Hamburg. Autogipfel im Rathaus: Entweder weniger Schadstoffe oder Fahrverbote in Hamburg. Auch der Diesel-Abgasskandal kam auf den Tisch.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat die Autoindustrie eindringlich aufgefordert, so schnell wie möglich Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, die keine oder nur noch sehr geringe Mengen giftiger Emissionen ausstoßen. „Wenn wir verhindern wollen, dass schon in diesem oder dem nächsten Jahr ein Teil der Pkw-, Lkw- und Busflotte nicht mehr durch unsere Städte fahren dürfen, dann muss ein großer Teil der Flotte ganz ohne oder fast ohne Emissionen betrieben und zwar nicht irgendwann sondern schnell“ , sagte Scholz laut Manuskript in seiner Rede beim Autogipfel am Montagmittag im Hamburger Rathaus.

Dabei wies Scholz darauf hin, dass die jüngsten Gerichtsurteile zu den Grenzwertverletzungen bei giftigen Stickoxiden (NOx) in Hamburg und anderswo in Deutschland deutlich machten, dass den Städten über kurz oder lang „ verkehrsbeschränkende Maßnahmen aufgenötigt“ würden, wenn die Industrie nicht rasch handle. Immerhin 29 Regionen in Deutschland hielten die seit 2010 geltenden Grenzwerte nicht ein.

"Meinungsaustausch" im Hamburger Rathaus

Zu dem Autogipfel sind auf Einladung von Scholz Vertreter des Bundes, der Städte und der Automobilindustrie zu einem „Meinungsaustausch“ ins Rathaus angereist. An dem Treffen, das um 13 Uhr begann, sind Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), mehrere Oberbürgermeister deutscher Städte, der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) Matthias Wissmann und Mitglieder der Vorstände deutscher Automobilhersteller angereist, nämlich VW-Vorstandschef Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, Daimler Benz-Vorstand Thomas Weber, Ford-Chef Bernhard Mattes, und BMW-Vorstand Peter Schwarzenbauer.

„Innovationen sind der Schlüssel zur Verbesserung der Lebensqualität in den Städten“, sagte Scholz vor dem Treffen. „Das gilt auch für den Verkehr. Damit in Zukunft keine Verbots-Szenarien im Zusammenhang mit der Luftreinhaltung entstehen, muss der Anteil der emissionsarmen und emissionsfreien Fahrzeuge drastisch gesteigert werden. Wir können gemeinsam zum Gelingen beitragen, wenn wir auf den technischen Fortschritt setzen und gleichzeitig für optimale politische Rahmenbedingungen sorgen, die für die Umsetzung notwendig sind. Die Bundesregierung, die Automobilhersteller und die Städte sind die richtigen Partner dafür.“

Bundesverkehrsminister Dobrindt betonte, dass man die Mobilität nicht einschränken wolle. „Unser Ziel ist mehr Mobilität mit weniger Emissionen“, so Dobrindt. „Das erreichen wir durch saubere Antriebstechnik. Wir fördern die Elektromobilität als Schlüsseltechnologie und forcieren den Ausbau der Ladeinfrastruktur in ganz Deutschland.“ Mit dem Elektromobilitätsgesetz hätten die Kommunen die Möglichkeit bekommen, Elektroautos im Stadtverkehr zu privilegieren – etwa durch Sonderspuren oder kostenfreies Parken. „ Nun müssen sie diese Möglichkeiten auch nutzen“, so Dobrindt. „Wir fördern das automatisierte und vernetzte Fahren – damit wird der Verkehr effizienter. Denn besserer Verkehrsfluss heißt weniger Staus, heißt weniger Abgase!“

VDA-Präsident: Dieselmotoren haben "seit etlichen Jahren" kein Partikelproblem

VDA-Präsident Wissmann sagte, dass der Straßenverkehr nach Angaben des Umweltbundesamtes für rund ein Drittel der Stickoxid-Emissionen in Deutschland verantwortlich sei, Diesel-Pkw für etwa ein Zehntel. „Der Diesel spielt also eine relevante Rolle, wenn auch nicht die alleinige“, so Wissmann. „Dank leistungsstarker Filter hat der Diesel schon seit etlichen Jahren kein Partikelproblem mehr. Ein moderner Euro-6-Diesel erfüllt zudem auch die anspruchsvollsten Stichoxidwerte. Prognosen zufolge werden künftig mit der normalen Marktdurchdringung von Euro 6 die Luftqualitätsziele in den Städten erreicht werden.“

Zusätzlich zur Bestandserneuerung seien Maßnahmen zur Verbesserung des Verkehrsflusses und der Stauvermeidung nötig, so der VDA-Präsident. „Sie sind kurzfristig umsetzbar und haben große Wirkung: Grüne Welle und ein gleichmäßiger Verkehrsfluss bringen eine NOx-Reduktion um fast ein Drittel.“ Zudem sollten Busse und Taxis im städtischen Verkehr durch modernste Fahrzeuge ersetzt werden. „Für eine wirksame Verbesserung der Luftqualität in Städten kommt es also auf den richtigen Mix von moderner Abgasnachbehandlung, rascher Flottenerneuerung und verkehrlichen Maßnahmen an“, so Wissmann.

Der Hamburg Autogipfel soll bis etwa 16 Uhr dauern. Konkrete Ergebnisse seien zwar noch nicht zu erwarten, hieß es im Rathaus. Es gehe aber darum, sehr schnell Lösungen zu finden. Dazu soll auch der nächste Autogipfel zum Thema E-Mobilität beitragen - am Dienstagabend bei Bundeskanzlerin Angela Merkel.

In seiner Rede macht Scholz in Richtung der Industrie-Vertreter noch einmal die Dringlichkeit deutlich. „Gestatten Sie mir eine Vorhersage“, so der Bürgermeister. „Wenn wir nicht in kürzester Zeit zu bezahlbaren Preisen emissionsfreie Busse, Taxen und Lieferfahrzeuge einsetzen können, werden Fahrverbote von den Gerichten verlangt. Noch in diesem Jahrzehnt. Die Technologien müssen von Ihnen stammen. Wir kaufen die Busse. Das können wir zusagen.“