Hamburg . Nimmt Hamburg beim Matthiae-Mahl eine wichtige Rolle ein, um Europa zu stärken? Was es für die 400 Ehrengäste zu essen gab.

Die 16 Jahre alte Schülerin Luisa Teichmann musste am Freitagmorgen ausnahmsweise nicht in der Schule sitzen und büffeln. Sie nahm sich im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses einen der 20 Kartons mit Moos und begann mit anderen Dekorateuren, ein florales Kunstwerk zu vollenden. 700 Kilogramm Natursteine, 400 Perlhyazinthen als Frühlingsboten und Tausende von Kieselsteinen bildeten später mit anderen Blüten auf den sechs langen Tischen ein einzigartiges Arrangement.

Das nahezu vollständige Senatssilber mit 42 Leuchtern, Geschirr und 3000 blank geputzten Besteckteilen im Schätzwert von 4,1 Millionen Euro komplettierte die Pracht für ein Festmahl, das diesmal das politische Prestige von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) besonders nachhaltig nähren dürfte.

Es war gegen 18.30 Uhr, als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im gediegenen Hosenzug als erster Ehrengast des diesjährigen Matthiae-Mahls auf der Senatstreppe eintraf, gefolgt von Regierungssprecher Steffen Seibert, der festgemäß eine schwarze Fliege trug. Während einer ihrer Sicherheitskräfte offenbar intuitiv die Merkel-Raute machte, erklomm wenig später als zweiter Ehrengast der britische Premierminister David Cameron die Senatstreppe. Bevor ihm Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) die Hand schüttelte, begrüßten ihn still stehend sechs Polizeischüler in alten Gala-Uniformen – mit weißen Kniestrümpfen und Glaceehandschuhen.

Hamburg setzt Anker für Stabilität

So begann am frühen Freitagabend die erste Etappe des weltweit ältesten, noch heute gefeierten Festmahls, dessen Ursprung im 14. Jahrhundert liegt. In Zeiten der Dauerkrisen setzte Hamburg wenige Tage vor dem EU-Gipfel mit einem traditionsreichen Mahl einen Anker für Stabilität und Gesprächskultur.

Über den roten Teppich bahnten sich bis gegen 20 Uhr rund 400 Gäste ihren Weg zu den akkurat gedeckten Tischen. „Wir sind gespannt auf die Reden und das wunderbare Ambiente“, sagte etwa Fredrik Braun vom Miniatur Wunderland, und fügte hinzu: „Es ist schon ein Kribbeln im Bauch, was man beim Betreten des Rathauses zu einem so tollen Anlass spürt.“

Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs erschien, ihrem Amt angemessen, in einem schlichten schwarzen Damen-Gehrock im Rathaus und sagte vor Beginn des großen Mahls: „Alles, was Europa in diesen bewegten Monaten stärkt, ist gut. Und wenn wir in Hamburg dazu einen Beitrag leisten können, ist das umso besser.“

Das gab es zu essen

Im Großen Festsaal warteten bereits die 120 Kellner mit Serviceleiter Carsten Rogge auf ihren fulminanten Einzug, der den Auftakt für ein Vier-Gänge-Menü bildete. Bis zuletzt wurde die Auswahl der Speisen wie ein Staatsgeheimnis gehütet, so will es das alte Ritual. Für Serviceleiter Rogge war es das 20. Matthiae-Mahl, er ist ein Profi in diesem Metier. Doch es gab für ihn auch mal ein Malheur, als er vor einigen Jahren mit einer heißen Fleischplatte das Ohr von Minister Frank-Walter Steinmeier touchierte.

Für exzellenten Service sorgten diesmal ein Kellnerpaar für jeweils sieben Gäste. Sternekoch Heinz Wehmann verwöhnte die Honoratioren zunächst mit Holsteiner Granat, danach mit Suppe, später mit Stubenküken und als Dessert Variationen von Zitrusfrüchten, Pomelo-Schnittchen und Pampelmusensorbet. Ein Grauburgunder vollendete das kulinarische Gesamtkunstwerk. Das Interesse an vegetarischen Speisen war bei der Vorbestellung dagegen gering – es gab nur eine Handvoll Vegetarier.

