Neustadt. Weil er eine Affäre mit seiner Frau hatte, erstach ein 46-Jähriger 2003 den Geschäftsmann Mustafa T. Aufklärung war Sisyphusarbeit.

Jahrelang war es Mustafa G. gelungen, sich als braver Familienvater zu inszenieren und das grausame Geheimnis zu hüten. Wer ihn kannte, der glaubte vor allem einen „freundlichen und hilfsbereiten Menschen“ zu kennen. Doch am 30. September 2014 holte die Vergangenheit Mustafa G. schlagartig ein. Es war der Tag, an dem ihn die Hamburger Polizei an seinem Arbeitsplatz festnahm – wegen Mordes an dem Delmenhorster Geschäftsmann Mustafa T., 38.

Am Dienstag hat das Landgericht den 46-Jährigen wegen heimtückischen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Er nahm den Schuldspruch, der noch nicht rechtskräftig ist, äußerlich unbewegt auf. „Sie haben großes Leid über die Familie von Herrn T. und ihre eigene Familie gebracht“, sagte der Vorsitzende Richter Joachim Bülter.

Für das Gericht glich die Aufklärung des Falls einer Sisyphusarbeit, der Prozess erstreckte sich über 57 Verhandlungstage. Der enorme Aufwand schlug sich am Dienstag auch in der Urteilsbegründung nieder: Sie dauerte, die Unterbrechung wegen des Schwächeanfalls einer Ergänzungsschöffin eingerechnet, mehr als drei Stunden.

Die Tat ist derart brutal, dass sie über das hinausgeht, was selbst die erfahrene Große Strafkammer 1 für gewöhnlich verhandelt. Gleichwohl betonte Bülter, dass die Tat im Rechtssinne nicht grausam gewesen sei: Die Tötung habe nicht lange gedauert.

Mustafa T. lag in seinem Bett, als sich der Mörder und ein Komplize, beide maskiert, am frühen Morgen des 4. Oktober 2003 in seine Zweitwohnung an der Bremer Straße schlichen. 28-mal stach Mustafa G. mit einem Küchenmesser auf den schlafenden 38-Jährigen ein, mehrere Verletzungen waren tödlich, die Hiebe derart wuchtig, dass die Klinge brach und in der Brust des Opfers steckenblieb. Mit letzter Kraft schleppte sich der soeben aufgewachte Todgeweihte, schreiend vor Schmerzen und blutend, in den Hinterhof – dort lauerte ihm sein Peiniger erneut auf. Wieder stach er auf ihn ein, diesmal mit einem anderen Küchenmesser, und trat ihm mehrfach ins Gesicht. Offenbar wollte Mustafa G. den Mann sogar enthaupten – bei dem Versuch brach die Klinge jedoch erneut.

Motiv für die Bluttat war eine Turtelei zwischen seiner Ehefrau Birgül (Name geändert) und dem gut aussehenden, erfolgreichen Geschäftsmann und Familienvater. Es steckte nach Auffassung des Gerichts wohl noch mehr dahinter: Der Angeklagte habe seine Wunschvorstellung von einer intakten Familie „um jeden Preis aufrechterhalten wollen.“

Angeklagter wollte Mustafa T. zunächst ein „paar blaue Augen hauen“

Die Verkäuferin hatte Mustafa T. 2002 kennengelernt. Sie bastelte damals an einer Karriere als Sängerin, er wollte ihr bei einem CD-Projekt helfen. Im Juli 2003 flog die Affäre auf, als Mustafa G. zufällig beobachtete, wie der Liebhaber seine Frau von der Arbeit abholte. Außer sich vor Wut würgte er Birgül G. bis zur Bewusstlosigkeit. In der Nacht zum 4. Oktober 2003 verfolgte er dann mit einem Freund den Nebenbuhler im Auto bis zu dessen Einzimmerwohnung in Harburg, das dem Paar als Liebesnest diente. Nach Überzeugung des Gerichts wollte er ihm zunächst „ein paar blaue Augen hauen“. Doch nachdem er die Wohnungstür mit dem Schlüssel seiner Frau öffnete, habe er gleich Fotos von Mustafa T. und seiner Ehefrau aus einem gemeinsamen Türkei-Urlaub gesehen. Voller Wut und Eifersucht, so das Gericht, habe er sich spontan entschlossen, Mustafa T. zu töten. Dass der Angeklagte damals in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war, sah die Kammer nicht. Bülter: „Er war affektiv erregt, handelte aber zielgerichtet und situationsangepasst.“

In seiner Einlassung hatte Mustafa G. die Raserei viel drastischer beschrieben, Bülter sprach von einer „lehrbuchhaften Anordnung von Affektsymptomen“. Aus Sicht der Kammer bestand die Einlassung des Angeklagten in weiten Teilen ohnehin aus „Schutzbehauptungen“. So sei etwa seine Schilderung, wonach es zwischen ihm und Mustafa T. in der Tatnacht zu „offenen Kampfhandlungen“ gekommen sei, mit dem Spurenbild am Tatort nicht vereinbar.

Weil zwei Arbeitskollegen Mustafa G. nach der Tat ein falsches Alibi ausgestellt hatten, waren die Ermittlungen gegen ihn zunächst eingestellt worden. Im August 2012 wurden sie wieder aufgenommen, nachdem sich ein Bekannter des 2006 bei einem Bade-Unfall verstorbenen Komplizen von Mustafa G. bei der Polizei gemeldet hatte – ihm hatte der Mittäter vor seinem Tod die wahre Geschichte vom Mord an Mustafa T. anvertraut. Um aufzuklären, was sich in jener Nacht abgespielt hatte, setzte die Polizei später sogar einen verdeckten Ermittler ein, der sich Zugang zu den Arbeitskollegen verschaffte, die für Mustafa G. gelogen hatten.

Zum Prozessauftakt vor einem Jahr hatte Mustafa G. die Vorwürfe bestritten. Er brach sein Schweigen erst am 34. Verhandlungstag, nachdem ihn eine unverhofft im Prozess aufgetauchte Zeugin schwer belastet hatte – es handelte sich um die Schwester seines verstorbenen Komplizen. Auch ihr hatte der Mann die Tat gebeichtet.