Wilhelmsburg. Umweltsenator und Grünen-Chefin dämpfen Hoffnungen, den Konflikt um das Bündnis für das Wohnen schnell beizulegen.

Im senatsinternen Streit über das Bündnis für das Wohnen haben Spitzenpolitiker der Grünen die Erwartungen auf eine rasche Einigung gedämpft. Der Konflikt sei keineswegs beigelegt, sondern es habe eine Annäherung stattgefunden, die optimistisch stimme, erklärte Umweltsenator Jens Kerstan am Pfingstwochenende auf Facebook. Die Grünen-Landeschefin Anna Gallina erklärte, sie sehe keinen Anlass, „mir jetzt keine Gedanken mehr um die Entwicklung Hamburgs zu machen, nur weil für die SPD Beton die große Vision ist“.

Auslöser des Streits war die Ankündigung von Kerstan, die zwischen Senat und Wohnungswirtschaft ausgehandelte Vereinbarung über das Bündnis für das Wohnen nicht zu un­terschreiben. Mit Blick auf die von Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) kurz zuvor verkündete Einigung über das Bündnis hatte Kerstan erklärt, es gebe „bisher keine Einigung mit der Umweltbehörde und mir“. Die Gespräche seien noch nicht abgeschlossen. Er werde den Bündnisvertrag daher nicht unterzeichnen.

Mit gut einem Jahr Verspätung hatten Senat und Wohnungswirtschaft sich am vergangenen Donnerstag auf die Wiederauflage des Bündnisses für das Wohnen verständigt. Demnach sollen künftig jedes Jahr 10.000 Bau­genehmigungen erteilt werden – 4000 mehr als beim ersten Wohnungsbündnis. Der Senat verpflichtet sich, während der Laufzeit des Bündnisses die Grunderwerbssteuer nicht zu erhöhen und für keine Stadtviertel eine neue soziale Erhaltensverordnung zu erlassen. Außerdem werden die Bezirke besonders in die Pflicht genommen.

SPD und Grüne versuchten, Wogen zu glätten

Unmittelbar nach der Vetoankündigung von Kerstan versuchten SPD und Grüne bei Krisentreffen, die Wogen zu glätten. In „konstruktiven und ergebnisorientierten Gesprächen“ hätten sich die Fraktionschefs Andreas Dressel (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne) mit den Staatsräten Matthias Kock (Stadtentwicklung) und Michael Pollmann (Umweltbehörde) „auf einvernehmliche Eckpunkte zur Umsetzung des vereinbarten Bündnisses für das Wohnen geeinigt“, teilten die Fraktionen am Sonnabend mit.

In ihrer Erklärung deuteten die Staatsräte und Fraktionschefs an, den Forderungen des Umweltsenators entgegenkommen zu wollen. Bei dem Gesprächsprozess solle sichergestellt werden, dass ein Ausgleich für die geplante Bebauung von Frei- und Grünflächen geschaffen werde, heißt es. So sollten etwa „zusätzliche öffentliche Mittel für Erhalt und Pflege von Natur- und Grünflächen gewonnen werden“.

Das Ziel, jährlich 10.000 Baugenehmigungen zu erteilen, steht allerdings nicht zur Debatte. Es sei ein „ambitioniertes, aber machbares Ziel, das einen klugen Umsetzungsweg zur Zielerreichung verlangt“. Belange des Naturschutzes und des bezahlbaren Wohnraums müssten zu einem vernünftigen Ausgleich gebracht werden. Die Unterzeichnung des Bündnisvertrags ist für den 8. Juni vorgesehen.

Umweltschützer auf Kerstans Seite

Unterstützung bekam Kerstan von Umweltschützern. „Die Bündnisvereinbarung blendet die Flächenknappheit in Hamburg nahezu komplett aus“, erklärte Manfred Braasch, Landes­geschäftsführer des Bunds für Umwelt und Naturschutz. Einfach „eine neue Schlagzahl von 10.000 Wohnungen in die Welt zu setzen, ist stadtentwicklungspolitisch verantwortungslos“.

Bei der Wohnungswirtschaft stieß der Streit zwischen SPD und Grünen auf wenig Verständnis. „Das Bündnis basiert auf einem Ausgleich aus ökonomischen und ökologischen Anforderungen“, sagte Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) am Pfingstmontag. „Wir wollen im Interesse des bezahlbaren Wohnraums vor allem eines: schnell bauen.“

Die große Nachfrage nach Wohnraum könne nur durch ein größeres Angebot befriedigt werden, erklärte Breitner weiter. „Das Bündnis setzt dafür den richtigen Rahmen, und wir vertrauen auf eine gute Zusammenarbeit mit dem ganzen Senat.“

Die Opposition reagierte am Pfingstwochenende mit Häme und scharfer Kritik auf den koalitionsinternen Konflikt. „Avanti Dilettanti scheint das neue Motto von Rot-Grün in Hamburg zu sein“, erklärte CDU-Fraktionschef André Trepoll. „Ausgerechnet in dem für die Stadt so wichtigen Politikfeld wie dem Wohnungsbau murksen SPD und Grüne um die Wette.“

Der FDP-Bauexperte Jens P. Meyer warf dem Bürgermeister vor, er habe „seine Chaostruppe mit grünem Anbau nicht mehr unter Kontrolle“. Erst „die Absurditäten in Sachen City-Hof mit den Akteuren Tschentscher und Kisseler“ und nun das Gerangel zwischen Kerstan und Stapelfeldt. „Das geht vor allem auf Kosten der Bürger, denn sie sind dringend auf neuen Wohnraum angewiesen.“