Hamburg. Konzern greift Kammer-Präsident Montgomery an. Müssen Ärzte gehen, wenn sie nicht genug Geld einbringen? Die Hintergründe.

Im Hamburger Gesundheitswesen eskaliert ein Streit, der die Atmosphäre zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Zehntausenden Mitarbeitern schwer belastet. Im Mittelpunkt steht der Klinik-Konzern As­klepios, der mit sieben großen Häusern etwa jeden zweiten Patienten in Hamburg behandelt. Asklepios wehrt sich nun öffentlich gegen die Kritik, leitende Ärzte müssten sich wirtschaftlichen Interessen unterordnen.

Es gebe derzeit „auffällig“ viele Vorwürfe gegen den Klinikbetreiber, die aber jeder Grundlage entbehrten, sagte der Vorsitzende der Hamburger Konzerngeschäftsführung, Dr. Thomas Wolfram. Von einer „Verschwörung“ gegen Asklepios wolle er nicht sprechen – es hätten sich aber seit Anfang des Jahres aus anderen Hamburger Häusern und dann zum Ärztetag in Hamburg die Stimmen gemehrt, die das Unternehmen schlechtredeten.

Hire-and-Fire-Mentalität?

Damit spielte Wolfram auf den Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands an. Dessen Präsident Prof. Hans Fred Weiser hatte im Abendblatt gesagt, Ärzte müssten bereit sein, Kante zu zeigen und auch mal einen Vertrag abzulehnen. Ähnlich äußerte sich Bundesärztekammer-Präsidenten Prof. Frank Ulrich Montgomery. Er sprach von einer „Hire-and-Fire-Mentalität“ bei Asklepios.

Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery
Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery © HA | Andreas Laible

Dagegen wehren sich die Asklepios-Chefärzte. Dr. Lars Marquardt, der stellvertretende Ärztliche Direktor in Wandsbek, sprach von „Wettbewerbsverzerrung“, wenn Montgomery andere Ärzte davor warne, Verträge bei Asklepios zu unterschreiben. In den Verträgen beachte man natürlich die Richtlinien der Bundesärztekammer.

Montgomery sagte dem Abendblatt, er habe nicht von einer Unterschrift bei Asklepios abgeraten. Gleichwohl bleibe es dabei, dass bei der Umorganisation in St. Georg und in anderen Fällen in Asklepios-Häusern Ärzte gehen müssten, wenn sie die angestrebten Zahlen nicht erbrächten.

Asklepios prüft rechtliche Schritte gegen Montgomery

Asklepios-Geschäftsführer Wolfram sagte, Zielvereinbarungen für Ärzte würden sich an der Qualität der Behandlung ausrichten und nicht an besonders vielen oder teuren Opera- tionen. Er warf Montgomery vor, seine Position auszunutzen. Man prüfe „in alle Richtungen“, ob man rechtlich gegen die Vorwürfe vorgehe. Gleichzeitig übte Wolfram versteckte Kritik am UKE, wo der Ärztechef noch in Teilzeit arbeitet. Montgomery sagte, an seiner Unabhängigkeit von seinem Arbeitgeber bestehe nicht der geringste Zweifel.

Dr. Thomas Wolfram, Sprecher der Geschäftsführung der Asklepios Kliniken
Dr. Thomas Wolfram, Sprecher der Geschäftsführung der Asklepios Kliniken © Asklepios Kliniken

Die Aufregung im Klinik-Konzern Asklepios ist mit Händen zu greifen. Von „Wettbewerbsverzerrung“ ist die Rede. Zu Montgomerys Kritik an Asklepios sagte der Chefarzt der Frauenkliniken Altona und Harburg, Prof. Volker Ragosch: „Es hat mich persönlich getroffen.“ Zehn Jahre ist Ragosch bei Asklepios. Er kenne keinen Kollegen, der „Operationen durchführen würde, um mehr Geld zu verdienen“.

Chefärzte: "Diese Kritik ist ehrabschneidend"

Die Asklepios-Chefärzte schrieben über Montgomerys Kritik, sie empfänden seine Äußerungen als „ehrabschneidend“. Weiter heißt es: „Wir geben keinem Patienten Empfehlungen zu einer Behandlung, die nicht medizinisch indiziert ist. Auch unsere Zielvereinbarungen geben solche Kriterien nicht vor.“

Wolfram verteidigte die jüngsten Neustrukturierungen in St. Georg und Heidberg (AK Nord). Montgomery sagte, in St. Georg habe ein leitender Arzt gehen müssen, weil er zu wenige Privatpatienten gehabt und die Zahlenvorgaben nicht erfüllt habe.

Asklepios hält dem entgegen, dass die Fluktuation unter den Chefärzten geringer sei als bei anderen Klinikbetreibern. Nach wie vor kämen Top-Mediziner nach Hamburg, auch vom UKE. Gleichzeitig übte Wolfram versteckte Kritik am UKE, wo Montgomery in Teilzeit arbeitet. „Das UKE hat sicher auch Interesse an einer kollegialen Partnerschaft.“ Hintergrund ist zum einen die Zusammenarbeit des privaten und des öffentlichen Trägers in der Krankenhausgesellschaft und im Arbeitgeberverband. Zum anderen buhlen die Krankenhäuser um die besten Ärzte.

Das Asklepios-Image ist angekratzt – zu Recht?

Asklepios kämpft seit Langem gegen das Image eines kalten Konzerns. Das hat deutschlandweit mit dem Unternehmensgründer Bernard große Broermann zu tun, dem eine starre Fixierung auf eine hohe Rendite vorgeworfen wird. Broermann betont stets die Qualitätsorientierung der As­klepios-Häuser und die hohen medizinischen Standards.

Außerdem werden Asklepios zurzeit Übernahmeversuche nachgesagt. So soll ein größerer Einstieg bei den Rhön-Kliniken vorbereitet werden, heißt es in Branchenkreisen. An Rhön ist Asklepios bereits beteiligt und konnte so zuletzt abwenden, dass Fresenius sich Rhön einverleibt.

Übernahme von Rhön geplant?

Erst kürzlich hat Asklepios einen neuen Leiter der Abteilung eingesetzt, die sich mit Übernahmen beschäftigt. Jan Liersch sei ein Mann, der „bei vielen Unternehmenskäufen die Verhandlungen geführt und sie rechtlich begleitet“ habe, hieß es in einer Mitteilung des Konzerns.

Hamburg hatte den Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) ab 2005 an Asklepios verkauft – trotz eines Volksentscheides dagegen. Doch dieser war nicht bindend. Die Stadt besitzt noch einen 25,1-prozentigen Anteil an der Hamburger Asklepios-Gesellschaft. Die Gewinne von 60 bis 65 Millionen Euro pro Jahr werden laut Asklepios komplett wieder in die Krankenhäuser gesteckt. Davon profitierten die Patienten.