Hamburg. Das vielseitige Nordlicht wird am Dienstag 60 Jahre alt. An seinem Geburtstag bittet Beckmann um Spenden für seinen Verein Nestwerk.

Geschenke? Bitte nicht, hat Reinhold Beckmann seine Freunde gebeten. Stattdessen möge man lieber für seine Jugendinitiative Nestwerk spenden, die brauche nun wirklich jeden Euro. Dabei wäre der Anlass für ein größeres Präsent durchaus gegeben. Denn am Dienstag, den 23. Fe­bruar, wird Beckmann 60 Jahre alt.

60 Jahre? So recht will man es nicht glauben. Sind nicht die ran-Zeiten, als er mit roter Jeansjacke, rasanten Kamerafahrten und forschen Interviews die Bundesliga-Berichterstattung bei Sat.1 quasi neu erfand, erst ein paar Jahre her? Nein, in Wahrheit liegt der ran-Start 1993 weit über zwei Jahrzehnte zurück. Und da war Beckmann bereits ein bekanntes Fernsehgesicht.

Beckmann moderierte 624 Ausgaben seiner Talksendung in 15 Jahren

Karrierestart im Dritten Mitte der Achtziger mit der Off-Show mit TV-Anarcho Helge Schneider, mitunter fünf Stunden lang. Der Wechsel ins Erste zur Sportschau, dann Aufbau der Sportredaktion für den neuen Pay-TV-Sender Premiere, schließlich Sat.1. Danach Rückkehr zur ARD. 624 Talksendungen mit 2000 Gästen in 15 Jahren, jetzt wieder Filmemacher. Mit Themen so bunt wie das Leben. Das Liebesleben der Deutschen, Absturz in die Schuldenfalle, Angst vor Wölfen, Terror der IS, Flüchtlingselend im Irak.

Dazwischen Musik, viel Musik. „Fast heilige Momente“, sagt Beckmann wären das gewesen, wenn sein inzwischen verstorbener Bruder Wilhelm im Kinderzimmer auf dem alten Dual-Plattenspieler die Beach Boys auflegte: „Wilhelm war ganz vernarrt in die Lieder der Beach Boys, kannte fast jede Zeile auswendig.“ Als sein Bruder schon schwer lungenkrank war, lud ihn Beckmann noch einmal zu einem Konzert von Brian Wilson, dem kreativen Kopf der kalifornischen Band ein. „Diesen wundervollen Abend im CCH werde ich nie vergessen.“

Seit einigen Jahren tourt der Musiknarr mit seiner eigenen Band

Seit ein paar Jahren tourt Beckmann nun selbst mit einer Band: „Wir reisen gemütlich mit Bahncard zweiter Klasse, die Anlage fährt im kleinen Lkw vorneweg. Wir tingeln vor allem durch kleine Theater und Kulturhäuser. Diese unmittelbare Begegnung mit dem Publikum genieße ich, diese Direktheit kann Fernsehen nicht leisten.“ Die Initialzündung für die zweite Karriere war ein Auftritt mit Ina Müller, deren Sendung „Inas Nacht“ Beckmanns Firma produziert. „Zwei Musiker aus Inas Band haben mir dann gesagt: Mach das richtig, schreib Lieder, du kannst das.“

Moderator, Filmemacher, Talker, Musiker – ein weiter Weg für einen Messdiener aus Twistringen, einer Stadt bei Bremen. Gemeinsam mit seinen Brüdern karrte Beckmann als Jugendlicher für den väterlichen Betrieb säckeweise Futter zu den Bauern in der Umgebung. Die Eltern schickten ihn zum Gymnasium ins benachbarte Syke, obwohl der Lehrer sagte: „Du bist der Junge aus Twistringen, da reden alle Plattdeutsch. Ein Schüler von dort wird bei mir nie besser als Vier.“ Beckmann hat sein Abi dennoch gemeistert, dann Video- und Fernsehtechniker gelernt.

Seine Jugendinitiative Nestwerk gründete Beckmann bereits vor 17 Jahren

Doch am meisten geprägt, sagt er, habe ihn der Zivildienst. Das erste Mal war er bei der damals obligatorischen Gewissensprüfung durchgerasselt. „Ich wusste nicht die richtige Antwort auf Fragen wie ,Was machen Sie, wenn Ihre Mutter bedroht wird, und da liegt zufällig ein Gewehr?‘. Im zweiten Anlauf hatte ich mehr Glück, da konnte ich mit dem Vorsitzenden fast nur über Musik reden.“ Als Zivi arbeitete Beckmann in der Jugendbildungsstätte Steinkimmen, 25 Autominuten von Bremen entfernt, zwei Jahre lang mit Jugendlichen. Diese Erfahrung hat ihn nie wieder losgelassen. 1999 gründete Beckmann mit Freunden „Nestwerk“, einen Verein, der sich für benachteiligte Jugendliche engagiert. Das nötige Geld spielt vor allem der „Tag der Legenden“ ein, der große Benefizkick am Millerntor. Letztes Jahr fiel das Spiel aus, die weitgehend ehrenamtliche Organisation war nicht mehr zu stemmen. Dass am 4. September wieder für den guten Zweck gespielt werden kann, ist Beckmanns wohl größes Geschenk. Und ja, der runde Geburtstag beeindruckt ihn: „Ich höre immer, 60 sei das neue 30. Alles Quatsch, 60 ist 60. Aber ich bin noch immer unterwegs. Und habe noch viel vor.“