Stellingen. Rochen sind hochenwickelte Tiere, beinahe so gut zu konditionieren wie Pawlows Hund. Hagenbeck züchtetet die Fische sehr erfolgreich.

Erstaunlicher Fakt aus dem Reich der Fischzucht: Rochen, die fliegenden Teppiche der Weltmeere, lassen sich fast so gut konditionieren wie Pawlows Hunde. In Hagenbecks Tropen-Aquarium etwa wird mit Klopfgeräuschen gearbeitet, um die bodenliebenden Knorpelfische zur Fütterung an die Wasseroberfläche zu locken. Es mache die Aufzucht der Jungtiere um einiges leichter, wenn die eleganten Schwimmer ein „klopf, klopf, klopf“ mit der Nahrungsaufnahme verbinden.

„Es sind faszinierende, hoch entwickelte Lebewesen“, sagt Guido Westhoff, Leiter des Tropen-Aquariums. „Sie können Tiere wahrnehmen, die wir nicht sehen.“ Denn Rochen spüren üblicherweise mit einem zusätzlichen Sinnesorgan, den Lorenzinischen Ampullen, ihr Futter am Meeresboden auf – elektrische Muskelimpulse verraten dabei ihre Beute.

Bei Hagenbeck funktioniert die Nachzucht der in Flachbauten gehaltenen Meeresbewohner inzwischen so gut, dass die Tiere aus Hamburg in aller Welt begehrt sind. Aktuell werden neun Jungtiere für den Austausch mit anderen Zoos vorbereitet. Ob Arnheim, Boston oder Berlin – die Rochen sind ein Exportschlager des Tropen-Aquariums. „Wir brauchen uns international nicht zu verstecken“, sagt Guido Westhoff.

Haie machen Zucht von Rochen problematisch

Weltweit gibt es etwa 630 Arten von Rochen, womit sie die vielfältigste Gattung der Knorpelfische sind. Ihre Verwandten, die Haie, bringen es auf etwa 500 Arten. Das Tropen-Aquarium bei Hagenbeck beherbergt davon zehn Süß- und Salzwasserrochen. International besonders begehrt seien dabei die anmutigen Adlerrochen, sagt der Leiter des Hamburger Aquariums.

Denn bisher gelang nur in Arnheim eine erfolgreiche Nachzucht. Ein junges Exemplar dieser Linie wird gerade in Hamburg für den Weitertransport aufgepäppelt. Mit bis zu 3,5 Meter Spannweite und acht Meter Länge gelten Adlerrochen als zweitgrößte Art nach dem Manta, dem sogenannten Teufelsrochen.

Fressen fast aus der Hand: Stechrochen im Tropen-Aquarium
Fressen fast aus der Hand: Stechrochen im Tropen-Aquarium © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Dabei ist die eigentliche Zucht der Tiere unproblematisch, erklärt Westhoff. „Das machen die Rochen innerhalb eines Aquariums selbst.“ Doch wenn es schlecht läuft und die Geburt der Tiere im Beisein anderer Raubfische, etwa im großen Hai-Atoll bei Hagenbeck, passiert, endet das Leben eines Jungrochens schnell als Fischfutter. Kaum auf der Welt, zack und weg.

Deshalb wird auch in einer geschützten Umgebung wie dem Tropen-Aquarium peinlich genau darauf geachtet, welches Rochenweibchen gerade trächtig ist, damit es rechtzeitig zur Geburt in ein Extrabecken gehievt werden kann. „Und das ist auch nicht ganz ungefährlich“, sagt Westhoff. Denn viele Rochen besitzen giftige Stacheln an der Schwanzbasis. Bekanntestes Opfer dieser Waffe war 2006 der australische Dokumentarfilmer Steve Irwin – er starb nach einer Begegnung mit einem Stechrochen am Great Barrier Reef.

Brut schlüpft im Mutterleib aus den Eiern

Hagenbecks Nachwuchs sind Amerikanische Stechrochen, die bereits zum dritten Mal Junge haben, ein Blaugepunkteter Rochen und besagter Adlerrochen. Zudem wird ein Violettes Stechrochenweibchen zur Paarung nach Berlin geschickt, um dort eine neue Population aufzubauen. „So ein Transport ist je nach Größe und Entfernung zwischen 1000 und 10.000 Euro teuer“, sagt Hamburgs Aquarium-Chef. Jedenfalls sind die Tiere mit ihren ausladenden Brustflossen kein einfaches Frachtgut.

Extravagant ist bei vielen Rochen auch die Geburt nach einer Tragzeit von sechs bis zwölf Monaten. Die Fische bringen ihre Jungen – Schwanz voraus – lebend zur Welt, nachdem die Brut noch im Mutterleib aus Eiern geschlüpft ist. Unter Aquarium-Bedingungen haben Pfleger und Tierärzte danach nur ein bis zwei Wochen Zeit, die Tiere an die Fütterung an der Wasseroberfläche zu gewöhnen. „Denn nachträgliche Zwangsernährung ist bei Rochen wieder mit Umständen verbunden“, sagt Guido Westhoff. Stichwort: Giftstachel am Schwanz. Bei Hagenbeck bekommen die Tiere Garnelen, Fischfilet oder Muscheln. Einige Arten haben extrem harte Kauwerkzeuge, mit denen sie selbst kräftige Schalen knacken.

Das kleinste Jungtier im Aquarium ist übrigens ein wenige Zentimeter großer Blaugepunkteter Rochen. Das erste Jungtier ist Anfang 2016 nach Boston gereist. Sein Geschwistertier ist im Becken der Schatzkammer zu sehen. „Wir sind im ständigen Austausch mit anderen Zoos, um eine weltweite Rochenzucht aufzubauen“, sagt der Chef des Tropen-Aquariums. Im Freiland verenden Rochen häufig qualvoll in Schleppnetzen oder an Langleinen.