Der Hamburger Geschäftsmann will um seine Ehre kämpfen und sieht sich als Opfer eines Verdrängungswettbewerbs.
Als Unternehmer war Vural Öger lange Zeit erfolgreich, für die SPD brachte er es bis ins Europaparlament, für den Sender Vox wagte er sich in „Die Höhle des Löwen“. Ende 2015 musste er für seine Firma V.Ö. Travel Insolvenz anmelden – und sieht sich nun Vorwürfen ausgesetzt.
Herr Öger, Sie haben einmal gesagt: „Eine Insolvenz gilt in Deutschland immer als Makel.“ Wissen Sie noch, wann und wo Sie das gesagt haben?
Vural Öger: War das Anfang Januar?
Fast, Ende Dezember, auf diesem Sofa beim Abendblatt.
Öger: Das stimmt bis heute. Ein Unternehmer will Gewinne erzielen, das klappt aber nicht immer. Wir haben in der Türkei Millionenverluste geschrieben und mussten acht Hotels schließen.
Ihr Reiseanbieter „V.Ö. Travel “ ging in die Insolvenz.
Öger: Jeder, der sich in der Branche auskennt, weiß, dass man angesichts der Krise als Reiseanbieter nur für die Türkei nicht überleben kann.
Wenig später meldete auch die Öger Turk Tur GmbH, einer der größten Anbieter von Türkeiflügen in Deutschland, Insolvenz an und stellte den Geschäftsbetrieb mit sofortiger Wirkung ein. Dabei hing der doch gar nicht am Tourismus ...
Öger: Das geschah aufgrund des Rechtsstreit mit unserem langjährigen Partner Sunexpress, einem Gemeinschaftsunternehmen der Turkish Airline und der Lufthansa. Wir dachten am Anfang noch, wir könnten Sunexpress ersetzen, aber das ging zu diesem Zeitpunkt nicht.
Warum haben Sie sich mit Sunexpress zerstritten?
Öger: Am Ende war das keine Partnerschaft mehr, sondern ein brutaler Verdrängungswettbewerb. In dem Moment, in dem das türkische Management die Macht in dem Joint Venture übernommen hatten, galten wir als Konkurrent. Von da an hat Sunexpress gegen uns gearbeitet: Ständig wurden die Bedingungen zu unseren Ungunsten geändert, die Provisionen abgesenkt, unsere Agenturen abgeworben, und schließlich hat Sunexpress sogar die Buchungsverbindung zu uns abgeschnitten. Damit haben sie uns fertig gemacht.
Warum sollte man Sie aus einem Markt drängen wollen, der Verluste einbringt, wie Sie sagen?
Öger: Sunexpress ist eine türkische Fluggesellschaft und muss die Türkei anfliegen. Der ethnische Verkehr, also die privaten Flüge von Türken und Deutschtürken in ihre alte Heimat, ist weniger krisenanfällig als der Tourismus. Dieses Geschäft habe ich ja schon über Öger Türk Tur seit 1972 angeboten. Bis 2010 haben wir das in eigenem Risiko über Charterflieger gemacht, dann in die Partnerschaft mit Sunexpress eingebracht. Zuerst gab es gute Provisionen, dann wurden die Bedingungen immer schlechter. Wir hatten 17 Flugziele und cirka 70 Flüge in der Woche, wir waren flächendeckend in Deutschland vertreten, verfügten über beste Kontakte und hatten mit 70 Prozent Anteil eine beherrschende Position auf dem Markt. Sunexpress wollte diesen Anteil übernehmen, sie wollten den Markt beherrschen. Deshalb haben sie am 4. Dezember 2015 alle Agenturen informiert, dass Verkäufe über Öger Türk Tur bis auf Weiteres gestoppt werden. Das war unser Todesurteil.
Sie hätten doch andere Partner finden können, als Sunexpress Anfang Dezember ausgestiegen ist?
Öger: Es hatte keinen Sinn, im Winter Maschinen zu chartern, da schreiben sie Verluste. Im Mai wäre es kein Problem gewesen. Den Zeitpunkt hat Sunexpress also bewusst gewählt.
Es war nicht besonders geschickt, allein auf Sunexpress als Partner zu setzen.
Öger: Ja, das war ein großer Fehler. Aber die Zusammenarbeit war ja immer hervorragend – bis Sommer 2015, als die Türken dort die Macht übernommen haben. Sie haben mich gezwungen, das Abrechnungssystem so zu ändern, dass mir eine Finanzierungslücke von 17 Millionen entstand. Hier möchte ich bemerken, dass Öger Türk Tur mit Sunexpress von 1991 bis Ende Oktober über 1,5 Milliarden Euro Umsatz gemacht hat. Alleine im letzten Geschäftsjahr fast 100 Millionen Euro. Bei dem neuen Abrechnungssystem wollten sie nicht nach geflogenen Passagieren berechnen, sondern nach gebuchten. Das ist in der Branche unüblich und gegen unsere Praxis seit 1991. Da die Zusammenarbeit zu scheitern drohte, habe ich Mitte September 2015 noch eine Bürgschaft für meine GmbH über 17 Millionen Euro unterschreiben müssen. Ein Riesenfehler! Sie haben mir eine Falle gestellt. Kurz danach haben sie noch eine Änderung in unserem Abrechnungssystem zu unseren Ungunsten gemacht. Wir haben dann sofort protestiert. Während wir mit deutschem Management verhandelten, hat die türkische Seite in Antalya die Buchungsverbindung abgeschnitten.
