Hamburg. Das First Stage von Stage-School-Chef Thomas Gehle soll den Nachwuchs fördern, aber auch Profis anziehen: Ein Hamburger “Off-Broadway“.

In dem großen und hohen roten Gebäude an der Straße Am Felde geht es an diesem Vormittag zu wie in einem Bienenstock. Am Sitz der Stage School Hamburg in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Altona wuseln 260 meist in schwarz gekleidete Schülerinnen und Schüler auf drei Stockwerken mit 4000 Quadratmetern, zwischen Tanzetage, Gesangs- und Schauspielsälen, im On-Stage-Fitnessstudio und auf den Gängen umher. Ganz oben, im vierten Stock, sitzt Thomas Gehle.

Er ist seit 1990 geschäftsführender Gesellschafter der Stage School, Deutschlands größter privater, unabhängiger Bühnenfachschule. Den Weg von der Zentrale zu einem der lokalen Kulturszene bisher unbekannten Ort kennt er längst aus dem Effeff. Mit dem Auto sind es nur drei Minuten, zu Fuß knapp zwölf zur Thedestraße/Ecke Schomburgstraße. Zwei Kilometer vom Hauptsitz der Stage School geht es zu wie auf einer – staubigen – Baustelle. Arbeiter gehen ein und aus.

Dass das First Stage bereits am 3. März eröffnet, ist doppelt bemerkenswert

Man mag es glauben oder (noch) nicht: Am Abend des 3. März wird unweit der bekannten Einkaufsmeile Große Bergstraße das First Stage aufmachen, „das neue Theater in Altona“, wie es im Untertitel heißt. Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) wird die Eröffnungsansprache halten, Altonas Bezirksamtsleiterin Liane Melzer ebenfalls erwartet, auch Bürgermeister Olaf Scholz (beide SPD), der in der Nähe wohnt, ist eingeladen. Als Privatmann gewissermaßen.

Thomas Gehle, der Chef der Stage School, präsentiert sein neues Theater First Stage
Thomas Gehle, der Chef der Stage School, präsentiert sein neues Theater First Stage © Roland Magunia | Roland Magunia

Dass es soweit und so schnell gekommen ist, ist doppelt bemerkenswert: „Im Februar vorigen Jahres hat mir ein Makler dieses Objekt angeboten“, erzählt Thomas Gehle. Nur gut ein Jahr später eröffnet das First Stage in jenem Gebäude, in dem bis 1974 das örtliche Kino Kina saß und Filme wie „Zwischen Shanghai und St. Pauli“ abspielte. Und zwar ohne dass die Stadt einen Cent dazuzahlen muss.

Nach staatlicher Förderung haben die Manager der Stage School, die 1985 in Hamburg als Stage School of Music, Dance and Drama gegründet wurde, ohnehin nie gerufen. Den Traum von einem eigenen Theater hatten die früheren und der heutige Macher jedoch schon lange Jahre gehegt.

Eine Million Euro hat der Umbau insgesamt gekostet

Noch hämmern, sägen und streichen an diesem Vormittag beim exklusiven Rundgang für das Abendblatt die Arbeiter im Foyer des First Stage, im Saal und in den Nebenräumen. Gehle erläutert, dass der Saal komplett entkernt wurde, das Dach aus Gründen der Statik und Brandschutzauflagen für gut 200.000 Euro erneuert werden musste. Etwa eine Million Euro habe ihn und den kulanten Vermieter das insgesamt gekostet, der Mietvertrag für das First Stage läuft über 20 Jahre. „Nur“ 100.000 Euro zahlt Gehle; die Hamburger Sparkasse gewährt günstige Kredite – Gehle und die Stage School haben offensichtlich einen guten Ruf. Auch 70 Stuhlpaten, die zwischen 300 und 450 Euro pro Sitz mit Namensplakette zahlen, seien bereits gefunden.

Für genau 279 Sitzplätze sei das Theater zugelassen, erläutert der geschäftsführende Gesellschafter der Stage School. „Die Zuschauer sitzen maximal zwölf Meter von der Bühne entfernt“ , sagt Gehle. Der Saal erinnere so an die Halle k2 von Kampnagel.

