Hamburg. Oberverwaltungsgericht hebt Baustopp auf. Anwohner hatten gegen Unterkunft für 252 Flüchtlinge geklagt. Kein Erfolg auf ganzer Linie.

Im Streit um den Bau von Flüchtlingsunterkünften hat die Stadt einen großen Erfolg erzielt. Das Hamburger Oberverwaltungsgericht (OVG) hob am Montag den Baustopp für die in Lemsahl-Mellingstedt geplante Siedlung Fiersbarg auf. In der Unterkunft sollen für 252 Flüchtlinge untergebracht werden. Sie kann jetzt also weitergebaut werden.

Die Oberverwaltungsrichter halten die Auswirkungen der Unterkunft – zum Beispiel durch Lärm oder Verkehr – auf die Nachbarschaft für zumutbar. Allerdings machten die Richter zugleich deutlich, dass in Fiersbarg lediglich mobile Unterkünfte für 252 Flüchtlinge für einen Zeitraum von maximal drei Jahren errichtet werden dürften.+

Kommentar: Nur ein Teilerfolg für den Senat

Gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts gibt es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kein weiteres Rechtsmittel. Allerdings können die Anwohner ein Klageverfahren anstrengen. Dann bestünde die Möglichkeit, das Bundesverwaltungsgericht anzurufen.

Erstmals legt Gericht Ausnahmeregeln aus

Die Stadt hatte am Fiersbarg ursprünglich 950 Flüchtlinge unterbringen wollen. Sie reduzierte die Zahl lediglich auf Grund der Anwohnerproteste zunächst auf 252. Der politische Wille bestand aber weiterhin darin, fast 1000 Flüchtlinge am Fiersbarg unterzubringen. Das Besondere an dem Urteil besteht darin, dass hier erstmals ein Hamburger Oberverwaltungsgericht über die Auslegung der Ausnahmeregelungen für den Bau von Flüchtlingsunterkünften entschieden hat. Wichtig ist das für die Hansestadt auch deshalb, weil diese sich auch bei der Errichtung der den geplanten Expresswohnungen für Flüchtlinge auf diese Ausnahmeregelungen beruft.

Der Bundestag und der Bundesrat hatten im Oktober vergangenen Jahres Ausnahmeregelungen beschlossen, die angesichts des Flüchtlingsstroms den Bau von Flüchtlingsunterkünften erleichtern sollten. Bei dem Paragraphen 246 Abs. 12 des Baugesetzbuches handelt es sich um eine derartige Vorschrift. Unter Juristen sind diese Ausnahmeregelungen umstritten.

Voraussetzungen für die Befreiung vom Bebauungsplan

Die Oberverwaltungsrichter gingen bei der Betrachtung des Fiersbarg-Falles davon aus, dass nach dem Bebauungsplan die Errichtung der Erstaufnahmeeinrichtung eigentlich nicht zulässig ist. Die Befreiung von dem Bebauungsplan sei auf der Grundlage des Paragraphen 246 Abs. 12 des Baugesetzbuches erteilt worden. Diese Befreiung, so befand das OVG anders als zuvor das Verwaltungsgericht, sei rechtmäßig.

Für die Befreiung von dem vorhandenen Bebauungsplan gelten allerdings vier Voraussetzungen:

1. Es muss sich um die Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbegehrende handeln.

2. Die Ausnahme gilt für eine Dauer von maximal drei Jahren.

3. Das Bauvorhaben muss unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein.

4. Die Beklagte muss ihr Ermessen rechtmäßig ausüben.

Im Falle von Fiersbarg kommt hinzu, dass die Stadt – wie in der Baugenehmigung verankert – lediglich 252 Unterkunftsplätze errichten darf.

Gerichtsurteil zu Flüchtlingsheim in Klein Borstel erwartet

Von einem Grundsatzurteil, das beispielsweise den Weg für Folgeunterkünfte oder Expresswohnungen freimacht, kann nach einer ersten Einschätzung von Experten nicht gesprochen werden. In den nächsten Tagen wird das Oberverwaltungsgericht über den Baustopp für die in Klein Borstel geplante Flüchtlingsunterkunft entscheiden. Hier handelt es sich allerdings um eine Folgeunterkunft, die länger als drei Jahre bestehen soll. Außerdem sind keine mobilen Wohncontainer vorgesehen. Daher müssen die Richter in diesem Fall über die Auslegung des Absatz 14 des Paragraphen 246 entscheiden.