Hamburg. Bei dem wegen Kindesmissbrauch verurteilten Thomas B. wurden Fristen versäumt. Warum es zwischen Justizbehörde und Gericht Streit gab.

Das Hanseatische Oberlandesgericht hat entschieden, einen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in mehreren Fällen verurteilten Straftäter aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen. Das Urteil vom Dienstag ist rechtskräftig.

Der Entscheidung liegt offenbar ein Streit zwischen der Justizbehörde und dem Gericht zugrunde. Nach Angaben der Gerichtspressestelle sei die JVA Fuhlsbüttel nicht ihrer Pflicht nachgekommen, dem Sicherungsverwahrten eine „angemessene externe therapeutische Behandlung“ zukommen zu lassen. Da diese laut eines Gutachtens aber notwendig sei, kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Fortdauer einer Unterbringung unverhältnismäßig sei. „Kommt es zu einer Sicherungsverwahrung, muss regelmäßig überprüft werden, ob die Bedingungen dafür noch gegeben sind. Das waren sie in diesem Fall nicht mehr“, sagt Gerichtssprecher Kai Wantzen.

Thomas B. war seit 2008 in Sicherungsverwahrung

Thomas B. wurde im Jahr 2004 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Grund dafür waren der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern und Drogenmissbrauch. Seit August 2008 befand sich der heute 50-Jährige in der Sicherungsverwahrung. In einer Mitteilung des Gerichts heißt es, im Rahmen dieser Unterbringung sei es „bis März 2016 nicht gelungen, eine kontinuierliche und tragfähige psychotherapeutische Behandlung des Untergebrachten einzurichten“. „Insbesondere, was die Bewachung während der externen Behandlung angeht, war man sich uneins“, sagt Wantzen. Seit 2013 habe es Streit darum gegeben, unter welchen Bedingungen eine Behandlung außerhalb der Anstalt in der Praxis eines Therapeuten stattfinden könnte.

Nach Auskunft der Justizbehörde habe das Gericht beanstandet, dass die Justizvollzugsanstalt zu strenge Sicherheitsanforderungen an die Durchführung einer externen Therapie des Sicherungsverwahrten gestellt habe. Soweit die JVA Fuhlsbüttel die Therapie unter den in einer früheren Entscheidung angeordneten Bedingungen für nicht umsetzbar gehalten habe, hätte sie eine Abänderung der gerichtlichen Entscheidung herbeiführen müssen.

Behandlung in der Anstalt abgelehnt

Am 27. März 2015 entschied das Hanseatische Oberlandesgericht, die Anstalt habe B. innerhalb von vier Wochen außerhalb der Anstalt den Besuch eines von ihm gewählten, bestimmten Psychiaters zu ermöglichen. Bedienstete wurden von den Therapiesitzungen ausgeschlossen.

Aufgrund des Fluchtrisikos habe sich die JVA Fuhlsbüttel nach Auskunft der Justizbehörde entschieden, diesen Besuch nur zu ermöglichen, wenn sämtliche Fluchtwege abgesichert würden. Eine strikte Überwachung des Umfelds der Praxisräume mit mehreren Bediensteten sei jedoch vom Psychiater abgelehnt worden. Das Angebot des Psychiaters, die Sitzungen in der Anstalt durchzuführen, sei wiederum von Thomas B. abgelehnt worden.

„Um ihm eine Entlassungsperspektive zu ermöglichen, wurden bei B. erste Lockerungsmaßnahmen bewilligt“, heißt es von der Justizbehörde. „Bei mehreren Ausführungen konnte er sich erproben und an ein Leben in Freiheit gewöhnen. Die Ausführungen dauerten bis zu drei Stunden, er wurde dabei ungefesselt von einem Bediensteten in Zivil begleitet, befand sich aber ständig „unter Sicht“. Die Ausführungen seien beanstandungsfrei verlaufen.

Justizsenator bedauert Auseinandersetzung

Die Folge des Streits über die Bewachung bei der externen Therapie war jedoch, dass dem Mann die gerichtliche Anordnung nicht zukam. Das Gericht spricht von „erheblichen Unzulänglichkeiten bei der Umsetzung der gebotenen psychotherapeutischen Behandlung des Untergebrachten“. In einem solchen Fall sei das Gericht nach Auffassung des Senats verpflichtet, den weiteren Vollzug der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen.

Justizsenator Till Steffen sagt dazu: „Die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel und das Gericht waren sich einig, dass dem Sicherungsverwahrten eine realistische Entlassungsperspektive zu eröffnen war. Beide Seiten waren sich ebenso einig über den Therapiebedarf. Unterschiedliche Auffassungen gab es bei der Abwägung von Resozialisierungsmaßnahmen und Sicherheitsbelangen. Anstalt und Justizbehörde akzeptieren: Soweit sich die JVA Fuhlsbüttel aus Sicherheitsgründen außer Stande sah, die Therapie wie angeordnet umzusetzen, hätte sie eine gerichtliche Entscheidung hierüber einholen müssen."

Er persönlich bedaure, dass es überhaupt zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung in der Frage nach Resozialisierungsmaßnahmen gekommen sei. „Eine Therapie ist ein wichtiges Mittel, um gesellschaftlich wieder Fuß zu fassen. Wir müssen im Justizvollzug alles dran setzen, um dies zu ermöglichen“, sagte Steffen. Resozialisierung habe einen hohen Stellenwert, sie sei der beste Schutz vor weiteren Straftaten und muss mit den Anforderungen an Sicherheit in Einklang gebracht werden.

Entlassener muss Fußfessel tragen

Der Justizsenator kündigte an, dass die Justizbehörde die JVA Fuhlsbüttel bei der Planung und Umsetzung von Resozialisierungsmaßnahmen für Sicherungsverwahrte künftig enger begleiten werde. „Der Fall zeigt mir, dass wir bei solchen schwierigen Verfahren einen besseren Austausch aller Beteiligten als bisher benötigen, um frühzeitig praktikable Handlungsalternativen anzubieten.“

Thomas B. wird nun unter „Führungsaufsicht und umfangreichen Weisungen, deren Verletzung mit Strafe bedroht ist“, in die Bewährung entlassen. Er muss eine Therapie fortführen, eine elektronische „Fußfessel“ tragen und es ist ihm verboten, mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt zu treten.

Alle notwendigen Vorbereitungen für die Entlassung sind nach Angaben der Justizbehörde bereits getroffen, die Weisungen des gerichtlichen Führungsaufsichtsbeschlusses könnten demnach sofort umgesetzt werden.

Thomas B. ist inzwischen in Therapie

Thomas B. könne einen Wohnsitz vorweisen. Er befinde sich seit März 2016 bereits in der von ihm gewünschten externen therapeutischer Behandlung, die er laut Gericht auch weiterführen muss. Ihm ist ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt.

Nachdem der Psychiater seine Praxisräume verlegt hatte, war eine Absicherung durch einen einzelnen Bediensteten laut Justizbehörde möglich. Diese Tatsache habe jedoch bei der Entscheidung des Gerichts keine Rolle gespielt.