Hamburg. Hamburger Reiseveranstalter leidet unter der Insolvenz des Namensgebers, der die Firma 2010 verkauft hatte.

Seit Songül Göktas-Rosati im vergangenen Oktober die Geschäftsleitung von Öger Tours übernommen hat, wurde sie nicht gerade vom Glück verfolgt. Die Firma, die Gründer Vural Öger vor sechs Jahren an Thomas Cook verkaufte, leidet nicht nur unter der allgemeinen Zurückhaltung der Kunden, wenn es um Reisen in die von Terroranschlägen und politischer Nervosität gebeutelte Türkei geht. Vielmehr wird Öger Tours derzeit auch immer wieder mit den Firmenpleiten ihres Gründers in Zusammenhang gebracht. „Taxifahrer am Flughafen weigern sich sogar, Geschäftspartner in unsere Zentrale am Heiden- ­kampsweg zu fahren“, sagt Songül Göktas-Rosati und schüttelt den Kopf. „Es heißt dann, die gibt es doch gar nicht mehr, lesen Sie denn nicht die Zeitung?“, berichtet die Chefin über die Dialoge am Airport, die sehr wahrscheinlich typisch für die öffentliche Wahrnehmung der Firma sind.

Dabei sind die Zeiten lange vorbei, als Vural Öger, der einstige Vorzeigeunternehmer, im Maßanzug mit seidenem Einstecktuch sein Reiseunternehmen repräsentierte. Vor sechs Jahren verkaufte er seinen Anbieter für Türkeiurlaub an den Konzern Thomas Cook. Dort gilt Öger Tours jetzt als Mittelmeerspezialist. Die 65 Mitarbeiter sind zudem für alle Reisen und Hotels in der Türkei konzernweit verantwortlich, also nicht nur für die Marke Öger, sondern auch für die Angebote bei Thomas Cook oder Neckermann in dem Land. So entscheidet das Team in Hamburg, welche Unterkünfte, etwa Golfhotels an der türkischen Riviera, welche Skireisen in türkischen Gebirgen oder Mietwagenrundreisen in die neuen Kataloge aufgenommen werden.

Vural Öger erlöste mit seinem Verkauf an den Konzern mit Sitz in Oberursel damals 30 Millionen Euro. Fortan konzentrierte er sich auf seine Firmen V.Ö. Travel und Öger Türk Tur GmbH. Diese Unternehmen, mit denen er vornehmlich private Reisen von Türken und Deutschtürken in ihre alte Heimat anbot, meldeten in den vergangenen Monaten Insolvenz an. Die Firmen gaben im Dezember auf der eigenen Unternehmensseite bekannt, dass keine Reisebuchungen mehr angenommen werden und ab sofort der Betrieb eingestellt wird. Die Zahlungsschwierigkeiten fielen in eine Zeit, als der Hamburger bei der Vox-Sendung „Höhle der Löwen“ über junge Gründer und ihre Geschäftsideen urteilte und damit stark an Bekanntheit gewonnen hatte. Der Fall geriet dann in den letzten Wochen noch einmal in die Schlagzeilen, als das Landgericht Frankfurt einen Arrestbefehl über Ögers Vermögen erließ, nachdem sein ehemaliger Geschäftspartner Sunexpress ihn auf Zahlung von einer Million Euro verklagt hatte.

Songül Göktas-Rosati ist nicht der Typ dazu, jetzt schlecht über ihren ehemaligen Chef zu reden. Sie kennt den Unternehmer schon seit mehr als 15 Jahren, so lange arbeitet sie selber in der Firma, die früher ihren Sitz an der Alsterkrugchaussee hatte. Aber die neue Geschäftsführerin versucht nun alles, um die Kollateralschäden so gering wie möglich zu halten. Im Internet präsentiert sich der Neffe von Vural Öger, der nach wie vor bei Öger Tours arbeitet, in einem augenzwinkernden Video als Aufklärer: Mit Schildern, die er vor dem roten Logo von Öger Tours in die Höhe hält, erklärt Deniz Öger in einfachen Schritten, warum und seit wann die Firma keine Verbindung mehr zu ihrem früheren Inhaber hält. Weder V.Ö. Travel noch die Öger Türk Tur GmbH hätten in der letzten Zeit noch Geschäftsbeziehungen zu Öger Tours gepflegt. In dem Video und in Beiträgen auf Facebook, Instagram und Twitter erklärt der Reiseveranstalter, dass eine Reise mit Öger Tours nicht mit finanziellen Risiken verbunden ist.

Die Aufklärungsarbeit ist derzeit jedoch nur eine Baustelle, auf der Songül Göktas-Rosati ihre Kreativität spielen lassen muss: Schließlich wird die Türkei von vielen Touristen gemieden. „Die Preise sind bei vielen Angeboten um 30 Prozent gesunken“, sagt die gebürtige Türkin, die schon als Säugling nach Deutschland gekommen ist. Ein Beispiel: Ein siebentägiger Urlaub in einem Fünf-Sterne-Haus in Belek sei heute für zwei Erwachsene mit zwei Kindern für 1700 Euro all-inclusive zu bekommen. Das Angebot habe 2015 noch 900 Euro mehr gekostet.

Auch wegen dieser günstigen Preise ist die Türkei für Thomas Cook immer noch das zweitwichtigste Ziel – nach Spanien. Zugleich meldet Europas zweitgrößter Reiseveranstalter aber, dass die Terroranschläge in der Türkei und Belgien deutlich aufs Geschäft drücken. Für den Sommer lägen die Buchungen für alle Zielgebiete fünf Prozent niedriger als im Vorjahr, teilte der Konzern mit. Der konzerneigenen Fluglinie Condor macht die Türkei ebenfalls zu schaffen – mit einem Buchungsrückgang von vier Prozent.

Die Zahl deutscher Urlauber ist um ein Drittel gesunken

Die gesamte Branche ist davon betroffen, dass Touristen die Türkei meiden. Im April sackte die Zahl der Auslandsbesucher in dem Land am Bosporus um 28 Prozent auf 1,75 Millionen ab. Dabei war Deutschland mit 15 Prozent Anteil zwar immer noch die größte Besucher-Nation, allerdings ging die Zahl deutscher Urlauber um gut ein Drittel zurück. In Deutschland verschärfte zuletzt auch der Streit über die Armenien-Resolution des Bundestages und der Umgang von Präsident Recep Tayyip Erdogan mit Kritikern die Situation. Im Januar sprengte sich ein Selbstmordattentäter in Istanbul nahe einer Gruppe deutscher Urlauber in die Luft, zwölf Menschen starben. Im März kamen drei Israelis und ein Iraner ums Leben, als ein Angreifer seinen Sprengsatz in einem beliebten Einkaufsviertel zündete.

Für Öger Tours ist Songül Göktas-Rosati trotz der Herausforderungen optimistisch. Um den für das Land so wichtigen Tourismus zu fördern, subventioniert die türkische Regierung nun auch Reisen in die Region. Für das Geschäftsjahr 2016 plant die Chefin jedenfalls erneut schwarze Zahlen.