Hamburg. Hamburger Experten erläutern, wie man einen problematischen Umgang mit digitalen Medien erkennt und was Betroffene tun können.

Faszination Computer: Jungen und Mädchen verbringen immer mehr Zeit mit Smartphones, Tablets und PC. Doch wie viel Internetkonsum ist noch unbedenklich? Wann gelten Kinder als internetsüchtig? Und wie viel Zeit sollten sie in welchem Alter maximal mit solchen Geräten verbringen? Fragen zum richtigen Umgang mit Smartphones und Tablets beantworten Experten des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) am 3. Februar von 10 bis 18 Uhr bei einer Aktion der DAK Gesundheit unter der kostenlosen Telefonnummer 0800-1111 841.

Das Internet ist bei vielen Jugendlichen fester Bestandteil ihres Alltags. Nach einer aktuellen Studie von DAK, UKE und Forsa-Institut zum Thema „Internetsucht im Kinderzimmer“ mit Müttern und Vätern von 1000 Kindern schätzen die Eltern die private Internetnutzung der Kinder an einem normalen Werktag auf rund zweieinhalb Stunden und am Wochenende auf durchschnittlich vier Stunden. 20 Prozent der Kinder sitzen am Sonnabend oder Sonntag sechs Stunden und mehr vor dem Computer. Die meisten Kinder und Jugendlichen besuchen das Internet, um Videos anzuschauen, Online-Computerspiele zu spielen oder zu chatten. Bei den Jungen stehen die Computerspiele an erster Stelle, bei den Mädchen ist es das Chatten.

Die Untersuchung hat auch gezeigt, dass jeder fünfte Schüler gereizt und ruhelos reagiert, wenn seine Onlinezeiten beschränkt werden. Jeder Zehnte geht online, um Probleme auszublenden. Insgesamt besteht bei 4,7 Prozent der untersuchten Kinder und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren ein erhöhtes Risiko für eine Internetsucht. Die am meisten gefährdete Altersgruppe sind laut der Studie die 14- bis 15-Jährigen.

Es gibt allerdings auch Menschen, die besonders anfällig dafür sind. „Bei den Jungen sind es die schüchternen, selbstunsicheren Jugendlichen, die bereits bei der Einschulung wenig Zugang zu Gleichaltrigen fanden, in ihrer Klasse Außenseiter sind und wenig kommunikative Fähigkeiten und Fertigkeiten haben“, sagt Prof. Rainer Thomasius, Leiter des DZSKJ. Bei den Mädchen seien es vor allem jene, die Schwierigkeiten hätten, ihre Gefühle zu steuern. „Sie suchen in sozialen Netzwerken gleichgesinnte Mädchen, mit denen sie sich über ihre Probleme austauschen können“, sagt der Kinderpsychiater.

Als Hinweise auf eine Internetsucht benennt Thomasius folgende neun Kriterien:
1. Die Kinder denken ständig an das Online-Spielen, auch in der Schule.
2. Entzugserscheinungen wie Gereiztheit, Unruhe und Konzentrationsstörungen treten auf, sobald kein Zugang zum Internet möglich ist.
3. Aufenthaltsdauer im Internet nimmt immer weiter zu.
4. Kontrollverlust. Der Jugendliche kann Häufigkeit und Dauer des Internetkonsums nicht mehr begrenzen. Diesen Punkt hält Thomasius für das wichtigste Kriterium.
5. Konsum wird fortgesetzt, obwohl negative Konsequenzen drohen wie der Verlust von Freundschaften.
6. Verlust von Interessen an vorher geschätzten Hobbys und Freizeitaktivitäten
7. Nutzung von Computerspielen, um negative Gefühle zu steuern oder um Probleme zu vergessen.
8. Belügen nahestehender Personen über das tatsächliche Ausmaß der Internetnutzung.
9. Verlust von Beziehungen, Fernbleiben von der Schule, Verlust der Tagesstruktur durch den Internetkonsum.

Wenn ein oder mehrere dieser Kriterien zutreffen, sollten Eltern hellhörig werden und professionelle Hilfe suchen. Thomasius nennt drei Anlaufstellen in Hamburg: Das DZKSJ am UKE bietet ambulante und stationäre Behandlung sowie Therapie in einer Tagesklinik für 12- bis 26-Jährige an. Jährlich werden dort 300 bis 400 Kinder und Jugendliche wegen einer Internetsucht behandelt. Und die Zahlen steigen. „Wir haben jedes Jahr 50 Patienten mehr“, sagt Thomasius. Die Wartezeit für ein Erstgespräch beträgt zurzeit drei Wochen. Weitere Anlaufstellen sind die ungefähr 30 Hamburger Praxen der Kinder- und Jugendpsychiater und die Beratungsstelle Königstraße 16 a der Gesundheitsbehörde.

Für Eltern hat der Kinderpsychiater zum Umgang mit dem Computerkonsum ihrer Kinder vier Ratschläge: Erstens sollten Eltern über die Internetaktivitäten ihrer Kinder informiert sein, also wissen, auf welchen Webseiten diese sich bewegen. Dazu gehört auch, das Suchtpotenzial einzuschätzen und die Alterskennzeichnungen zu kennen. Zweitens sollten sie Interesse an den Spielmotiven der Kinder zeigen. Drittens sollten sie Grenzen setzen, also festlegen, was, wo und wie lange von den Kindern im Internet aufgesucht wird. Und viertens sollten sie ihren Kindern Vorschläge für eine internetfreie Freizeitgestaltung machen.

Denn die Studie hat auch gezeigt, dass 71 Prozent der 1000 befragten Mütter und Väter keine Regeln vorgeben, wo das Internet genutzt werden darf, 51 Prozent die Dauer des Internetkonsums nicht begrenzen und 32 Prozent keine Vorgaben zu Inhalten machen, die ihre Kinder nutzen dürfen.