Hamburg. Moderne Technik von IBM führt zu einer deutlichen Reduzierung von Transporten leerer Container. Hamburg soll Vorbild sein.
Tausende Laster quälen sich täglich durch den Hamburger Hafen. Nicht immer bringen sie Fracht zu den Seeschiffterminals oder holen welche ab. Ein Großteil des Verkehrs wird durch das Umherkutschieren von leeren Containern verursacht. Das ist wenig effizient und ökologisch unsinnig. Die Hamburg Port Authority (HPA), mehrere Containerpackbetriebe und der Software-Konzern IBM haben jetzt einen Weg gefunden, die Anzahl der Leercontainerfahrten drastisch zu reduzieren. Der Trick dabei ist ein „virtuelles Containerdepot“ also ein Lager, das nur im Internet und nicht in Realität besteht. Dieser elektronische Kniff hebelt einen Teil der herkömmlichen Praxis aus. 200.000 Fahrten können somit eingespart werden.
Derzeit läuft der Containereinsatz nach einem komplizierten Prinzip: Viele Stahlboxen beispielsweise mit Kleidung oder Elektronikartikeln aus Asien werden, nachdem sie vom Schiff gehoben wurden, zunächst zu einem Containerpackbetrieb gebracht. Der leert den Container und kommissioniert die Ware für die einzelnen Empfänger. Der leere Container wird in ein Depot gefahren, wo er auf seinen nächsten Einsatz wartet. Der Packbetrieb für den Export holt die Stahlbox im Depot ab, und packt sie dann wieder zur Verladung aufs Schiff. Der Bring- und Abholverkehr der leeren Container mit dem Depot verursacht viele Lkw-Fahrten im Hafen. „Nach einer Studie des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik gab es allein im Jahr 2013 zwei Millionen Lkw-Fahrten im Hamburger Hafen“, sagt Thomas Wolnewitsch, Vorsitzender des Fachverbands der Containerpackbetriebe. Das Gros davon zwischen Depots und Packbetrieben.
Das sei aber nicht immer sinnvoll. „Manchmal wartet der Export-Verpacker schon auf den Container, wozu also der Umweg über das Depot?“, so Wolnewitsch. IBM habe nun eine Lösung zur Vermeidung überflüssiger Fahrten entwickelt. „Wir haben eine Daten-Cloud eingerichtet, auf die alle Beteiligten – Reeder, Packbetriebe, Spediteure und Lkw-Fahrer – Zugriff haben können“, sagte Christian Schultze-Wolters, Geschäftsbereichsleiter Nord & Ost bei IBM. In dieser Datenwolke wird jeder frei werdende Container von den Packbetrieben registriert. Das System wird dadurch vereinfacht, dass jeder Container auf der Welt seine eigene Nummer hat.
Benötigt ein Packbetrieb einen bestimmten Container oder einen des gleichen Typs, nimmt er zum Kollegen Kontakt auf. Die beiden regeln die Übernahme untereinander, sobald die Reederei, zu der der Container gehört, grünes Licht gibt. Der Umweg über das Leercontainerdepot entfällt.
„Wir sehen allein in unserem Fachverband ein Einsparpotenzial für jährlich 100.000 Leercontainerumfuhren. Da diese normalerweise zum Depot und wieder zurückfahren, können also insgesamt 200.000 Lkw-Fahrten im Hafen eingespart werden“, sagt Fachverbandschef Wolnewitsch.
Seit ein paar Wochen läuft das „virtuelle Depot“ im Testbetrieb. „Wir sind mit dem Verlauf sehr zufrieden“, sagt Bernd Themann vom Lagerhaus Harburg. „Bereits die Hälfte der Mitgliedsunternehmen im Fachverband sowie elf Reedereien nehmen an dem Projekt rege teil.“ Je mehr Teilnehmer sich anschlössen, desto größer wäre der positive Effekt. Noch bis Juni geht die Testphase, dann werden Betrieb und Pflege der neuen Datencloud öffentlich ausgeschrieben, heißt es von der HPA.
Deren Geschäftsführer, Jens Meier, verspricht sich einen nachhaltigen Effekt: „Das ist ein weiterer Baustein, um den Hafen intelligenter zu machen. Letztlich geht es darum Logistikprozesse zu verbessern, den Verkehrsfluss zu erhöhen sowie die Umwelt durch die Vermeidung überflüssiger Fahrten zu entlasten“, so Meier. Die Einrichtung des virtuellen Depots habe nur 70.000 Euro gekostet. „Kleiner Einsatz – große Wirkung“, so Meier.
Mit diesem Projekt werde der eher theoretische Begriff vom „Smart Port“ praktisch und konkret unterfüttert, so Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos). Der Hamburger Hafen sei ein Vorreiter im Bereich der Digitalisierung. IBM-Chef Schultze-Wolters denkt bereits weiter: „Wir haben das
virtuelle Depot ganz schnell für Hamburg entwickelt und würden es gerne in anderen Häfen implementieren.“ Vor allem die Reeder dürften ein Interesse daran haben. Zum einen wissen sie mittels der Internetseite immer, in wessen Hand sich ihr Container gerade befindet. Zum anderen werden die Standzeiten der Container verkürzt.