Hamburg. In der Freien Akademie der Künste erinnern Günther Jauch, Thomas Gottschalk und Ulrich Wickert an den populären Autor.
Erinnerung, das sei die „Wiederbeatmung“ einer anderen Zeit, hat Hellmuth Karasek einmal geschrieben. Und treffender kann man es doch eigentlich gar nicht formulieren: Wer erinnert, der lässt etwas entstehen, der hat die Kraft, Gegenwart und Vergangenheit für einen Moment eins werden zu lassen.
Nur der Konjunktiv an dieser oder jener Stelle verrät, dass es um jemanden gehen soll, der nicht mehr selbst dabei sein kann. Am 29. September 2015 ist der Literatur- und Theaterkritiker, der vielseitige Publizist und Humorist, der gebildete Entertainer und unterhaltsame Bildungsbürger Hellmuth Karasek gestorben. Vergessen ist er nicht.
„Er wollte sehr geliebt werden“
„Er hätte so gut hierher gepasst“ und „Er hätte das sehr gemocht“, so hörte man es immer wieder, als Freunde, Weggefährten, Familie und („Gerade das hätte ihm wohl viel bedeutet!“) auch zahlreiche Leser auf Einladung des früheren „Stern“-Chefredakteurs Michael Jürgs in die Freie Akademie der Künste kamen, um „In memoriam Hellmuth Karasek“ aus dessen Texten zu lesen und Anekdoten zu teilen.
„Er wollte sehr geliebt werden“, sagte Konstanze Görres-Ohde, Vorstandsvorsitzende des Literaturhaus-Vereins, einleitend. Da ging es Hellmuth Karasek wie vielen, die sich eine Bühne und ein Publikum suchen. Nicht alle aber bekommen diese Liebe auch so deutlich gezeigt, und sicher nicht alle können es so annehmen wie es ihm offenbar möglich war.
Er wurde nicht bloß respektiert, nicht nur ob seines oft spitzzüngigen Kritikerurteils geachtet (und eben dafür bisweilen auch gefürchtet), nicht nur angehimmelt, sondern aufrichtig und von sehr, sehr vielen gemocht. Weil er etwas ausgestrahlt hat, was auf viele anziehend wirkt: das Leben selbst wirklich geliebt zu haben.
Die besten Klöße und politisch unkorrekte Witze
„Die Idee der besten oberschlesischen Klöße“ habe ihn immer mit Hellmuth Karasek verbunden, erklärte beispielsweise Fernsehmoderator Reinhold Beckmann. Karasek, der Genießer, der Gourmet, eine Facette, die fast jedem der Vortragenden besonders in Erinnerung ist.
Die besten Klöße also – und eine Vorliebe für politisch unkorrekte Witze, erzählt auch unter der Dusche eines öffentlichen Schwimmbades. Überhaupt, das Schwimmbad: eine „schwimmende Superzeitlupe“ habe „der Hellmuth“ dort abgegeben, verriet Beckmann unter dem zugewandten Gelächter des Publikums.
Karaseks Schwimmtechnik und die daraus resultierende Frisur habe Nikolas, den jüngsten der drei Karasek-Söhne (der die väterliche Vorliebe für unartigen Humor ganz offenbar teilt) einmal dazu verleitet, den Vater als schwimmenden Kim Jong-un zu bezeichnen.
Selbstironie als Lebenshaltung
Pietätlos? Ach wo! Hellmuth Karasek habe Selbstironie als Lebenshaltung gepflegt, betonte nicht nur Ulrich Wickert, der zum Beweis eine urkomische Geschichte des Freundes las, in dem dieser beschrieb, wie er einmal mit Günter Grass verwechselt worden war.
Das Geständnis „Meine Frau nennt mich eine Geldvernichtungsmaschine“ (zitiert von „Zeit“-Chefredakteur Giovanni die Lorenzo) fand auf dem Podium ebenso Platz wie die Karaseksche Sehnsucht nach Marmeladenbrot in der Schreibtischschublade, von der Günther Jauch zu berichten wusste.
Und wer durfte da in drei pausenlosen und doch kurzweiligen Stunden nicht alles für einen Kurzauftritt durch die Gegenwart flanieren: Billy Wilder und Marilyn Monroe, Peter Zadek und Marcel Reich-Ranicki.
Letzterem gedachte Thomas Gottschalk, der aufgrund einer Knieverletzung auf Krücken kam und den gewohnt schlagfertigen Entertainer gab („Das ist der späte Beweis, dass immer schon überzogen war, bevor ich angefangen habe!“). Wer im Übrigen einmal mit einem Großkritiker Achterbahn gefahren sei (wie Gottschalk mit Karasek und seinen Kindern im Disneyland), der sehe das gesamte Feuilleton entspannter.
Eindrucksvolle Besetzung
Als dessen Vertreter waren Ex-„Welt“- und Ex-„Spiegel“-Mann Matthias Matussek und der Literaturkritiker Volker Hage da, außerdem kamen der frühere „Spiegel“-Chef Stefan Aust sowie der einstige Thalia-Intendant Jürgen Flimm. Die eindrucksvolle Besetzung eines bemerkenswert heiteren Abends. Der umso berührender wurde, als Karaseks Tochter Laura, die den prominenten Reigen der Würdigenden beschloss, erzählte, dass ausgerechnet ihr Vater, dieser belesene Mann, noch bis kurz vor seinem Tod den wiederkehrenden Albtraum gehabt habe, er würde durch das Abitur fallen.
Er hätte das alles gemocht? Er hätte so gut hierher gepasst? Konjunktiv unnötig. An diesem Abend in der Freien Akademie war er ja da. Hellmuth Karasek, klar und deutlich – und, wie immer, ganz unglaublich unterhaltsam.