Hamburg. Erst ein halbes Jahr nach dem Vorfall wurde öffentlich nach der Täterin gefahndet: Dazu gab es verschiedene andere Versäumnisse.

Pannen bei der Sicherung von Beweismitteln, Zeugenbefragungen erst Monate nach der Tat, möglicherweise auch Schlampereien bei der Vernehmung – im Fall des in einer S-Bahn mutmaßlich schwer misshandelten Mädchens hat es offenbar Versäumnisse gegeben. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Dennis Gladiator hervor.

Wie berichtet, soll das etwa sechs Jahre alte Mädchen im Oktober in der Bahn von einer Frau mit Faustschlägen malträtiert, geschüttelt, geschubst und zu Boden gedrückt worden sein. Doch erst am 17. Mai wurde mit dem Foto einer Zeugin öffentlich nach der Täterin gefahndet. Sie stellte sich am selben Tag – es ist die Großmutter und ehemalige Pflegemutter des Mädchens.

Wegen Fehler der Bundespolizei wurde das Video aus Bahn gelöscht

Die Zeugin hatte am 25. Oktober bei der Polizei angezeigt, dass ein Kind von einer älteren Frau misshandelt worden sei. Ein Handyvideo, das angeblich den Vorfall dokumentieren sollte, sei nicht zur Akte genommen worden, nur ein Handyfoto von der Täterin. Wie es in der Antwort des Senats weiter heißt, seien die Angaben der Zeugin in der Anzeige nicht wörtlich wiedergegeben worden, der „Sachverhalt vage“ geblieben. Eine Videoaufzeichnung aus dem S-Bahn-Wagen habe nicht gesichert werden können, da zunächst Bilder für den falschen Wagen angefordert worden seien. Als der Fehler bemerkt wurde, seien die Aufnahmen aus dem richtigen Wagen von der Bahn bereits gelöscht worden.

Am 28. November verfasste die Bundespolizei einen „Schlussbericht“. Die zuständige Dezernentin entschied am 16. Januar, dass aufgrund der vagen Schilderung die Zeugin ausführlich vernommen werden solle. „Anhaltspunkte für eine so erhebliche Straftat, welche eine Veröffentlichung gerechtfertigt hätten, lagen zu diesem Zeitpunkt nicht vor“, so der Senat. Vernommen wurde die Zeugin bis zum 14. März. Dabei schilderte sie auch Schläge gegen den Kopf des Kindes. Pikant: Ob sie dies bei der Anzeige im Oktober „nicht erwähnt“ habe oder ob dies vom „aufnehmenden Beamten nicht vermerkt“ worden ist, sei „ungeklärt“, so der Senat. Erst da sichtete eine Beamtin ihr Handyvideo. Eine Tathandlung sei darauf nicht zu erkennen gewesen.

Danach ging die Akte noch dreimal zwischen der Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft hin und her. Eine öffentliche Fahndung wurde auf Antrag der Behörde Ende April beschlossen, weil sich die Tat durch die Faustschläge nun doch als gravierend dargestellt habe. Dass die Fahndung erst sieben Monate später eingeleitet worden sei, sei „unfassbar“, sagt Gladiator. So sei das Kind monatelang unnötig der Gefahr weiterer Misshandlungen ausgesetzt gewesen. „Gerade bei Straftaten, deren Opfer wehrlose Kinder sind, müssen die Behörden schleunigst reagieren.“ Laut Senat befindet sich das Mädchen nun wieder bei seiner leiblichen Mutter. Gladiator: „Mit einer weiteren Senatsanfrage will die CDU klären, ob es nun tatsächlich in Sicherheit ist.“