Glüsingen. Die Initiative für ökologische Landwirtschaft hatte sich für den Betrieb eingesetzt. Die Familie hat schwere Zeiten hinter sich.
Lennart Koch beugt sich hinunter zu den Hennen, die in Sandkuhlen auf der sonnenwarmen Wiese Platz genommen haben und ordentlich Staub aufwirbeln. „Das ist wie Wellness für Geflügel“, sagt der Landwirt lachend. „Mit dem Sandbaden halten sich die Hühner Parasiten vom Hals, ein ganz natürliches Verhalten, das die Tiere hier ausleben können“, bringt Andrea Koch, Lennarts’ Mutter, das Thema auf eine etwas wissenschaftlichere Ebene. Die Hühner, die hier inmitten von Wiesen und Obstbaumalleen ihrer Aufgabe der Eierproduktion in Biolandqualität nachkommen, sind für die Kochs eine Hoffnung für die Zukunft, der Start in ein neues Leben.
Viele Hamburger kennen die Familie
Denn die Bauernfamilie, die den Hamburgern seit Jahren auf drei Märkten an der Isestraße, am Hallerplatz und in Neugraben selbst gebackenes Brot, Bohnen oder Biotomaten verkauft, hat schwere Zeiten hinter sich. Um ein Haar hätte sie ihren Hof verloren. Ein idyllisches Stück Land am Waldrand, über dem die Seeadler kreisen. Im Besitz der Familie seit mehr als 100 Jahren.
Missmanagement des vor einigen Jahren verstorbenen Seniorchefs hatte die Produktion in den finanziellen Ruin getrieben. Bis vor wenigen Monaten standen die Kochs der Drohkulisse gegenüber, Haus und Hof, Heimat von drei Generationen, die dort leben und arbeiten, und Dutzende Tiere aufzugeben.
Der Bio-Betrieb war ohne das Wissen der Folge-Generation hoch verschuldet, oft reichte das Geld noch nicht einmal für das Nötigste. Wenn der Gabelstapler seinen Dienst quittierte, konnten die Kartoffeln nicht verladen werden, teure Reparaturen waren angesichts der leeren Kasse nicht mehr drin. Auf diese Weise konnte es nicht weitergehen, der Investitionsstau hemmte die Geschäfte des landwirtschaftlichen Betriebes im kleinen Ort Betzendorf-Glüsingen, 70 Kilometer südlich von Hamburg, immer mehr.
In ihrer Not entschied sich Familie Koch für eine ungewöhnliche Rettungsaktion: Sie hat die Hälfte ihres Besitzes an die Regionalwert AG abgegeben. „Uns ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen, als wir uns mit der Regionalwert AG einigen konnten. Schließlich hätten wir sonst nicht nur unsere Arbeit, sondern auch unser Zuhause verloren“, sagt Lennart Koch. Mit der Beteiligung floss neues Geld in den Betrieb, insgesamt 200.000 Euro. So sind jetzt wieder Investitionen möglich, wie in die Herde Hühner.
Der Chef auf dem Hof ist 25 Jahre alt
„Jetzt haben wir 950 Tiere, nächste Woche werden es 1400 sein“, freut sich der Junior, der den Hof nach der Neuordnung der Firma mit seinen jugendlichen 25 Jahren als Betriebsleiter führt. Die Nachfrage nach Eiern in Bioland-Qualität ist so hoch, dass die Aufstockung des Bestandes dringend nötig geworden war. „Durch die Eier haben wir auch im Winter Einnahmen“, sagt Andrea Koch, die regelmäßig selber auf die Märkte in der Region fährt und die Ware verkauft. Mit dem neuen Kapital planen die Kochs zudem, ein weiteres Gewächshaus zu bauen, um den Kunden noch mehr Produkte aus eigener Erzeugung anbieten zu können. Mittelfristig will auch Lennarts Bruder Marian, 17, in den Betrieb einsteigen.
Neue Einnahmequellen für Bauernhöfe zu finden und zu finanzieren ist nur eines der Ziele, die sich die Regionalwert AG auf die Fahnen geschrieben hat. „Wir wollen die bäuerliche Wertschöpfung in der Region fördern, damit sie uns erhalten bleibt“, sagt Ulf Schönheim, der aus tiefster Überzeugung für die ökologische Landwirtschaft handelt und dafür seinen ehemaligen gut bezahlten Job aufgegeben hat. Gemeinsam mit dem Landwirt Malte Bombien hat der Hamburger nach dem Modell einer bereits in Süddeutschland erfolgreichen Regionalwert AG eine solche Gesellschaft im Norden gegründet.
Das macht die Hamburger Regionalwert AG
Christian Meyer (Grüne), Niedersachsens Minister für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz, lobt die Initiative. „Wir fördern als Landesregierung den ökologischen Landbau sowie die regionale Vermarktung auf vielfältige Weise. Wir begrüßen deshalb den Ansatz der Regionalwert AG, durch bürgerschaftliches Engagement bäuerliche und ökologisch wirtschaftende Betriebe zu unterstützen – sei es bei Liquiditätsproblemen oder in der Umstellungsphase.“ Oft fehle Neueinsteigern die Fläche, andere Betriebe könnten bei den anhaltend hohen Pachtpreisen nicht mehr mithalten.
Auch Regionalwert-Vorstand Schönheim freut sich über die Investition seiner Gesellschaft in den Hof Koch: „Der Betrieb passt perfekt zu der Regionalwert-Idee. Wir helfen einen traditionsreichen Bio-Hof zu erhalten. Gleichzeitig ermöglichen wir einem jungen Landwirt, seinen eigenen Betrieb zu bewirtschaften. Dazu kommt: Hof Koch ist bekannt für seinen hohen Anspruch an die ökologische Bewirtschaftung, die große Vielfalt und seine tollen Erzeugnisse – von der Tomate über die Eier, das Brot aus eigenem Getreide bis zu Suppen und Fonds.“
In den nächsten Monaten will die Regionalwert AG Hamburg weitere Mittel investieren. Derzeit ist die Bürger-AG in Gesprächen mit mehreren landwirtschaftlichen Betrieben und einem lebensmittelverarbeitenden Unternehmen in Schleswig-Holstein. Darüber hinaus ist ein Geschäft für regional erzeugte Waren in Hamburg geplant, mit einem Bistro für den Mittagstisch. Hier soll es dann bald auch die Produkte vom Hof Koch geben, natürlich auch die Eier der Wellness-Hühner.