Ihr ehemaliger Geschäftspartner Sunexpress hat Sie vor dem Landgericht Frankfurt auf Zahlung von einer Million Euro verklagt. Das Gericht erließ daraufhin einen Arrestbefehl ...
Öger: Die Klage ist als Urkundenprozess eingereicht, wo nur Urkunden als Beweismittel zugelassen sind; Zeugen helfen ihnen da nicht weiter. Auf Grundlage dieses Urkundenprozesses hat Sunexpress den Arrest erwirkt, was nicht verwunderlich ist. Ein Arrest setzt nicht nur einen Anspruch voraus, sondern auch einen Arrestgrund – und wenn ein Schuldner wie ich außerhalb der EU aktiv ist, neigen die Gerichte schnell dazu, einen Arrest zu erlassen. Der Arrest ist ohne mündliche Verhandlung ergangen, das heißt, ich bin zu dem Sachverhalt nicht gehört worden und hatte keine Gelegenheit, die falschen Behauptungen richtig zu stellen.
Wie wollen Sie sich dagegen zur Wehr setzen?
Öger: Wir haben eine Gegenklage beim Landgericht Frankfurt eingereicht und fordern Schadenersatz in Höhe von 17 Millionen. Wir gehen davon aus, dass unsere Argumente in dem nachfolgenden Hauptverfahren gehört werden und wir die Auseinandersetzung mit Sunexpress gewinnen werden.
Verfluchen Sie die Entscheidung, nach dem Verkauf Ihres Reiseunternehmens Öger Tours an Thomas Cook 2014 noch einmal anzugreifen?
Öger: Ja, das war ein großer Fehler. Ich habe ein Vermögen verloren.
Sind Sie nun etwa ein armer Mann?
Öger: Ja, ich habe alles verloren. Ich habe mehrere Hotels, Grundstücke und Ferienanlagen in der Türkei verkauft, die schuldenfrei waren. Ich wollte ja nicht mit einem Konkurs in Zusammenhang gebracht werden und habe deshalb seit der Krise im Türkei-Tourismus Vermögen verkauft und Geld nachgeschossen. Ist das ein Verbrechen? Ich habe zu lange an das Geschäft geglaubt, das war mein Fehler.
Erst verlieren Sie Ihr Geld, dann Ihren Ruf?
Öger: Ja, es gibt Magazin-Journalisten, die haben mich fertiggemacht. Ich wurde als Trickser und Betrüger dargestellt. Schlimmer geht es nicht. Dieses Ausmaß an Häme war gemein. Ich habe Millionen Euro Steuern in dieser Stadt gezahlt und mich hier und in der Türkei sozial engagiert, heute werde ich zu Unrecht attackiert.
Sie haben 1998 die Deutsch-Türkische Stiftung mitbegründet, Sie saßen in der Zuwanderungskommission der Bundesregierung. Fühlen Sie sich nun um Ihre Lebensleistung gebracht?
Öger: Ja, ich wollte einen ehrenvollen Abgang haben nach 46 Jahre harter Arbeit.Dass mein Lebensabend so überschattet wird, macht mich traurig.
Durch Ihre Mitwirkung im Vox-Format „Die Höhle des Löwen“ haben Sie erst die Höhe erreicht, aus der es sich besonders tief fällt ...
Öger: Ich stehe dazu, das war eine wunderbare Sendung, und viele sind betroffen, dass ich mich zurückgezogen habe. Ich hatte ja sogar eine Firma gegründet, um die Ideen der Teilnehmer zu vermarkten. Das ging dann nicht mehr nach der Insolvenz.
Was planen Sie jetzt?
Öger: Ich will meine Ehre zurück, alles andere interessiert mich nicht. Mir ist das alles extrem unter die Haut gegangen. Ich bin froh, dass mich viele Freunde, die Familie, Geschäftspartner und Politiker jetzt unterstützen – übrigens mehr in Hamburg als in der Türkei.
Fühlen Sie sich als ein Opfer des türkischen Präsidenten Recep Erdogan?
Öger: Alles, was ich dazu sage, wird immer missverstanden. Deshalb sage ich jetzt lieber nichts mehr. Aber natürlich haben die politischen Umstände uns sehr geschadet. Die Türkei ist ein wunderschönes Land, aber was nützt das angesichts der Nachrichten aus der Region? Derzeit stehen 1000 Hotels in der Türkei zum Verkauf.