Hamburg. Bei Airbus beginnt der Hochlauf der A320-Produktion. Ein ehrgeiziges Programm. Was sich ändert? Das Abendblatt hat nachgeschaut.

Das Einschlagen der Nieten dröhnt durch Halle 9 im Airbus-Werk auf Finkenwerder. Monteure arbeiten am Bauplatz 41 an dem Zusammenbau des vorderen, im französischen St. Nazaire gefertigten Rumpfabschnitts und des hinteren aus Hamburg.

Es ist in der Endmontagelinie der erste Schritt auf dem Weg zu einem Jet der A320-Familie, deren Durchlaufgeschwindigkeit jetzt erhöht wurde. „Seit März rollt alle zwei statt bisher 2,5 Tage ein Flugzeug aus dieser Halle“, sagt Nico Petersen, der seit 2013 in Hamburg die Endmontage für den Flugzeugtyp verantwortet.

Jeder zweite A320 wird in Hamburg produziert

Der 37-Jährige leitet auf Finkenwerder die Vorbereitungen für ein ehrgeiziges Vorhaben. Der MDAX-Konzern hat in den Auftragsbüchern fast 5500 Bestellungen für die A320-Familie stehen, etwa 45 Maschinen weltweit werden derzeit pro Monat ausgeliefert. „Im Frühjahr 2017 erhöhen wir die Fertigungsrate konzernweit auf 50 Flugzeuge pro Monat“, sagt Petersen. „Hamburg wird 25 Jets dazu beisteuern.“ Mitte 2019 sollen dann sogar 60 Jets konzernweit ausgeliefert werden.

Im Herbst vergangenen Jahres hatte Airbus die Weltrekordproduktion angekündigt. Der für die Flugzeugprogramme zuständige Airbus-Manager Didier Evrard sagte damals, er sei überzeugt, „Schritt für Schritt die höchste Produktionsrate in der Geschichte der Zivilluftfahrt zu erreichen“.

Wie sich die Rate 60 auf die Standorte Hamburg, Toulouse, Tianjin (China) und Mobile (USA) verteilt, ist noch offen. Aber auch in Hamburg dürften mehr Jets produziert werden. Schließlich liegt an der Elbe die Weltzentrale der A320-Familie. Programmmanagement und Logistikhub sitzen hier und jeder zweite A320-Flieger wird hier produziert.

Bleibt es dabei, könnten in drei Jahren in Hamburg rund 30 Flieger im Monat gefertigt werden, also jeden Tag einer. Zumal das Werk für den Ausbau der Kapazitäten eine vierte Endmontage­linie für das A320-Programm erhält.

Auswirkungen auf Airbus-Mitarbeiter

Bestehende Hallen sollen dafür genutzt werden, in denen zum Beispiel bisher Nacharbeiten an Flugzeugen gemacht wurden. Derzeit wird das vorläufige Design der Halle entwickelt. „Bei der Planung der vierten Endmontagelinie sind wir voll im Gange“, sagt Petersen, ein studierter Wirtschaftsinformatiker: „Das ist viel Detailarbeit. Wir möchten möglichst viel Technologie reinbringen. Beim Zusammenfügen des Rumpfes wollen wir beispielsweise Roboter einsetzen, um damit auch die Arbeit für die Beschäftigten zu erleichtern.“ Neue Bohrverfahren sollen eingesetzt werden. Insgesamt soll die Linie flexibler sein als bisher, einzelne Stationen beweglich und veränderbar.

Im zweiten Halbjahr 2017 soll dort mit der Endmontage des ersten Flugzeugs angefangen werden. Petersen: „Die neue Linie soll Vorbildcharakter für die A320-Produktion weltweit haben.“

Dass insgesamt in der A320-Endmontage in Hamburg mehr Personal als die derzeit rund 2000 Mitarbeiter gebraucht werde, sei klar. Wie viel mehr sei aber noch unklar. Zumal zum einen aus anderen Flugzeugprogrammen wie dem A380 Mitarbeiter hin­überwechseln könnten.