Chefvisite: Video mit Abendblatt-Chefredakteur

Selbst beim Schmausen erfüllte unter den Kronleuchtern ein erhöhter Lärmpegel den Großen Festsaal. Es wurde geredet, vor allem über die Flüchtlingskrise und über Europa. Zwischendurch erklang ein Musikprogramm, das besonders den britischen Ehrengast erfreuen sollte. Deshalb erklangen Werke des Wahl-Briten Georg Friedrich Händel und von Edward Elgar.

Matthiae-Mahl fand so früh wie nie zuvor statt

Traditionell werden die Reden nach der Vorspeise, der Suppe und dem Hauptgang gehalten. Auf die exakte Planung des Rituals achtete auch in diesem Jahr Juliane Scholz-Foth. Die Protokoll-Chefin der Senatskanzlei hatte diesen Abend bis ins Detail geplant. Zunächst musste sie einen Termin finden, der sowohl für Kanzlerin als auch für den britischen Premier möglich ist. Es klappte nur am 12. Februar. „Deshalb fand das Matthiae-Mahl in diesem Jahr so früh wie nie statt“, sagte sie. Traditionell ist das Ereignis rund um den 24. Februar terminiert.

Zudem galt es, die Gäste einzuladen, Einladungsbegehren auch mal abzulehnen und die Sitzordnung festzulegen. In diesem Jahr folgte das Protokoll dem Wunsch des britischen Ehrengastes, ausgewählte Landsleute mit einer Einladung zu bedenken. Die Kanzlerin selbst durfte solche Extra-Wünsche wegen des begrenzten Platzes am Tisch nicht äußern, hieß es.

Trotz der Professionalität blieb für die Protokollchefin die Anspannung bis zum Schluss. „Für mich wird das Matthiae-Mahl erst dann zu Ende sein, wenn der britische Premier im Flugzeug sitzt.“

Auszug aus der Gästeliste des Matthiae-Mahls

Einführung:

„Gesetzt“ sind beim traditionsreichen Matthiae-Mahl neben den Ehrengästen das Konsularkorps, der Senat, das Präsidium der Bürgerschaft, die Fraktionsvorsitzenden, die Hamburger Bundestags- und Europaabgeordneten, Kirchen und Religionsgemeinschaften und Ehrenbürger. Dazu kommen diverse Gäste. Ein Auszug...

Ehrenbürger:

Uwe Seeler, John Neumeier und Michael Otto

Politik:

Die Hamburger Altbürgermeister Hans-Ulrich Klose, Henning Voscherau und Christoph Ahlhaus, der Botschafter des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, Sebastian Wood, und Maria Elisabeth Bogosian aus Uruguay, Doyenne des Konsularkorps Hamburg.

Wirtschaft:

Arthur E. Darboven (Darboven), Fritz Horst Melsheimer, Präses der Handelskammer Hamburg, Alexander Otto (ECE Projektmanagement) sowie Hans-Georg Frey (Jungheinrich AG.

Medien:

Die Chefredakteure Kai Gniffke („ARD AKTUELL“), Lars Haider („Hamburger Abendblatt“) und Klaus Brinkbäumer („Der Spiegel“), Rainer Esser (Zeitverlag), Jutta und Manfred Braun (Funke-Gruppe), Friede Springer.

Kirchen, Justiz und Kultur:

Kirsten Fehrs, Bischöfin Evangelisch- Lutherische Kirche in Norddeutschland, Vladimir Golitsyn, Präsident des Internationalen Seegerichtshofs, Kent Nagano von der Hamburgischen Staatsoper und die Brüder Frederik und Gerrit Braun vom Miniatur-Wunderland Hamburg.

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