Wolfsburg . Akram Khan sorgt für Gänsehaut. Alles ist Rhythmus, Konzentration, Anspannung. Schwerpunkt der diesjährigen Festwochen: „Liebe“.

Eine Stunde Gänsehaut pur. Hervorgerufen hat sie der britische Choreograf Akram Khan mit seiner Company. Die Deutschlandpremiere von „Until The Lions“ riss die Zuschauer bei den Movimentos Festwochen der Autostadt in Wolfsburg (noch bis 10.5.) zu Ovationen hin.

Passend zum diesjährigen Movimentos-Schwerpunkt „Liebe“ erzählt Khan eine Geschichte aus dem indischen Epos Mahabharata als Kammerspiel mit grandioser Live-Musik. Amba (hochenergetisch getanzt von Ching-Ying Chien), älteste Tochter des Königs von Kashi, wird vom Krieger Bhishma (Akram Khan) entführt.

Sie soll seinen Halbbruder heiraten, doch Amba ist Salwa versprochen. Bhishma lässt sie frei, aber Salwa will nichts mehr von Amba wissen. Der zölibatäre Bhishma wiederum will sie nicht ehelichen. Amba bringt sich um, doch ihre kriegerische Inkarnation Shikhandi (die biegsame Christine Joy Ritter) nimmt martialisch Rache. Eine saftige Geschichte also von Liebe und Verrat, Schuld und Sühne.

Große, berührende Menscheitsgeschichte

Auf einem gigantischen aufgeschnittenen Baumstumpf als Symbol für die Welt, entworfen von Tim Yip, werfen sich die Akteure hin und her, verbiegen sich, verknäulen sich im Liebesakt und ringen bald, Bambusstäbe in den Händen, miteinander. Joy Ritter umrundet derweil animalisch kriechend die Szene, bis ihre Stunde schlägt. Um die Bühne verteilt spielen und singen vier furiose Live-Musiker moderne, indisch inspirierte Musik. Alles ist Rhythmus, Konzentration, Anspannung. Und schon ist sie da, die Gänsehaut.

Akram Khan folgt Karthika Nairs Buch „Until The Lions“, in dem das Epos aus weiblicher Sicht erzählt wird. Ihm gelingt eine große, berührende Menschheitsgeschichte als atemberaubende Verbindung aus zeitgenössischem und traditionellem indischen Kathak-Tanz. Trotz seines Bekenntnisses zum Pathos, gleitet der Abend nie in Ethno-Kitsch ab.

Akram Khan hat bereits als 13-Jähriger in Peter Brooks Neun-Stunden-Version des Mahabharata getanzt und sich dabei die Konzentration auf das Wesentliche abgeschaut. Wahrhaft großes, überwältigendes Tanztheater.

Akram Khan: „Until The Lions“ 23.4., 20.00, Movimentos Festwochen der Autostadt, Wolfsburg, www.movimentos.de