Die 67-Jährige hat sich noch einmal neu erfunden. Im Internet gibt die „Best Agerin“ Tipps für ein glücklicheres Leben.
Wer sich mit Greta Silver in einem Café unterhält, muss damit rechnen, dass sich andere Gäste dezent anstupsen und nach ihr umdrehen. Diese Frau sieht nicht nur blendend aus, sondern hat auch Charisma. Sie schüttelt sich vor Lachen, sprüht vor Charme, kichert auch mal wie ein junges Mädchen. Doch Silver ist 67 Jahre alt, mehrfache Großmutter – und ein gefragtes Fotomodell.
In Werbefilmen schon länger als klassische „Best Agerin“ ein vertrauter Anblick, schaut ihr stets fröhliches Gesicht die Betrachter auch aus diversen Zeitschriften an. Ihr wichtigstes Medium ist mittlerweile das Internet. Silver – der Künstlername ist für sie auch ein Bekenntnis zu ihrem fortgeschrittenen Lebensalter – hat seit rund einem Jahr einen eigenen Video-Kanal, der viel geklickt wird. Unterzeile und Motto: „Zu jung fürs Alter“. Und auf ihrer Visitenkarte steht es unter dem Namen „Lebensfreude pur“. Das bringt es auf den Punkt.
Es gab Zeiten, da sah Silvers Leben völlig anders aus. Den Sekretärinnen-Job hatte die Saselerin an den Nagel gehängt, um ihre drei Kinder großzuziehen – ein Schritt, den sie nie bereute. „Wir haben gebastelt, gespielt, ich habe die Schularbeiten kontrolliert und Marmelade gekocht – himmlisch.“ Doch das Geld war oft knapp, die Ehe kriselte und scheiterte später.
Als Silver nach 17 Jahren wieder berufstätig werden wollte, war etwas durch die deutschen Büros gewirbelt, was sie als Erdbeben und Revolution bezeichnet. „Als ich aufgehört hatte, konnte ich gut mit meiner Schreibmaschine umgehen, nun fand ich Computer vor.“ Nachdem sie einen Crashkurs absolviert hatte und wieder in Konferenzen saß, galt es, sich als über 50-Jährige gegen 20 Jahre jüngere Kolleginnen durchzusetzen oder zumindest mit ihnen auf Augenhöhe zu sprechen.
Damals sei ihr erstmals klar geworden, dass Jammern und Zagen nicht weiterhelfen, dass man zwar Fehler machen dürfe („sogar muss“), sich aber immer wieder selbst „aus dem Schlamassel“ ziehen müsse. Und sie entdeckte, dass sie andere motivieren konnte, dass man ihr zuhörte, ihre lebensbejahende, optimistische Art nicht nur zur Kenntnis nahm, sondern sogar begierig aufsog. Langfristig entstand daraus ihr Video-Kanal, der sie schnell bekannt machte. Es sind etliche Filme, die den Zuschauer faszinieren – Berichte aus dem Alltag, Lebensbeichten und jede Menge Hilfe zur Selbsthilfe. Mal berichtet Silver von ihrer Augenoperation, mal vom gesunden Frühstück, dann wieder von Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen und sich sinnvoll zu beschäftigen. Mit Wörtern wie „Clicks“ und „Screenshots“ geht sie heute völlig selbstverständlich um; die statistischen Auswertungen der diversen Aufrufe kennt sie genau. Dazu sagt sie Sätze wie: „Da spukt immer noch bei zu vielen in den Köpfen so ein Bild herum, dass ab 55 oder so das Leben nur noch langweilig ist. Wie schade, wie schade.“
Kritische Fragen kontert Silver lässig und vergnügt. Ist es nicht leicht, sich uneitel zu geben, wenn man von Natur aus gut aussieht? „Man muss auch etwas dafür tun, das ist doch logisch.“ Sie ernährt sich gesund, raucht nicht und trinkt auch keinen Alkohol („mochte ich zum Glück nie“). Ein paar Falten haben sich mittlerweile auch in ihr Gesicht gegraben, aber Lifting oder Botox kämen für sie nie infrage.
„Die innere Einstellung muss stimmen“, so Silver nachdrücklich, „das spiegelt sich alles im Aussehen.“ Auch die Aussage, dass eben nicht jeder über ihre Energie verfügt, will sie so nicht gelten lassen. Sich hängen zu lassen und anderen die Schuld am Unglücklichsein zu geben sei immer die leichteste Lösung. Und Energie entwickeln bedeute eben auch, die Disziplin zu haben, wirklich etwas ändern zu wollen. Mit Misanthropen spricht sie deutliche Worte. „Ich sage dann immer: ,Geht euren Weg ruhig so weiter, aber dann jammert mir doch bitte nichts vor, Kinder.‘“
Greta Silver versteht ihre Anregungen als Angebote
Gleichwohl kenne auch sie Tage, an denen sie sich morgens kaum motivieren könne, an denen es ihr sogar „richtig schlecht“ gehe. Wichtig sei eben, daraus keinen Dauerzustand zu machen. Es ist diese Mischung aus fröhlich und energisch, aus Mitgefühl auf der einen und Klartext auf der anderen Seite, die offenkundig Silvers Erfolg ausmacht. „Ich bin Anschubser von Glückspotenzial“, ist sie sich sicher, und: „Ich kann Zugeknöpftes wieder zum Leben erwecken.“ Dass da mancher skeptisch reagiert, macht ihr nichts aus. „Vielleicht bin ich manchmal schwer zu ertragen, mir doch egal.“
Sie versteht ihre Anregungen als Angebote, denn Glück könne man eh nicht erzwingen. Ihr persönliches Fazit nach monatelanger Interaktion mit ihren alten und neuen Fans: „Es ist erfrischend, dass es da draußen eine Menge Leute gibt, die das Leben auch so positiv sehen, und die ihr Glück selbst in die Hand nehmen.“
Sie selbst hat auch gerade wieder Neues angepackt: Ihre „Gedichte für Lebensfreude pur“ sind soeben erschienen. Einen Teil der Einnahmen spendet sie für Plan International, besonders wichtig ist ihr die Förderung von Mädchen in der Dritten Welt. Eine Kostprobe ihrer eigenwilligen Lyrik: „Was ist mir die Sache wert / welchen Preis bin ich bereit zu zahlen / verschleudere ich mich auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit / den Preis der Selbstachtung / zahl ich in harter Währung beim Blick in den Spiegel“.
Greta Silver liebt ihr Leben – mit Kindern genauso wie im Alleingang. Von ihren Enkeltöchtern lässt sie sich „um den Finger wickeln“, auch das Verhältnis zu ihrem Ex-Mann ist unbelastet – „wir telefonieren dauernd“.
„Ich frage mich immer, was noch so alles kommen mag“, bekennt die 67-Jährige. Und die Antwort, die man ihr geben möchte, lautet: Sicherlich noch eine ganze Menge.