Hamburg. Mit einem interaktiven Stadtmodell sollen passende Flächen gefunden und gerecht verteilt werden. Alle Hamburger können mitmachen.

Angesichts 40.000 erwarteter neuer Flüchtlinge in Hamburg setzt der rot-grüne Senat bei der Flächensuche für neue Unterkünfte nun auf die Wissenschaft. Die Hafencity-Universität (HCU) habe ein „Stadtmodell zur Flächenfindung für Flüchtlingsunterkünfte in Hamburg“ entwickelt, durch das anhand festgelegter Parameter über jedes einzelne Grundstück in der Stadt sachlich diskutiert werden könne, erklärte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Dienstag. Jeder könne dabei mitmachen und die Auswirkungen seiner Vorschläge in dem interaktiven Modell sofort sehen. Scholz sagte, er hoffe durch die Mitarbeit vieler Menschen und auch der Bürgerinitiativen Flächen zu finden, auf die bislang niemand gekommen sei.

„Dass wir in dieser Stadt noch einmal 40.000 neue Plätze finden müssen, davon habe ich – was bei mir selten vorkommt – schlaflose Nächte“, sagte Scholz. Es treibe ihn permanent die Frage um, wo denn die Unterkünfte gebaut werden könnten. Auch „deshalb brauchen wir alle, die mitdenken, wie das denn gehen soll – und zwar im konkreten Hamburg, nicht in einem, das irgendwo auf dem Mond liegt“. Und genau darin liege der große Vorteil des City-Science-Lab, nämlich „dass wir das jetzt gemeinsam herausfinden können und niemand auf einen anderen angewiesen ist und vermuten muss, dass der ihm womöglich nicht alles sagt“. Die Stadt selbst werde sämtliche notwendige Daten für das Projekt zur Verfügung stellen, versprach Scholz.

Alle Hamburger können bei Workshops mitmachen

Beim City-Science-Lab können die Teilnehmer voraussichtlich von Mitte April an in Workshops auf zwei mal zwei Meter großen Tischen mit interaktiven Karten Flüchtlingsheime mit 300 bis 1500 Plätzen nach Belieben auf Grundstücke stellen. Ein Zähler zeigt dabei stets an, wie viele Plätze dann in der Stadt insgesamt noch fehlen. Wo vorhanden, erhalten die Teilnehmer zudem zu jedem gewählten Areal Informationen, die eine Unterkunft an diesem Ort erschweren oder sogar ausschließen, etwa wenn das Grundstück kleiner als 1000 Quadratmeter ist, in einem Naturschutzgebiet liegt oder die dortige Lärmbelastung zu hoch ist. „Das tolle ist. Es kann sich jeder selbst hinsetzen und es prüfen“, sagte Scholz.

Über dieses Modell lasse sich auch die Realisierbarkeit der Forderungen der Volksinitiative gegen große Flüchtlingsheime prüfen. Diese verlangt unter anderem, dass keine Unterkunft mehr als 300 Plätze haben darf. Außerdem muss zwischen jedem Heim mindestens ein Kilometer Abstand liegen - was die Umsetzung der Volksinitiative nach Einschätzung der City-Science-Lab-Projektleiterin Prof. Gesa Ziemer besonders schwer macht. Nach ihren Angaben blickt das Lab zunächst nur auf öffentliche Flächen. Es wäre aber auch möglich, Privatgrundstücke einzubeziehen. Auch sei vorstellbar, später soziale Indikatoren wie die Versorgung des Gebiets mit Kitas, Schulen, Ärzten oder dem öffentlichen Nahverkehr zu beachten.

CDU: Druck durch Volksinitiative wirkt

Die CDU-Opposition sieht in Scholz' Vorstoß ein Zeichen, dass der von der Volksinitiative aufgebaute Druck wirkt. Die Bürger an der Flächenfindung zu beteiligen sei zwar ein Zeichen der Dialogbereitschaft, sagte Fraktionschef André Trepoll. „Zugleich ist es aber auch ein Armutszeugnis, dass sich der Senat mit seinem riesigen Behördenapparat außerstande sieht, selbst vernünftige, stadtteilverträgliche Lösungen zu präsentieren.“ Aus FDP-Sicht hat Scholz „mit der Initiative keine wirkliche Einbindung der Bürger im Blick, sondern greift nach einem weiteren Feigenblatt für seine gescheiterte Flüchtlingspolitik“.

Die Linken dagegen halten das Projekt für durchaus geeignet, die Stadtgesellschaft an der Suche nach Flüchtlingsunterkünften zu beteiligen. Deren Flüchtlingsexpertin Christiane Schneider bedauerte, dass das Projekt nicht schon vor einem halben Jahr auf den Weg gebracht worden sei. Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks erneuerte sein Versprechen, dass die Unterbringung so dezentral wie möglich umgesetzt werde. Mit dem Lab erhoffe er sich, die Schwarmintelligenz der Bevölkerung zu nutzen und so Flächen zu finden. „Gleichzeitig bietet das Lab auch ein sehr hohes Maß an Transparenz dessen, was in unserer Stadt umsetzbar ist und was nicht.“