Und zum anderen beim A320-Programm auch Arbeit verloren geht. Denn bisher erledigten rund 200 Mitarbeiter auf Finkenwerder die Kabinenausrüstung von Maschinen, die in Toulouse endmontiert wurden. Das führte dazu, dass fast fertige Maschinen an die Elbe flogen, um Teppiche, Toiletten und Küchen hier einzubauen. Im Zuge der Vereinheitlichung der Produktionslinien werden diese Arbeiten nun direkt in Frankreich ausgeführt.

Ab Bauplatz 40 wir das Flugzeug erkennbar

Weltweit das Vorbild für die A320-Produktion ist bisher die Halle 9. Die Endmontagelinien in Tianjin und Mobile – am Montag wird dort der erste Jet ausgeliefert – sind nach deren Muster geplant worden. Derzeit leistet sie schon einen wichtigen Beitrag zum Hochlauf der Produktion.

„Wir optimieren bei laufendem Betrieb, das erfordert viel Fingerspitzengefühl – wie eine Operation am offenen Herzen“, sagt Petersen. Statt an bisher vier wird nun an fünf Stationen gearbeitet. Nach dem Rumpfzusammenbau rückt das Flugzeug zum Bauplatz 40 vor. Am Modell mit der Seriennummer 7146 wird innen an der Kabine gewerkelt, außen kommen Triebwerksträger an den Jet – und er erhält sein markantes Äußeres.

„Der Anbau von Flügeln und Fahrwerk ist das Herzstück der Produktion. Ab dieser Station erkennt man auch: Es wird ein Flugzeug“, so Petersen. Es ist der einzige Bauplatz, an dem im Drei-Schicht-System rund um die Uhr an regulär fünf Tagen in der Woche gearbeitet wird. Bis zu 50 Mitarbeiter wuseln an zwei Tagen um den Jet herum. Denn trotz der Komplexität haben die Monteure – wie an jeder Station in der Halle – nur 48 Stunden Zeit für die Arbeiten.

Nach acht Tagen verlässt die Maschine die Halle

Dann rollt die Maschine ein paar Meter weiter zu Station 35. In der Kabine werden Verkleidungen und Handgepäckfächer angebracht, Rohre für Küche und Toiletten verlegt. Höhen- und Seitenleitwerk werden angebaut, Hydrauliktests gemacht. Zu den blau gekleideten Monteuren gesellen sich mit fortschreitendem Fertigungsprozess zunehmend solche in grüner (Abteilung Qualitätssicherung) und bordeauxroter Kleidung – das sind Tester.

An der in der Halle letzten Station 25 folgen zahlreiche Tests an den Flugzeugsystemen. Zudem schreitet der Kabinenausbau voran, die Hilfsgasturbine wird montiert. Weil neue Arbeitsinhalte hinzukamen, arbeiten die Monteure derzeit auf silbernen Baugerüsten statt auf sonst üblichen gelben Stahlbauten.

Diese provisorischen Arbeitsbühnen werden erprobt und den Bedürfnissen der Beschäftigten angepasst. Nach der Testphase werden dann maßgeschneiderte Stahlbauten bestellt. Sie stehen auf drehbaren Rädern und können zur Seite gefahren werden, sodass der Jet zur nächsten Station rollen kann.

Mit dem Verlassen der Halle nach acht Tagen ist die Maschine noch lange nicht fertig. Die Sitze müssen noch in­stalliert – das ist der fünfte Schritt, der nun aus der Halle hinaus verlagert wurde – und die Triebwerke angebaut werden. Die Tanks werden auf Dichtigkeit geprüft. Es folgen Funktests, die Lackierung und die Flugtestphase, bis der Jet ausgeliefert wird. Vom ersten Handgriff in der Endmontage bis zu Auslieferung vergehen durchschnittlich 30 Werktage. Ende der 90er-Jahre waren es übrigens noch 90 Tage.