Hamburg. Die Möbelverkäufe des Hamburger Onlinehändlers legen kräftig auf 700 Millionen Euro zu. 300 neue Mitarbeiter gesucht.

Sie heißen Schlafwelt, Cnouch oder Yourhome: Mithilfe immer neuer Spezialshops für Betten oder Sofas greift der Hamburger Versandhändler Ottoden Konkurrenten Ikea an. Um rund 20 Prozent auf 700 Millionen Euro haben die Hanseaten im abgelaufenen Geschäftsjahr 2015/16 ihre Erlöse mit Möbeln in Deutschland steigern können. Im Internet liegt Otto damit bereits deutlich vor den Schweden oder anderen Konkurrenten wie Home24. „Bei Möbeln und Heimtextilien wachsen wir stärker als der Markt und konnten auf diese Weise unseren Vorsprung noch einmal deutlich ausbauen“, sagte der Sprecher der Otto-Geschäftsführung Alexander Birken am Montag in Hamburg.

Künftig will Otto noch mehr Bereiche im Möbelhandel mit Spezialshops und über die Hauptseite otto.de besetzen. Daneben soll der Service für die Kunden mit dreidimensionalen Einrichtungsplanern verbessert werden. Sogar der Gang aus dem Netz hinaus ist für Birken denkbar. Er halte es für möglich, dass das Unternehmen innovative Konzepte wie etwa Pop-up-Stores – also Läden auf Zeit – ausprobieren werde.

Insgesamt konnte die Otto-Einzelgesellschaft, in der das deutsche Kerngeschäft des internationalen Handels- und Dienstleitungskonzerns Otto Group gebündelt ist, ihren Umsatz im vergangenen Jahr um rund zehn Prozent auf 2,561 Milliarden Euro erhöhen. „Damit haben wir unsere eigenen Planwerte deutlich überschritten“, sagte Birken. Die Rendite habe sich im zuvor festgelegten Zielkorridor von drei bis fünf Prozent bewegt.

Neben dem boomenden Möbelgeschäft trugen zu dem guten Ergebnis auch die Bereiche Mode und Technik bei. Der Verkauf von Kleidung und Schuhen macht auf der Plattform otto.de den weitaus größten Umsatzanteil aus. Im Technikbereich verkauften sich insbesondere Haushaltselektrogeräte und Multimedia-Artikel gut. Im Geschäft mit Smartphones habe man dank attraktiver Angebote sogar um 40 Prozent zulegen können, so Birken. Allerdings wurden die guten Erlöse auch durch diverse Rabatt- und Sonderaktionen anlässlich des 20. Geburtstages des Otto-Onlineshops gepusht, wie der Chef der Einzelgesellschaft einräumen musste.

Im laufenden Geschäftsjahr erwartet Birken ein erneutes Umsatzwachstum von mindestens fünf Prozent bei einer stabilen Rendite. Zusätzliche Kunden sollen unter anderem neue Services wie eine stundengenaue Zustellung von Großgeräten bringen. Nach einem Pilotprojekt im Herbst vergangenen Jahres hat der Versandhändler das Angebot jetzt auch bundesweit ausgerollt. Getestet wird darüber hinaus gerade der sogenannte Onlineanruf, bei dem Kunden während des Surfens im Internetshop mit einem Berater sprechen können. Die Verbindung erfolgt dabei direkt über das Netz.

Eher konservativ gibt sich Otto in anderen Bereichen. Die Zustellung von Waren am selben Tag, wie sie etwa Konkurrent Amazon für ausgewählte Metropolen wie Hamburg anbietet, wird es allenfalls als Aktion geben. Auch die Idee des Wettbewerbers Global Fashion Group, den Paketboten bei der Anprobe gelieferter Kleider eine Viertelstunde warten zu lassen und nicht passende Stücke gleich wieder mitnehmen zu lassen, wollen die Hanseaten erst einmal nicht aufgreifen.

Wie in den Jahren zuvor soll insgesamt ein dreistelliger Millionenbetrag in neue Technologien, aber auch in zusätzliches Personal fließen. „Wir werden im laufenden Geschäftsjahr etwa 300 Stellen neu besetzen“, kündigte Birken an. Gesucht seien vor allem Fachkräfte aus den Bereichen IT- und E-Commerce. Da der Wettbewerb um die besten Kräfte in diesen Feldern besonders hart ist, ist Otto schon seit Längerem dabei, die eigene Unternehmenskultur zu verändern. Nachdem erst kürzlich der Vorstand des Gesamtkonzerns allen Mitarbeitern das Du angeboten hat, experimentiert die Kerngesellschaft nun mit neuen Bürokonzepten und Arbeitsabläufen. Die festen Schreibtische der Beschäftigten bleiben zwar erhalten, je nach Aufgabe sollen sich die Mitarbeiter aber bereichsübergreifend zusammensetzen oder in Denkfabriken („Thinktanks“) an Lösungen arbeiten. Dazu werden auch die Büroräume entsprechend umgestaltet.

Gesamtkonzern will nach Rückkehr in schwarze Zahlen vier Prozent zulegen

Das höhere Wachstumstempo in der Kerngesellschaft dürfte auch Konzernchef Hans-Otto Schrader dabei helfen, die gesamte Gruppe wieder auf Kurs zu bringen. Im Interview mit dem Abendblatt hatte jüngst für das laufende Geschäftsjahr 2016/17 ein Umsatzwachstum von vier Prozent angekündigt. In der Periode 2015/16 dürfte die Gruppe wieder in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt sein, nachdem zuvor noch ein Vorsteuerverlust von 125 Millionen Euro angefallen war.

Bei zuvor kriselnden Tochtergesellschaften wie dem Spielzeughändler Mytoys oder Sport-Scheck wurde erfolgreich umgesteuert, auch das zuletzt eher schwierige US-Geschäft läuft wieder besser. Problematisch bleibt allerdings die Otto-Tochtergesellschaft in Frankreich, bei der Schrader selbst einen Verkauf nicht ausschließt. Auch im schwierigen russischen Markt ist der Konzern noch nicht ganz über den Berg.