Hamburg. Warum die Stadt nicht vorsorglich nach Blindgängern suchen lässt und wann Grundstückseigentümer in der Pflicht sind.
Wer haftet für Schäden im Fall einer Selbstdetonation? Warum musste der Luftraum am Donnerstag zeitweise gesperrt werden? Nach der erfolgreichen Entschärfung einer Weltkriegsbombe in Eppendorf bleiben die Erleichterung, dass alles gut gegangen ist – und einige Fragen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten.
Wer bezahlt eigentlich die Beseitigung eines Bombenblindgängers?
Für die Suche, die Privatfirmen durchführen, kommt der Grundstückseigentümer auf. Die Entschärfung und Beseitigung der Munition wird im Rahmen der Gefahrenabwehr durch den Kampfmittelräumdienst der Feuerwehr, also Angestellte der Stadt, durchgeführt. Da Polizisten, Feuerwehrleute und Entschärfer ohnehin im Dienst sind, entstehen für die Stadt, abgesehen von möglichen Überstunden, keine Kosten. Wie hoch die Kosten am Donnerstag waren, wurde nicht erhoben.
Wann muss ich mein Grundstück absuchen lassen und was kostet es?
Immer, wenn man Erdarbeiten durchführen lassen will und das Grundstück eine Verdachtsfläche ist. Verdachtsflächen sind große Bereiche der Stadt, welche Grundstücke dazu gehören, erfährt man bei der Abteilung Gefahrenerkundung/Kampfmittelverdacht der Feuerwehr (Tel: 428 514 115) oder beim Bezirksamt. Für eine vorsorgliche Suche auf einem 500 Quadratmeter großen Grundstück müsste man eine fünfstellige Summe einplanen. Das gilt für die einfachste Variante. Munition wird mit Metalldetektoren gesucht. Ist es kompliziert, weil viel Metall in der Erde liegt oder die Blindgänger tief im Boden stecken, explodieren in dem Fall zumindest die Kosten auf Zehntausende oder sogar mehr als 100.000 Euro. In Eppendorf war ein privates Grundstück betroffen, auf dem gerade Bauarbeiten stattfinden.
Wird vorsorglich von der Stadt nach Bomben gesucht?
Nein. 2005 hatte der CDU-Senat die Suche privatisiert, um 1,5 Millionen Euro Kosten zu sparen. Der Kampfmittelräumdienst wurde von 23 Mann auf neun Mann verkleinert. Weil die meisten Flächen für städtische Bauvorhaben aber der Stadt gehören, stiegen die Kosten für die Suche mit privaten Firmen stark an. Die SPD hatte die Privatisierung damals heftig kritisiert, sie aber nie rückgängig gemacht. Heute findet die Suche nach Blindgängern fast ausschließlich im Rahmen von Bauvorhaben statt.
Wie viele Bombenblindgänger liegen noch im Hamburger Stadtgebiet? Wo liegen die meisten, wo die wenigsten?
Experten gehen von gut 2800 großen Bombenblindgängern aus. Sie liegen hauptsächlich in den stark bombardierten Gebieten und dort vor allem, wo nach dem Krieg nicht viel gebaut wurde. Besonders viele liegen im Süden der Stadt. Der Hafen war oft angeflogenes Zielgebiet. Zudem ist der Boden dort weicher, sodass die Blindgänger oft nicht gefunden wurden. In anderen Teilen der Stadt können Blindgänger aus Fehl- oder Notabwürfen liegen. Nach Angaben der Feuerwehr handelte es sich bei der Bombe von Eppendorf vermutlich um so einen „Ausreißer“.
Welche Typen von Sprengmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg werden am häufigsten in Hamburg gefunden?
Am häufigsten werden Fünf- beziehungsweise Zehn-Zentner-Sprengbomben englischer oder amerikanischer Herstellung gefunden. Dazu kommt eine Vielzahl von Granatenblindgängern, die die deutsche Flak verschossen hat. Dabei handelt es sich oft um Granaten, die mit einem sensiblen Zeitzünder bestückt sind, den man benötigte, damit die Granaten in einer bestimmten Höhe explodieren. Solche Blindgänger müssen in der Regel vor Ort gesprengt werden.
Wie viele Bomben sind bereits entschärft worden?
Im Durchschnitt werden 15 Bombenblindgänger pro Jahr entschärft. Es gibt aber eine Dokumentationslücke von 1945 bis 1947. Das ist die Zeit, bevor der Kampfmittelräumdienst gegründet wurde. 2015 wurden elf größere Weltkriegsbomben und rund 2500 andere Kampfmittel wie Gewehrmunition, Granaten oder Panzerminen unschädlich gemacht. Nach Angaben der Feuerwehr wurden 3,8 Tonnen Sprengmittel vernichtet.
Wer haftet für Schäden, wenn es zu der Selbstdetonation eines Bombenblindgängers kommt?
Hier hat der Staat die Verantwortung auf die Grundstückseigentümer abgewälzt. Das gilt sowohl für Selbstdetonationen wie auch für gezielte Sprengungen, die durchgeführt werden müssen, wenn die Bombe nicht anders zu entschärfen ist. Deshalb ist eine gute Gebäudeversicherung ratsam. Nur wenn bei dem Entschärfungsversuch etwas schief geht, haftet die Stadt.
Warum wurden Anwohner nahe dem Blindgänger in Eppendorf angewiesen, ihre Fenster zur einen Seite hin aufzumachen?
Die Fliegerbomben waren so konstruiert, dass sie eine enorme Druckwelle erzeugen. Splitter sind ein Nebenprodukt der berstenden Stahlhülle. Durch den Druck sollten Dächer abgedeckt werden, damit die anschließend abgeworfenen Brandbomben in das Gebälk des Dachstuhls fallen können. Das Gebäude muss also bei einer Explosion dem Druck standhalten. Zum Druckausgleich müssen die Fenster in Richtung der Bombe geöffnet werden. So soll verhindert werden, dass sie brechen und Menschen durch Glassplitter verletzt werden.
Was war mit dem Zünder der in Eppendorf gefundenen Bombe. Wurde er durch Bauarbeiter beschädigt?
Der Zünder wurde vor 70 Jahren ausgelöst. Warum die Bombe in der Zeit nicht detoniert ist, ist unklar. Kernstück ist eine mit Azeton gefüllte Glasampulle. Sie wird durch ein von einem beim Abwurf rotierendes Windrad am Heck der Bombe zerquetscht. Die Azetondämpfe zersetzen ein Zelluloid-Plättchen, das einen gespannten Schlagbolzen zurückhält. Es könnte sein, dass dieser Vorgang unterbrochen wurde. Er kann durch eine kleinste Bewegung wieder in Gang gesetzt werden. Eine Entschärfung solcher Bomben ist immer lebensgefährlich.
Warum musste am Donnerstag auch der Luftraum gesperrt werden?
Bei einer Detonation können Splitter bis zu 1000 Meter hoch fliegen.
Was ist, wenn sich unter meinem Haus eine Bombe befindet?
Es kann passieren, dass es zu einer Selbstdetonation kommt. Bundesweit sind mehr als 90 Fälle seit Kriegsende bekannt geworden. In Hamburg ist das bislang nicht passiert.