Hamburg. Montag beginnen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst: Ver.di fordert 6,0 Prozent – alles deutet auf harte Auseinandersetzung hin.

Von den Elbkinder-Kitas bis zu den Bücherhallen, von der Stadtreinigung bis zu Staatstheatern und von der Hafenbehörde HPA bis zum Zoll – in vielen Bereichen könnte es in den kommenden Monaten zu Einschränkungen für die Bürger kommen. Denn der Landesverband Hamburg der Gewerkschaft Ver.di hat am Freitag die bundesweit erhobene Forderung nach sechs Prozent mehr Lohn für den öffentlichen Dienst bekräftigt und angekündigt, dafür kämpfen zu wollen. „Die Beschäftigten sind bereit, sich für diese Erhöhung einzusetzen“, sagte Ver.di-Landeschef Berthold Bose. Da Bund und Länder als die Arbeitgeber diese Forderung für völlig überzogen halten, könnte es in letzter Konsequenz auch zu Streiks kommen.

„Es gibt eine Entkoppelung der Gehälter im öffentlichen Dienst von denen in der Privatwirtschaft“, sagte Bose. Ämter und Behörden müssten aber attraktiv sein, um überhaupt Personal zu finden. Das sei derzeit an vielen Stellen, beispielsweise bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise, schon ein echtes Problem. Daher halte er die Forderung nach sechs Prozent mehr Lohn für „angemessen“, sagte Bose.

Außerdem fordert Ver.di für Auszubildende pauschal 100 Euro mehr sowie verbesserte Übernahmebedingungen, keine Einschnitte bei der Zusatzversorgung und eine Einschränkung der befristeten Beschäftigung. „Allein in Hamburg sind 4000 Beschäftigte befristet angestellt, obwohl das bei ihnen überhaupt nicht erforderlich ist“, kritisierte Bose. Man könne Hamburg auch als „Befristungsmetropole“ bezeichnen. Die Leiterin des Personalamts der Stadt, Bettina Lentz, verwies auf Abendblatt-Nachfrage darauf, dass Ver.di für den öffentlichen Dienst verglichen mit anderen Tarifauseinandersetzungen die derzeit höchste Forderung erhebe – und das angesichts einer Inflation von gegenwärtig null Prozent.

„Die Begründung der Gewerkschaften, es gebe zur Privatwirtschaft Nachholbedarf, können wir nicht nachvollziehen“, sagte Lentz und erinnerte: „Im März 2014 wurden die Gehälter um 3,0 Prozent erhöht, im März 2015 um 2,4 Prozent.“ Alles deutet also auf eine harte Tarifauseinandersetzung hin. Betroffen sind davon in Hamburg rund 20.000 Beschäftigte der Stadt und des Bundes, etwa beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Sechs Prozent mehr Lohn für diese Gruppe würde allein Hamburg rund 60 Millionen Euro mehr pro Jahr kosten, bundesweit würde es 5,6 Milliarden Euro Mehrausgaben bedeuten.

Hamburg hat im vergangenen Jahr Überschüsse erzielt

Auf die Frage, wie das finanziert werden könnte, sagte Bose: „Das Geld ist da, die Einnahmen der öffentlichen Haushalte lassen das zu.“ Der Bund und einige Bundesländer, darunter Hamburg, hatten im vergangenen Jahr Überschüsse erzielt – was allerdings nichts daran ändert, dass sie Milliardenschulden vor sich herschieben, die abgebaut werden müssen. Dennoch will der Gewerkschafts-Chef keine kleinen Brötchen backen und fordert, die hohen Einnahmen auch den Beschäftigten zugutekommen zu lassen: „Ich erwarte ein Ergebnis im oberen Bereich unserer Forderung.“ Die Verhandlungen beginnen am Montag in Potsdam.

Etliche Betriebsräte öffentlicher Unternehmen unterstützen die Forderung ihrer Gewerkschaft. „Wir haben viele Beschäftigte in den unteren Entgeltgruppen. Bei denen reicht das Geld häufig nicht“, sagte Heike Schlesinger, Personalratsvorsitzende beim BSH. Und in den oberen Gruppen, etwa bei Ingenieuren, sei es wegen der vergleichsweise niedrigen Bezahlung kaum noch möglich, qualifiziertes Personal zu gewinnen. „Es gibt also im oberen und im unteren Bereich gute Gründe, warum mehr Geld fließen muss“, sagte Schlesinger.

Bettina Vehrs, Betriebsratsvorsitzende am Thalia Theater, verwies auf die Probleme der „Zuwendungsempfänger“: Viele öffentliche Einrichtungen wie die Staatstheater erhalten eine feste Zuwendung von der Stadt, die der Senat um 0,88 Prozent pro Jahr anhebt – eventuell höhere Tarifabschlüsse müssen diese Einrichtungen dann aus eigener Kraft tragen, das Geld also an anderer Stelle einsparen.

„Darunter leiden alle Beschäftigten, auch unsere Künstler“, sagte Vehrs. Wenn der Senat den Tarifabschluss nicht finanziere, blieben nur Abstriche beim Personal und ein Absenken des künstlerischen Niveaus, denn eine Erhöhung der Einnahmen sei kaum möglich, da das Thalia Theater bei Auslastung und Preisen schon am Ende der Fahnenstange angekommen sei.

So gesehen käme einigen öffentlichen Einrichtungen ein niedriger Tarifabschluss sogar entgegen. Doch das ist naturgemäß nicht die Sichtweise des Ver.di-Chefs. Angebote von einem Prozent oder im Bereich der Inflationsrate, wie sie schon im Gespräch sind, erteilte Bose eine deutliche Abfuhr: „Das ist pure Provokation.“