Hamburg. Gut 60 Prozent der Beschäftigten des Hamburger Spieleentwicklers votieren gegen Mitbestimmung – zuvor hatte es Kündigungen gegeben.

Was dieser Tag bringen würde, für ihr Unternehmen, für ihre eigene Zukunft, das hatten Hunderte Mitarbeiter von Goodgame lange zuvor mit Spannung, aber auch mit Sorge erwartet. Am Dienstag hatte der Hamburger Spieleentwickler auf Druck der Gewerkschaft Ver.di ins CCH eingeladen. Mit Bussen wurden die Beschäftigten zum Kongresszen­trum gefahren, hier hatte das Unternehmen den großen Saal gemietet, mit Platz für alle 1200 Angestellten. Auf dieser Versammlung sollte sich entscheiden, ob die Beschäftigten die Wahl eines Betriebsrates einleiten.

Gegen 19 Uhr am Abend stand fest: Die Mehrheit der Stimmberechtigten votierte gegen ein solches Gremium. 62,8 Prozent der anwesenden 1035 Mitarbeiter hätten sich gegen einen Betriebsrat ausgesprochen, teilte Goodgame mit. „Damit ist klar, es gibt keinen Wahlvorstand für den Betriebsrat“, sagte Gabriele Weinrich-Borg von der Gewerkschaft Ver.di, die sich bei Good­game für eine Mitbestimmung eingesetzt hatte. Man habe gemerkt, dass es knapp wird, sagte Weinrich-Borg, sie nannte das Votum „kein schlechtes Ergebnis“, denn fast die Hälfte der Beschäftigten habe für einen Betriebsrat gestimmt.

2009 wurde Goodgame gegründet

Es war ein besonderer Tag in der noch jungen Geschichte des 2009 gegründeten Unternehmens. Ausnahmsweise trafen sich die jungen Kreativen nicht, um den Erfolg ihres Arbeitgebers zu feiern, der zuletzt noch 30 Millionen Euro verdiente. Es ging nicht mehr um Spiel und Spaß in dem Unternehmen, das seinen Angestellten mit dem Swimmingpool im Garten und Freibier zum Feierabend stets ein Arbeitsleben ohne zu viel Stress versprochen hatte. Dieses Mal ging es um Mitsprache in der Firma. Eigentlich keine große Sache, die meisten Betriebe dieser Größe haben ein Mitbestimmungsgremium.

Doch im November war bei Goodgame eine Bombe geplatzt, die den Spieleentwickler in ein denkbar schlechtes Licht gerückt hatte. Die Firma hatte etliche Mitarbeiter entlassen, die eine Arbeitnehmervertretung gründen wollten. Und nach den Kündigungen soll die Geschäftsführung Stimmung gemacht haben gegen eine ­Betriebsratsgründung. Das sagen Mitarbeiter. So habe das Management auf einer internen Versammlung gewettert gegen die gesetzliche Mitbestimmung, die angeblich nicht mehr in die Zeit passe. Stattdessen könne man doch auf eine eigene, maßgeschneiderte Mitarbeitervertretung setzen, so der Vorschlag aus der Führungsebene. Und dazu soll es nun kommen: „Das Unternehmen wird jetzt konstruktiv bei der Ausarbeitung einer alternativen Mitarbeitervertretung mitwirken“, sagte ein Goodgame-Sprecher nach der Betriebsversammlung. Gewerkschafterin Weinrich-Borg aber sagt, derartige Gremien hätten zumeist nicht die gleichen Mitspracherechte wie ein Betriebsrat, etwa bei Entlassungen und Umstrukturierungen.

Mitarbeiter sollen Angst um ihren Job haben

Und darum wird es auch aktuell in der Firma gehen: 18 der Frauen und Männer, die den Job verloren, nachdem sie sich für einen Betriebsrat eingesetzt hatten, haben Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht. Und sie sind immer noch geschockt über die Art und Weise, wie mit ihnen umgegangen wurde. So mussten sie an dem Tag der Kündigung sofort das Büro verlassen. Nicht nur die Entlassenen, sondern auch einige andere Beschäftigte fühlten sich zuletzt offenbar durch das Management unter Druck gesetzt. In einem offenen Brief, der dem Abendblatt vorliegt, formuliert „eine Gruppe besorgter Mitarbeiter“, so bezeichnen sich die Autoren, die Sorgen, die bei Goodgame in den vergangenen Wochen den Arbeitsalltag beherrscht hätten. „Die Kündigungen haben vielen Angst eingejagt“, heißt es in dem Brief. „Keiner traut sich vor seinen Chefs zu sagen, ob er für oder gegen einen Betriebsrat ist oder vielleicht sogar als Kandidat antreten würde.“ Die „Betreffenden“ würden von allen beobachtet, und alle warteten darauf, dass auch sie rausfliegen, beschreibt die Gruppe die Stimmung. In sozialen Medien allerdings gab es auch zahlreiche Beiträge von Autoren, die bezweifelten, dass ein Betriebsrat in einem solchen Unternehmen zeitgemäß ist.

Nach der Abstimmung vom Dienstag gibt es für die Befürworter laut Ver.di nur noch einen Weg, der zu einem Betriebsrat führen könnte: Wenn drei Mitarbeiter sich dafür einsetzen, könnte ein Wahlvorstand vom Gericht bestellt werden.

2000 Euro Brutto für Hochschulabsolventen

Warum aber war der Ruf nach Mitbestimmung überhaupt laut geworden? Schon vor den Kündigungen im November habe sich das Klima bei Goodgame stark verschlechtert, sagen Mitarbeiter. Die Kritik: Beschäftigte seien immer wieder mit Versprechungen gelockt worden, die letztlich aber nicht gehalten worden seien. Die Angestellten hätten sich mit 24 Urlaubstagen begnügen müssen. Wer nach dem Studium im Marketing bei Goodgame anheuerte, sei teils mit 2000 Euro brutto abgespeist worden.

Die Goodgame-Gründer, die Brüder Wawrzinek, sind keine eingefleischten Gamer, sondern ursprünglich Arzt und Anwalt. Dennoch haben sie die Empfänglichkeit von Programmierern und jungen Profis für ein lockeres Umfeld, für Partys, auf denen sie das Gemeinschaftsgefühl in der coolen Branche pflegten, offenbar richtig eingeschätzt: Goodgame galt lange als begehrter Arbeitgeber mit Pool, Fitnessstudio und Billardräumen gleich neben den Büros.

Doch mittlerweile seien viele Angestellte „erwachsener geworden“, sagt eine Goodgame-Beschäftigte, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie hätten die bunten Bilder, mit denen ihr Arbeitgeber um Bewerber buhlte, als Blendwerk entlarvt. „Wir sahen das teure Feuerwerk bei den Betriebsfeiern, hätten aber dafür lieber ein Weihnachtsgeld bekommen.“