Gericht stoppt Flüchtlingsheim in Klein Borstel – Stadt sollte nach Kompromissen suchen

Es ist jetzt das zweite Mal innerhalb weniger Wochen, dass Hamburg vor dem Verwaltungsgericht mit dem Plan gescheitert ist, in unmittelbarer Nähe eines Wohngebiets eine Unterkunft für mehrere Hundert Flüchtlinge zu errichten. Nachdem die Richter Mitte Februar einen Baustopp für die Unterkunft Fiersbarg in Lemsahl-Melling­stedt verkündet hatten, entschieden sie am Donnerstag, dass auch in Klein Bors­tel die Einrichtung für 700 Flüchtlinge vorerst nicht gebaut werden darf.

In beiden Fällen kündigte die Stadt umgehend an, sie werde gegen die Entscheidung Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht einlegen. Und in beiden Fällen lautete die Kritik, die Verwaltungsrichter hätten die im Herbst vergangenen Jahres von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Änderungen des Baugesetzbuches zu eng ausgelegt. Sie sollten schließlich die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften privilegieren.

Die Entscheidungen zu Fiersbarg und Klein Borstel sorgen für Aufmerksamkeit, weil die Hamburger Verwaltungsrichter bundesweit zu den ersten gehören, die über die Auslegung des geänderten Baurechts anhand konkreter Fälle entscheiden mussten. Es wäre daher nicht ungewöhnlich, wenn eine andere Kammer oder das Oberverwaltungsgericht zu einer anderen Auslegung des Gesetzestextes kämen. Eine neue Rechtslage sorgt nicht selten für eine vorübergehende Unklarheit, die dann von Gerichten beseitigt wird.

In den beiden vorliegenden Fällen gewinnen die Entscheidungen der Richter an Gewicht, weil die in Berlin beschlossenen Ausnahmen für die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften das über Jahrzehnte gewachsene Bauplanungsrecht außer Kraft setzen und somit einen weitreichenden Eingriff in bestehendes Recht bedeuten. Diesen Hintergrund vor Augen wird verständlich, warum die Verwaltungsrichter den Behörden für die Interpretation der Ausnahmen so hohe Hürden aufgestellt haben.

Bei der am Donnerstag verkündeten Entscheidung beispielsweise stellen die Richter ausdrücklich die Erklärung der Stadt infrage, die Unterkunft in Klein Borstel sei unverzichtbar, weil die Flüchtlinge anderswo im Stadtgebiet nicht untergebracht werden könnten. Der von der Stadt vorgelegte und mehrfach aktualisierte Monitoringbericht enthalte keine ausreichende Ermittlung des Bedarfs und der Möglichkeiten, diesen zu decken.

Hinzu kommt, dass Gerichte sich an die Realität halten müssen und Aussagen zur Zukunft bei ihren Entscheidungen lediglich eine untergeordnete Rolle spielen können. Real ist im Augenblick, dass die Zahl der Flüchtlinge, die Hamburg unterbringen und versorgen muss, in den ersten beiden Monaten deutlich unter den ursprünglichen Planungen liegt. Rund 4000 Geflüchtete wurden im Januar und Februar der Hansestadt zugewiesen. Das waren 2000 weniger als erwartet.

Angesichts dieser Entwicklung und der jüngsten Gerichtsentscheidungen steigt der Druck auf SPD und Grüne, die eigenen Planungen zu überdenken und die Suche nach Kompromissen zu verstärken. In Neugraben-Fischbek zeigte der Protest von Anwohnern gegen eine Großunterkunft bereits Erfolg. Statt 3000 sollen nun lediglich 1500 Flüchtlinge in der Einrichtung Am Aschenland II untergebracht werden. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn nicht auch für Klein Bors­tel eine Lösung gefunden würde.

Keine Frage: Die Stadt darf auf Verständnis hoffen, wenn sie rechtliche Klarheit haben will. Dieser Wunsch schließt Kompromissbereitschaft nicht aus, zumal damit in erster Linie den Flüchtlingen gedient wäre. In kleineren Einrichtungen dürfte ihr Neustart in der Fremde besser gelingen.