Hamburg . Delegierte bestätigen Landesvorsitzenden im Amt. Partei zeigt sich kämpferisch. Scharfe Kritik übte Heintze am Bürgermeister.

Jünger, weiblicher und vielleicht auch ein wenig angriffslustiger – so präsentiert sich die Hamburger CDU nach ihrem Parteitag vom Sonnabend, bei dem der Landesvorsitzende Roland Heintze mit klarer Mehrheit bestätigt und weite Teile der übrigen Führungscrew ausgetauscht wurden. Der 43-jährige Heintze erhielt bei der Abstimmung im Keller des Emporio-Hauses 170 von 185 abgegebenen Delegierten-Stimmen. Eine Stimme war ungültig. Neun Stimmen entfielen auf den überraschenden Gegenkandidaten Detlef Bandow-Tadsen. Es gab zudem fünf Enthaltungen. Heintzes Ergebnis entspricht laut CDU, die die Enthaltungen stets herausrechnet, einer Zustimmung von 95 Prozent. Mit der sonst üblichen Einrechnung der Enthaltungen entspricht das Ergebnis 92,4 Prozent Zustimmung.

Zugleich gaben die Delegierten auch dem neuen Vorstandstableau ihre Unterstützung. Die bisherigen Stellvertretenden Parteichefs Dietrich Wersich, Herlind Gundelach und Rüdiger Kruse traten nicht wieder an und wurden durch Birgt Stöver, Christoph de Vries und Christoph Ploß ersetzt. Friedricke Föcking wurde als Stellvertreterin bestätigt. Das schlechteste Ergebnis erhielt Ploß, der Ex-Bürgermeisterkandidat Dietrich Wersich kürzlich in einer Kampfabstimmung als Kreischef von Hamburg-Nord abgelöst hatte.

„Die Führungsspitze wird jünger und weiblicher, aber die Partei braucht alle ihre Köpfe“, hatte Heintze in seiner etwa 25-minütigen Bewerbungsrede gesagt. „Es ist möglich, die CDU Hamburg einig zu einem Ziel zu führen.“ Er könne Olaf Scholz, dessen SPD parallel in Wilhelmsburg tagte, nur zurufen: „Die CDU Hamburg ist wieder da, und wir werden es schaffen, mehrheits- und regierungsfähig zu werden.“

Heintze spottet über die Grünen und ihre Radpolitik

Um wieder erfolgreich zu werden, müsse die CDU ihr gesamtes Spektrum abbilden, so Heintze. „Wir müssen Gesichter und Themen nach vorne bringen, damit spätestens kurz vor der Wahl der Knopf CDU gedrückt wird.“ Dazu gehöre „ein profilierter Kopf aus dem konservativen Spektrum“ genauso wie Personen, die für wirtschaftliche oder soziale Kompetenz stünden.

Scharfe Kritik übte Heintze am Bürgermeister. „Wir erleben einen Olaf Scholz, der sich aufgrund hervorragender Steuereinnahmen als Manager der Stadt geriert. In Wahrheit werden alle Probleme weggekauft, bevor sie zum politischen Problem werden.“ So agiere Scholz etwa bei Hapag Lloyd, bei der HSH Nordbank oder beim Rückkauf der Netze. Weder im Hafen noch bei der Flüchtlingspolitik oder der inneren Sicherheit habe Scholz ein kohärentes Konzept, „und auch nicht bei der Auswahl des Koalitionspartners“. Er frage sich, wie Scholz den Hafen ausgerechnet zusammen mit den Grünen auf Vordermann bringen wolle. Vorstellen könne er sich nur eins, so Heintze ironisch: „Der Hafen wird Ausflugsziel, das man künftig mit dem Fahrrad erreichen kann.“

Bürgerschaftsfraktionschef André Trepoll konstatierte, die SPD und ihr Bürgermeister verlören an Zustimmung. Scholz und die SPD führten einen „lächerlichen Eiertanz um die Kanzlerkandidatur“ auf. Die SPD habe „in Berlin noch jeden Kanzlerkandidaten oder Vorsitzenden kleinbekommen, das können sie mit Scholz auch gerne machen“, so Trepoll. Zugleich wüchsen in Hamburg die Probleme. An den langen Wartezeiten in den Kundenzentren zeige sich, dass Hamburg nicht zur SmartCity werde, sondern zur „Servicewüste“.

