Hamburg. Bislang sollten 5600 Expresswohnungen errichtet werden. Jetzt kündigt Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt eine viel geringere Zahl an.

Hinter vorgehaltener Hand wurde es schon seit einigen Wochen geflüstert, jetzt ist es offiziell: Hamburg werde 800 sogenannte Expresswohnungen für Flüchtlinge weniger bauen als im Herbst vergangenen Jahres angekündigt, teilte Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) am Freitag mit. Statt 5600 Wohnungen sollten nur noch 4800 Unterkünfte errichtet werden.

Zudem verabschiedet sich der rot-grüne Senat von seinem bisherigen Zeitplan. „Ein kleiner Teil der Siedlungen wird bis Ende dieses Jahres bezugsfertig, die übrigen im Lauf des Jahres 2017“, erklärte die Senatorin weiter. Ursprünglich hatten alle 5600 Expresswohnungen bereits in diesem Jahr bezugsfertig sein sollen.

Angesicht sprunghaft gestiegener Flüchtlingszahlen hatte der Senat im Herbst vergangenen Jahres den Bau der Flüchtlingswohnungen im Standard von Sozialwohnungen beschlossen. Dazu wurden die sieben Hamburger Bezirke aufgefordert, eine jeweils acht Hektar große Fläche für die Errichtung von 800 Wohnungen zur Verfügung zu stellen.

Da in jede Einheit fünf Flüchtlinge einziehen sollten, wären so Großwohnsiedlungen mit bis zu 4000 Flüchtlingen entstanden. Anwohner und Kritiker fürchteten die Entstehung von Ghettos, die eine Integration der Flüchtlinge erschweren würde. Rasch bildeten sich Bürgerinitiativen gegen die Großwohnsiedlungen.

Diskutieren Sie beim Abendblatt-Flüchtlingsforum mit

Am 29. April lädt das Hamburger Abendblatt zum großen Flüchtlingsforum. An diesem Tag können Sie, liebe Leser, alle Fragen und Vorschläge rund um das Thema Flüchtlinge in Hamburg loswerden. Jeweils 90 Minuten stehen Ihnen dafür Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD), Innensenator Andy Grote (SPD) und Flüchtlingskoordinator Anselm Sprandel Rede und Antwort.

Bürgermeister Olaf Scholz Bürgermeister Olaf Scholz macht von 10 bis 11.30 Uhr den Auftakt und wird sich auch zu den „europäischen Perspektiven in der Flüchtlingspolitik“ äußern. Von 12 bis 13.30 Uhr können Sie mit Innensenator Grote über die Folgen der Flüchtlingskrise für die innere Sicherheit diskutieren. Von 14.30 bis 16 Uhr steht Flüchtlingskoordinator Sprandel für Fragen zur Unterbringung zur Verfügung, und von 16.30 bis 18 Uhr geht es mit Sozialsenatorin Leonhard um das Thema Integration.

Anmeldungen sind unter 040/68 86 09 55 (Mo bis Fr 10–17 Uhr) oder in der neuen Geschäftsstelle des Abendblatts am Großen Burstah 18–32 möglich (Mo bis Fr 9–19, Sbd 10–16 Uhr).

Die Teilnahme Die Teilnahme am Forum ist kostenlos. Sie können sich und weitere Personen für eine oder mehrere Diskussionsrunden anmelden.

Veranstaltungsort: Veranstaltungsort die Räume des Abendblatts am Großen Burstah 18–32.

Für die Berichterstattung Für die Berichterstattugn werden Fotos und Videos gemacht. Mit der Anmeldung erhält das Abendblatt die Berechtigung, ohne besondere Vergütung Bildaufnahmen zu drucken sowie Film­aufzeichnungen herzustellen und diese selbst auszustrahlen.

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Ein Volksinitiative konnte im Februar dieses Jahres innerhalb von fünf Tagen mehr als 26.000 Unterschriften gegen Großsiedlungen für Flüchtlinge sammeln und damit die erste Hürde auf dem Weg zu einem Volksentscheid überwinden.

Umstritten ist zudem die rechtliche Grundlage, auf der die Flüchtlingswohnungen errichtet werden sollen. Bundestag und Bundesrat hatten im Oktober 2015 Ausnahmeregelungen im Baugesetzbuch beschlossen, die eine Errichtung von zeitlich befristeten Flüchtlingsunterkünften erleichtern soll. Hamburg legt diese Ausnahmeregelungen so aus, dass die Wohnhäuser zunächst als Flüchtlingsunterkunft deklariert und später in normale Wohngebäude umgewandelt werden. Derzeit ist vor dem Oberverwaltungsgericht ein Eilantrag anhängig, der sich mit der Auslegung der Ausnahmeregelungen durch die Stadt Hamburg beschäftigt.