In der Winterhuder Kulturfabrik hatte die Stage School, die seit 2013 am Bahnhof Altona sitzt, bis zum vorigen Sommer alljährlich ihr sogenanntes Showcase durchgeführt. An bis zu 14 Abenden zeigten die angehenden Bühnendarsteller beim großen Finale, was sie während der dreijährigen Ausbildung in Gesang, Tanz und Schauspiel gelernt hatten – häufig der Beginn für manche hoffnungsvolle Bühnenkarrieren. Ob diese Showcases oder die lange als Geheimtipp geltenden „Monday Night Performances“: Bisher mussten Gehle sowie die umtriebige PR- und Marketingfrau Annett Bär dafür stets Hamburger Privattheater anmieten – meistens blieb dort für die Schüler nur der spielfreie Montagabend.

Karten für die ersten Vorstellungen gibt es schon für 12,35 Euro

Mit dem First Stage sind diese Zeiten vorbei. Gleich nach der Eröffnung wird es vom 4. bis 12. März neue „Monday Night Performances“ von künftigen Bühnenprofis geben, zum günstigen Einstandspreis von 12,35 Euro pro Ticket. Als großes Showcase zeigen mehr als 30 Darsteller vom 27. Juni bis 15. Juli im neuen Theater zu Live-Musik „42nd Street“ , ein aufwändiges Musical, das in deutscher Fassung in Hamburg seit 20 Jahren nicht zu sehen war.

„Vorgesehen ist, dass wir das Theater erst mal mit unseren Veranstaltungen bespielen. Mit zusätzlich mindestens 20 Fremdvermietungen pro Jahr ist die Finanzierung gewährleistet“, erläutert Gehle. Davon, dass das First Stage mittel- und langfristig existieren kann, ist er überzeugt: „Es sollte abseits der großen ,Mainstream-Musicals‘, die alle ihre Berechtigung haben, auch einen sogenannten Off-Broadway geben, ja, es muss“, sagt er. „Wo Musicals gespielt werden, die unter Umständen nicht Millionen Menschen ansprechen, sondern auch individuelle Zielgruppen.“ Gerade weil Hamburg die drittgrößte Musicalstadt der Welt nach New York und London sei.

Schon vor der Sommerpause soll die Show „Buddy Holly Reloaded“ in den Spielplan integriert werden. Die Originalband aus „Buddy – das Musical“ konnte bisher immer nur am ersten Montag des Monats im Imperial Theater jung gebliebenen Rock ‘n’ Roll zelebrieren, nun wird sie im First Stage vom 23. April an auch an den Wochenenden spielen. Und mit Thomas Borchert, von 1994 bis 2001 der erste „Buddy Holly“ im Hamburger Theater im Hafen, dem sogenannten „gelben Sack“, hat sich für November ein prominenter Absolvent angekündigt.

Dass prominente Stage-School-Absolventen im First Stage auftreten, scheint denkbar

Die Liste der einstigen Absolventen der Stage School ist bisher fast 3000 Schüler lang. Die Schauspieler Anna Loos, Ralf Bauer („Gegen den Wind“, „5 Sterne“), Fabian Harloff, Nathalie O’ Hara („Der Bergdoktor“), Ingo Brosch („Die Wache“) und Susan Sideropoulos („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“) zählen dazu, die Sängerinnen Lucy Diakovska (Ex-No-Angels) und Sanna Nyman (LaLeLu), Volkan Baydar (Orange Blue), Comedian Ole Lehmann und die bekannte Musical-Frau Anna Montanaro, die es als erst dritte Deutsche nach Hildegard Knef und Ute Lemper als weibliche Hauptdarstellerin bis an den Broadway schaffte.

Dass manche der Ehemaligen im First Stage auftreten, erscheint denkbar. „Ich hoffe, dass wir in zwei bis drei Jahren gut 200 Veranstaltungen auf dem Spielplan haben“, sagt Thomas Gehle. Außer dem Schwerpunkt Musical hält er auch Tournee-Produktionen, Comedy und Sprechtheater für geeignet. Ein „Weihnachts-Spezial“ der Stage School ist bereits für dieses Jahr geplant, und schon am 20. März wird ein Tanzprojekt mit Flüchtlingskindern im First Stage zu sehen sein. Auch ihnen können die zurzeit 71 Dozenten der Stage School helfen. Die Schüler aber bekommen in der Musical-Hauptstadt Hamburg nun einen Auftrittsort, der ihnen erste Schritte ermöglicht – für sie die erste Bühne.

„Monday Night Special“ 4.-12.3., jew. 19.30, First Stage (S Königstraße, Bus 283), Thedestr. 13, Karten 12,35 (inkl. HVV) + Programm: stageschool.de