Hamburg. Dachverband meldet eine Volksinitiative über Großsiedlungen für Geflüchtete an. Forderung: höchstens 300 Personen in einer Einrichtung.
Der eigentliche Startmoment war unspektakulär. Klaus Schomacker, Sprecher des Dachverbands der Bürgerinitiativen, überreichte am späten Freitagvormittag im Hamburger Rathaus Annette Korn von der Geschäftsstelle des Senats mehrere Blatt Papier. Auf diesen meldeten die Vertrauensleute die Volksinititaive „Hamburg für gute Integration” offiziell an. Annette Korn bestätigte im Blitzlichtgewitter mit einem Stempel den Empfang.
Im Kern gehe es bei der Volksinitiative darum, Geflüchtete nur dezentral und in kleineren Unterkünften anstatt in Großsiedlungen unterzubringen, sagte Schomacker unmittelbar nach der Übergabe der Dokumente. „Viele Hamburger sind mit den Unterbringungsplänen des Senates sehr unzufrieden.” Studien besagten, dass Integration nur erfolgreich verlaufen könne, „wenn maximal 300 Menschen in einer Unterkunft untergebracht sind”.
Diese Zahl ist Grundlage der Vorlage, die jetzt den Hamburgerinnen und Hamburgern zur Unterschrift vorgelegt wird. „Im Rahmen der Unterbringung von Flüchtlingen in Hamburg soll nachhaltige Integration an erster Stelle stehen”, heißt es darin wörtlich. Ziel sei eine „gerechtere Verteilung der Flüchtlingsunterkünfte unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten”.
Die Volksinitiative ist der erste Schritt zu einem Volksentscheid
In der Vorlage werden vier Forderungen aufgestellt. So sollen in Folgeunterbringungseinrichtungen und Wohnbauvorhaben „ zu keiner Zeit mehr als 300 Flüchtlinge untergebracht werden”. Zudem sollen Geflüchtete nicht länger als zwei Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung verweilen müssen. Als Drittes wird gefordert, dass „zwischen allen Standorten mit mehr als 100 Flüchtlingen ein Mindestabstand von 1.000 Meter (Luftlinie) liegt. Zu guter Letzt wird ein neuen Verteilungsschlüssel für die Aufnahme von Asylsuchenden gefordert.
Die Volksinitiative ist der erste Schritt zu einem Volksentscheid. Ihre Initiatoren haben jetzt sechs Monate, um 10.000 Unterschriften zu sammeln. Sollte die Initiative erfolgreich sein, müssen im Rahmen eines Volksbegehrens innerhalb von drei Wochen rund 62.000 Unterschriften zusammenkommen. Dann folgte ein Volksentscheid. Dieser ist erfolgreich, wenn 20 Prozent der Wahlberechtigten in Hamburg zugestimmt haben und es bei der Abstimmung eine einfache Mehrheit gibt.
Mit der Anmeldung der Volksinitiative startete das Sammeln von Unterschriften. „Es wäre schön, wenn wir 12.000 bis 13.000 Unterschriften bis zum Beginn der Hamburger Frühjahrsferien in acht Tagen erreichen würden”, sagte Schomacker. Dann ließe sich der erste Schritt verkürzen und ein Volksentscheid wäre noch am Tag der Bundestagswahl im Herbst 2017 möglich. „Wir werden am Sonnabend auf Wochenmärkten, in U- und S-Bahnen präsent sein”, so Schomacker weiter.
SPD und Grüne halten den Forderungskatalog als Diskussionsgrundlage für hilfreich
Die Bürgerschaftsfraktionen reagierten unterschiedlich auf die Anmeldung der Volksinitiative. Es sei hilfreich, „dass es jetzt einen klaren Forderungskatalog der Initiative gibt - der sich natürlich einem Realitätscheck stellen muss”, erklärten die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen, Andreas Dressel und Anje Tjarks. „ So wünschenswert viele kleine dezentrale Unterkünfte sind, müssen sie zeitlich und planerisch auch machbar sein.”
CDU-Fraktionschef Andre Trepoll signalisierte der Volksinitiative die Unterstützung der Union. „Massenunterkünfte ohne jegliche Integrationsperspektive” müssten in Hamburg verhindert werden. Zugleich forderte Trepoll tragbare Kompromisse. Ein Volksentscheid sei in dieser Frage nicht die beste Lösung. „Wir sehen aber, dass der zusätzliche Druck auf Rot-Grün durch die Volksinitiative notwendig ist, um eine gute Lösung für Hamburg zu erreichen.”
Nach den Worten von Katja Suding, Vorsitzende der FDP-Fraktion, muss der Senat sich jetzt nachhaltig mit der Frage der Flüchtlingsunterbringung auseinandersetzen. „Die Augen-zu-und-durch-Politik ist damit ein für alle Mal beendet.” Notwendig sei eine Integration von Geflüchteten und die Verhinderung von Parallelgesellschaften. Die bisherige rot-grüne Flüchtlingspolitik drohe, die Stadt auf Jahrzehnte negativ zu prägen.
Die innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Christiane Schneider, fürchtet, dass die Forderung, nach der nicht mehr als 300 Menschen in einer Folgeunterkunft leben dürften, darauf hinauslaufe, eine Obergrenze für Flüchtlinge einzuführen. Sie forderte den Senat zu Transparenz auf. Durch Gespräche mit den Bürgerinitiativen und durch Bürgerbeteiligung könne die Stadt „der drohenden Polarisierung der Stadt den Wind aus den Segeln nehmen”.
Dachverband weist Vorwürfe des Diakoniechefs zurück
Hamburgs Diakoniechef Dirk Ahrens warnte davor, das Problem großer Flüchtlingsunterkünfte zum Thema eines Volksentscheids zu machen. Eine Abstimmung darüber laufe Gefahr, zu einem „Pro oder Contra für Flüchtlinge” zu werden. „Eine Volksinitiative zu diesem Thema würde den sozialen Frieden der Stadt gefährden.“
Diesen Einwand wies Schomacker zurück. „Wir fürchten eher, dass eine mangelnde Integration von Geflüchteten zu einer Spaltung der Stadt führend würde.” Zudem sei es unverzichtbar, über die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen zu diskutieren.