laut Mietervereins-Chef Chychla sind die vielen Ausnahmen und die komplizierte Rechtsverfolgung die Gründe dafür, dass viele Vermieter sich nicht an die Mietpreisbremse halten würden. Das Problem: Wenn sich die Mieter nicht wehren, müssen die Vermieter auch nichts befürchten. Chychla fordert alle Hamburger Mieter, die seit dem 1. Juli 2015 einen Mietvertrag unterschrieben haben, dazu auf, die vereinbarte Miethöhe zu überprüfen. „Nur dadurch können Mieter sicherstellen, dass weitere Schäden vermieden werden und dass die überhöhten Kosten im Mietenspiegel 2017 keine Berücksichtigung finden“, sagt Chychla.

Entschließt sich ein Mieter zu einer Beschwerde, habe er gute Chancen, die Kosten zurückzubekommen. Wenn sich der Vermieter querstellt, müssten rechtliche Schritte eingeleitet werden. Allerdings würden nur wenige Mieter davon Gebrauch machen. „Viele Mieter haben Angst, ihre Wohnung zu verlieren, und nehmen deswegen ihre Rechte nicht wahr“, sagt Chychla.

Weiter fordert er, dass sich Hamburg der Bundesratsinitiative in Berlin für eine Verschärfung der Mietpreisbremse anschließt. Bisher ist es so geregelt, dass die Vermieter bis auf die Rückerstattung nichts zu befürchten haben. Die Initiative fordert, dass das Fehlverhalten zusätzlich mit Sanktionen belegt wird und dass die überhöhten Mietzahlungen nicht erst vom Zeitpunkt der Rüge an erstattet werden müssen, sondern schon seit Beginn des Mietverhältnisses. Außerdem fordert sie eine Auskunftspflicht des Vermieters über die Höhe der Vormiete und vorgenommene Sanierungen. Trotz aller Abstriche betont Chychla die Bedeutung der Mietpreisbremse: „Ohne das Instrument wären die Mieten sicher noch mehr gestiegen.“

Immobilienverband kritisiert Mieterverein

Kritik an der Bilanz des Mietervereins äußert der Immobilienverband (IVD) Nord. „Die Angaben halte ich für eine nicht korrekte Schätzung“, sagt der Vorsitzende Axel-H. Wittlinger. „Sie lässt die rund 40 Prozent aller Wohnungen außer Acht, die nicht auf Immonet oder anderen Portalen gelistet werden. Dazu zählen die Wohnungen der Genossenschaften, der Saga und von vielen Hausverwaltungen.“ Dass es unseriöse Angebote in Wohnungsportalen im Internet gibt, bezweifelt er nicht. „Die Findung der angemessenen Miete ist eine komplexe Angelegenheit, mit der Privatpersonen oft überfordert sind“, sagt Wittlinger. Um seriöse und IVD-geprüfte Angebote zu finden, empfiehlt er die Seite www.ivd24immobilien.de.

Auch nach Angaben der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen könne die Datenmenge des Mietervereins nur einen Ausschnitt zeigen, wie ein Behördensprecher mitteilte. Im Schnitt werden in Hamburg pro Jahr 50.000 Wohnungen neu vermietet. Senatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) bezeichnete die Mietpreisbremse erneut als „wichtiges Hilfsmittel für alle Hamburger“. Weiter verwies sie darauf, dass die Mietpreisbremse wie geplant zur Mitte der Legislatur auf den Prüfstand kommen soll. Ob sich Hamburg der Bundesratsinitiative anschließen wird, ist noch unklar.