Hamburg. 1000 Migrantentreffen in der Handelskammer auf Vertreter von Betrieben. Sie suchen Praktika und Ausbildungsplätze.

Abdul Majid ist einer von 70.000. Oder waren es 100.000? Als die russische Luftwaffe im September des vergangenen Jahres ihre Bombenangriffe auf die syrische Stadt Aleppo ausdehnte, kam es zu einer Massenflucht. Tausende Menschen verließen über die Balkanroute oder über das Mittelmeer ihre Heimat, niemand weiß genau, wie viele es waren. Majid brauchte einen Monat bis nach Deutschland. Jetzt steht er in der Handelskammer und sucht einen Job.

Mehr als 1000 Flüchtlinge strömen an diesem Morgen in die Börsensäle der Kammer, um sich über Ausbildungs- und Arbeitsplatzangebote zu informieren. Rund 50 Unternehmen, aber auch die beiden Kammern und verschiedene Flüchtlingshilfsprojekte haben hier kleine Stände aufgebaut, an denen die Ratsuchenden erste Kontakte zur Hamburger Wirtschaft knüpfen können. „Marktplatz der Begegnungen“ heißt die Veranstaltung, die bereits zum zweiten Mal von den beiden Kammern, der Sozialbehörde und der Agentur für Arbeit organisiert wird.

Die Flüchtlinge werden zum Teil von freiwilligen Unterstützern verschiedener Hilfsorganisationen begleitet, manche kommen allein. Einige irren noch ziellos durch die Räume, andere steuern direkt auf einen Stand zu. Geduldig wartet Majid vor dem Stand der Hamburger Spedition a.hartrodt, bis er an der Reihe ist. In der Hand hält er ein Blatt Papier, einen Kontaktbogen mit den wichtigsten Daten.

23 Jahre ist Majid alt, von Beruf Seemann, Matrose. Von a.hartrodt hat er schon einmal gehört, ein großer Seespediteur. Vielleicht klappt es da. Englisch kann Majid, er hat sich ein paar Sätze gedanklich zurechtgelegt. Dann ist er dran – und wird mit von einem Schwall von Fragen auf Arabisch überrollt. Wer er denn sei, woher er komme, was er wolle. „Ach und übrigens, ich bin Abood“, sagt sein Gegenüber. Abood, 25, steht auf der anderen Seite des Tresens. Er ist Syrer wie Majid – und Flüchtling. Er weiß, wie sich sein Gegenüber fühlt, denn auch er musste zwei Jahre zuvor alle Verbindungen in seine Heimat kappen und in Deutschland neu anfangen. Abood war daheim in der Provinz Hama gerade in der Ausbildung zum Dolmetscher für Englisch und Arabisch, als er zum Militärdienst eingezogen werden sollte. Er weigerte sich und äußerte dabei wohl zu deutlich, was er von der Staatsführung hielt. In der Folge musste er seinen Ausbildungsplatz gegen eine Gefängniszelle eintauschen.

Hauptproblem sind mangelnde Deutschkenntnisse

Abood stellte einen Ausreiseantrag und kam schließlich mit einem Visum per Flugzeug nach Berlin. Sein Aufenthaltsrecht war zunächst auf drei Jahre beschränkt. Inzwischen hat er eine deutsche Ehefrau, ist werdender Vater und macht seit zwei Wochen eine Ausbildung bei der Spedition a.hartrodt. Dazwischen liegt mehr als ein Jahr Sprachschule. „Wir müssen Deutsch können, ohne funktioniert die Ausbildung nicht“, sagt Abood.

Fehlende Sprachkenntnisse seien noch immer die größte Schwelle, sagt Petra Lotzkat, Leiterin des Amts für Arbeit und Integration in der Sozialbehörde. Ohne Anerkennung als Flüchtling würden keine Sprachkurse angeboten. „Es dauert aber immer noch Monate, bis ein Flüchtling den Status erhält“, so Lotzkat. Zudem seien sechs Monate Sprachkursus zu kurz, um ausreichend Deutsch für eine Qualifizierung zu können. „Deshalb setzen wir nun auf berufsbegleitende Maßnahmen zur Sprachschule etwa durch schnellere Angebote für Praktika.“

Gute Deutschkenntnisse sind auch für Olaf Stieper vom Geschäftsbereich Bildungswesen bei Edeka Voraussetzung. Etwa 15 Flüchtlingen möchte die Lebensmittelkette im Norden eine Chance geben. Edeka ist mit weiteren namhaften Unternehmen wie Fielmann oder Budnikowsky an der Jobmesse beteiligt. „Wichtiger als Zeugnisse ist die Motivation“, sagt Stieper. „Wenn wir feststellen, dass jemand echtes Interesse an unserer Firma hat, zählt das mehr als jede Schulnote.“

Echtes Interesse und seine Begabung, schnell eine fremde Sprache zu lernen, haben Abood schließlich zu seiner Ausbildung bei a.hartrodt verholfen. Armin Grams, Ausbildungschef der Hamburger Handelskammer, ist mit dem Verlauf der Jobmesse zufrieden: „Beim ersten Mal haben 17 Firmen direkt Flüchtlinge eingestellt. Mal sehen, wie viele es diesmal sein werden.“