Fraktionschef Trepoll betonte, wie gut die Zusammenarbeit zwischen ihm und Parteichef Heintze sei . „Im vergangenen Jahr haben wir in der CDU das Schiff wieder flottgemacht“, so Trepoll wohl auch mit Blick auf eine mögliche Konkurrenz zwischen ihm und dem Parteichef für eine Bürgermeisterkandidatur 2020. „Jetzt setzen wir die Segel und nehmen Fahrt auf. Wer dann Kapitän und wer erster Offizier ist, das klären wir auf der Reise.“ (Jens Meyer-Wellmann)



SPD feiert Scholz – 97,4 Prozent Zustimmung


Olaf Scholz ist ein sehr erfahrener Redner, seine Auftritte sind in der Regel hochprofessionell, aber inhaltlich und stilistisch etwas schematisch. Beim Landesparteitag der Hamburger SPD probierte Scholz aber mal etwas Neues aus: die Kunstpause.

Die Pariser Bürgermeisterin habe ihm erzählt, sie plane sozialen Wohnungsbau mit Mietpreisen von zwölf Euro pro Quadratmeter, berichtete der Bürgermeister im Bürgerhaus Wilhelmsburg. Pause. Und während mancher der mehr als 300 Delegierten wohl noch dachte: „Wow, wen der Olaf alles kennt“, vollendete Scholz die Anekdote: „In Hamburg fördern wie auf 6,20 Euro.“ Wieder Pause. Dann Ah und Oh und Applaus. So kann man natürlich auch einsteigen, wenn man im Nebenjob Beauftragter der Bundesregierung für die kulturellen Beziehungen zu Frankreich ist und sich dafür feiern lassen will, dass man den Wohnungsbau angekurbelt hat, zuletzt immer mehr als 6000 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt hat und künftig sogar 10.000 schaffen will.

Scholz nutzte dieses Stilmittel noch mehrmals. Beispiel: Hamburg hatte als einziges Bundesland kein Fraunhofer-Institut, berichtete er. Pause. Blick in die Gesichter. Wirklich? „War aber so“, beendete Scholz die Stille – nicht ohne zu erwähnen, wer das nun „endlich“ geändert habe. Er natürlich.

Ob es an diesem durchaus unterhaltsamen Stil lag, an den aufgezählten Leistungen oder an dem demonstrativen Zukunftsoptimismus: Der seit 2009 amtierende Parteichef überzeugte seine Genossen mehr denn je. Fast zweieinhalb Minuten lang applaudierten sie ihm stehend und wählten ihn dann mit 97,4 Prozent Zustimmung erneut für zwei Jahre zum Landesvorsitzenden. 304 Delegierte stimmten für den 57-Jährigen, sieben gegen ihn und einer enthielt sich. Das waren noch einmal 2,6 Punkte mehr als die 94,8 Prozent vor zwei Jahren. Parteitagspräsidentin Carola Veit warf schon mit gespielter Verzweiflung die Frage auf, wie das noch zu steigern ist.

Dinge, die nicht so gut laufen, erwähnt Scholz nicht

„Gut regieren und nicht jammern“, würde Scholz wohl sagen, und genau das waren die Kernpunkte seiner Rede. Ausführlich würdigte der Senatschef die Leistungen seiner Regierung – die großen Straßenverkehrsprojekte wie Ausbau und Überdeckelung der A 7, Bau der A 26, Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße, Planung einer neuen U 5 und der S 4, den boomenden Wohnungsbau, die Ansiedlung neuer Forschungsinstitute, die kostenlosen Angebote an Kita- und Studienplätzen sowie die aus seiner Sicht erfolgreiche Unterbringung vieler Tausender Flüchtlinge. Sein Fazit: „Für uns läuft es ganz gut.“

Dinge, die nicht gut laufen, finden in Scholz-Reden üblicherweise keine Erwähnung. In der kurzen Aussprache wurde das von zwei Rednern kritisiert: „Olaf, wann warst du zuletzt in einem Kundenzentrum?“, fragte etwa Harald Martens mit Blick auf die wochenlangen Wartezeiten und teils chaotischen Zustände in den Behörden. In guter Tradition erwähnte Scholz auch weder die politische Konkurrenz noch den eigenen Koalitionspartner namentlich. Erst Fraktionschef Andreas Dressel lobte die gute Zusammenarbeit mit den Grünen.

Der Parteichef dagegen schaute lieber demonstrativ nach vorne und forderte seine Genossen auf, die Zukunft mit Mut anzupacken: „Wir sorgen dafür, dass Hamburg eine Hoffnungsstadt ist und bleibt“, rief er. Zentrale Herausforderungen seien die Schaffung von ausreichend bezahlbarem Wohnungen und von Arbeitsplätzen. In dem Zusammenhang forderte der Bürgermeister, die Kosten für den Wohnungsbau zu senken, indem gute Entwürfe mehrfach umgesetzt werden: „Die meisten von uns ... wussten, wo beim Nachbarn das Klo ist, und wir hatten keine schreckliche Kindheit“, stellte Scholz klar. „Und deshalb kann es nicht sein, dass jedes einzelne Gebäude teuer individuell geplant wird.“ (Andreas Dey)