Hamburg. Mitglieder beschlossen auf Parteitag, dass Hamburg “nicht zur Festung werden darf.“ Auch zu den Kosten haben die Grünen Forderungen.

Der ganz große Knall blieb aus, aber ihre Kritik haben die Grünen nicht zurückgenommen: Die Mitgliederversammlung der Partei hat am Sonnabend mit großer Mehrheit den Antrag „G20-Gipfel 2017 – Hamburg darf nicht zur Festung werden“ beschlossen. Darin heißt es unverblümt: „Wir Grüne haben zu keinem Zeitpunkt die Idee verfolgt, den G20-Gipfel nach Hamburg zu holen.“

Kritik an "Mammutveranstaltung"

Wie berichtet, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kürzlich beim Matthiae-Mahl verkündet, dass das Treffen der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) 2017 in Hamburg stattfinden solle. Die Grünen fühlten sich in diese Entscheidung, die Merkel „im Einvernehmen“ mit Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) getroffen hatte, nicht ausreichend eingebunden. Außerdem sehen sie die Durchführung der Mammutveranstaltung mit 6000 Teilnehmern, 3000 Journalisten und 10.000 Sicherheitskräften mitten in der Stadt sehr kritisch.

Diese Kritik wurde auch auf dem Parteitag geäußert: „Wir sind total vom Stuhl gefallen, als wir in der Zeitung gelesen haben, dass der G20-Gipfel in Hamburg stattfinden soll“, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende Michael Gwosdz mit Blick auf den Abendblatt-Bericht vom 23. Januar. Dies auch noch zentral in den Messehallen und in unmittelbarer Nähe zum alternativen Karoviertel zu tun, halte er für keine gute Idee.

Messehallen als Austragungsort "geht gar nicht"

„Man muss sich über diese Entscheidung ärgern, und man muss auch die nächste Monate wütend bleiben“, sagte die Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller. Hinsichtlich der Forderung des Parteivorstands, die Sicherheitsmaßnahmen und die Einschränkungen für die Bevölkerung in Grenzen zu halten, mache sie sich keine Illusionen, sagte Möller. Aber die Messehallen wolle sie als Austragungsort nicht akzeptieren: „Dieser Veranstaltungsort geht gar nicht.“

Jo Müller verteidigte hingegen das Gipfeltreffen in Hamburg: „Besser die Leute reden miteinander als wenn sie aufeinander schießen. Und selbstverständlich hat die Stadt Hamburg das Recht, so eine Veranstaltung auszutragen.“ Dass der Bürgermeister die Grünen erst relativ spät in die Gespräche mit der Kanzlerin einbezogen habe, sei aber eine „unglaubliche Sauerei“.

Außerdem verlangen die Grünen, dass Vertretern der Vereinten Nationen, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen sowie politischen Vertreter aus Nicht-G20-Ländern zur gleichen Zeit ebenfalls in Hamburg die Möglichkeit für ein Treffen gegeben werden soll, damit auch sie ihre Forderungen formulieren können. Zusätzlich müssten die Kosten des Gipfels und deren Verteilung dargelegt werden.

Zuvor harsche Kritik an Berliner Flüchtlingspolitik

Mit scharfen Attacken auf die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und insbesondere auf Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer hatte am Sonnabend der Landesparteitag der Hamburger Grünen begonnen. „Das Asylpaket II ist genauso integrationsfeindlich wie der Horst selbst“, sagte die Landesvorsitzende Anna Gallina mit Blick auf das Ziel der Bundesregierung, auch Algerien, Tunesien und Marokko als „sichere Herkunftsstaaten“ zu deklarieren.

Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank bekannte, dass sie zwar mit vielen Haltungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einverstanden sei, nannte die Integrationspolitik der Großen Koalition in Berlin, die unter anderem den Familiennachzug für Flüchtlinge einschränken will, aber „eine Vollkatastrophe“.

Hamburg habe gute Erfahrung mit Zuwanderung gemacht, sagte Gallina und verwies auf den Abendblatt-Bericht, wonach mehr als die Hälfte der Hamburger gar nicht in der Stadt geboren sei. Das gelte auch für die derzeitige Zuwanderungswelle: „Hamburg kann es schaffen, aus dieser Phase gestärkt hervorzugehen.“ Angst und Panikmache seien dafür aber die falschen Ratgeber: „Wir brauchen Mut und Gelassenheit“, so Gallina. „Zusammen können wir es schaffen.“

Grünen-Chefin Peter gegen Abschottung

Zuvor hatte die Bundesvorsitzende der Grünen, Simone Peter, sich als Gastrednerin ähnlich geäußert. Weltweit seien 60 Millionen Menschen auf der Flucht, die wenigsten davon seien nach Europa gekommen – daher könne man nicht von Überforderung sprechen. „Wir wollen Schutzsuchende nicht aussperren, wir wollen uns nicht abschotten, nicht im 21. Jahrhundert“, rief Peter den gut 100 Grünen in der Beruflichen Medienschule in Wandsbek zu.

Mit Blick auf Österreich und andere Staaten, die ihre Grenzen im Alleingang dicht machen, erteilte Peter eine „klare Absage von unserer Seite an Obergrenzen“. CSU-Chef Seehofer, der für eine deutsche Obergrenze eintritt, mache „einen verfassungswidrigen Vorschlag nach dem anderen“, so Peter. Für Heiterkeit sorgte die Parteivorsitzende, als sie sagte: „Wir Grüne stehen für Hetze – äh, Hilfe statt Hetze...“

Fegebank wirbt für Verständnis für Großunterkünfte

Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank verteidigte die Flüchtlingspolitik des rot-grünen Senats: „Wir planen Einrichtungen für Flüchtlinge so dezentral und klein wie möglich – mit der Betonung auf ,wie möglich’.“ An vielen Stellen gelinge das auch, aber: „Der Maßstab kann nur sein, dass wir auf die Zahlen kommen, die wir brauchen.“ Damit spielte Fegebank auf die vielfach kritisierten Großunterkünfte an, die auch die Grünen im Prinzip ablehnen, ohne die die Stadt den Ansturm aber nicht bewältigen kann. Die Alternativen seien Obdachlosigkeit oder Schließung der Grenzen – und beides wolle sie nicht.