Allerdings gab es auch in den Bezirksverwaltungen von Anfang an Bedenken gegen (zu) große Flüchtlingssiedlungen. So wurden in den vergangenen Monaten die Standortplanungen zum Teil erheblich korrigiert. Stapelfeldt hatte im Februar erklärt, in Harburg würden keinen Flüchtlingswohnungen gebaut, aber offen gelassen, ob andere Bezirke einspringen müssten. Erst Anfang dieser Woche hatte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel erklärt, im nördlichen Teil der Hummelsbütteler Feldmark werde auf den Bau von 300 Flüchtlingswohnungen verzichtet und im südlichen Teil seien nur noch 200 statt 400 geplant.

Neben den anhaltenden Protesten in den Stadtteilen dürften die deutlich gesunkenen Flüchtlingszahlen die korrigierte Planung des Senats verursacht haben. Im März waren Hamburg 643 Flüchtlinge dauerhaft zugewiesen worden. Im Februar und Januar hatte diese Zahl noch jeweils bei 2300 gelegen. Nach den Worten von Senatorin Dorothee Stapelfeldt verschafft der Rückgang bei den Zuzugszahlen der Stadt derzeit eine Atempause.

CDU-Fraktionsvize Karin Prien reagierte erfreut. „Der Druck von Initiativen, Gerichten und Opposition zeigt deutliche Wirkung.“ Schon seit längerem sei klar gewesen, dass der Senat seine Ankündigung, die Flüchtlingswohnungen noch in diesem Jahr fertigzustellen, nie würde einhalten können. „Im Übrigen war die Rechtsgrundlage für die Expressbauten von Anfang an zweifelhaft“, sagte Prien. „Jetzt ist es an der Zeit, ein grundlegend neues, integrationsfreundlicheres Konzept gemeinsam mit den Bürgern zu erarbeiten und umzusetzen.“

Volksinitiative präsentiert vor dem Sozialausschuss seine Vorstellungen

Am Freitagabend präsentierten die Initiatoren der Volksinitiative dem Sozialausschuss der Bürgerschaft ihre Vorschläge zur Unterbringung von Flüchtlingen. Statt Großwohnsiedlungen zu errichten, sollte das normale Wohnungsbauprogramm für Geflüchtete geöffnet werden, sagte Klaus Schomacker, einer der Initiatoren. Bei Neubausiedlungen wäre es sinnvoll, stets ein Viertel der Wohnungen an Flüchtlinge zu vergeben.

Zudem schlug die Volksinitiative vor, Baulücken zu schließen und jedes Jahr mehr als 6000 Wohnungen zu werden, wie es das aktuelle Bündnis für das Wohnen vorsehe. Zudem sollten ungenutzter Zimmer und Einliegerwohnungen aktiviert werden. Gebäude, die saniert oder abgebrochen werden sollen, könnten zwischengenutzt werden. Nicht zuletzt sei der Ausbau von Dachgeschossen ein Weg, Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen.

„Wir haben gezeigt: die Politik des Senates ist alles andere als alternativlos“, sagte Schomacker. Äußerungen von SPD-Fraktionschef Andreas Dressel in den vergangenen Tagen haben erkennen lassen, „ dass die Flüchtlingskrise mittlerweile ganz offen genutzt wird, um das geltende Baurecht zur Durchsetzung von konzeptlosem, sozialem Wohnungsbau auszuhebeln“.

Schomacker fordert den Senat auf, ein Moratorium für den Bau von Flüchtlingswohnungen zu beschließen. Bürgerinitiativen, Bürgerbegehren und Bürgerbeteiligung sollten im Sinne unserer demokratischen Kultur ernst genommen werden.

Stadt gab im vergangenen Jahr 590 Millionen Euro für Flüchtlinge aus

Unterdessen wurde bekannt, dass Hamburg hat im vergangenen Jahr knapp 590 Millionen Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen ausgegeben. Von den insgesamt 586,2 Millionen Euro entfielen rund 147,4 Millionen Euro auf die Einrichtung und den Betrieb von Erstaufnahmeeinrichtungen und etwa 126 Millionen Euro auf den Bau von Folgeunterkünften.