Hamburg. Bei Anhörung des Stadtentwicklungsausschusses wurde deutlich: nur in durchmischten Quartieren kann Integration gelingen.

In der Diskussion um die Schaffung von Großsiedlungen für Flüchtlinge hat der langjährige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowski, vor einer ethnischen Abschottung gewarnt. Diese verhindere Integration, sagte der SPD-Politiker am Dienstagabend im Rathaus bei einer Anhörung vor dem Stadtentwicklungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft. Deshalb fordere er: „Keine Monotonie, sondern durchmischen!“ Zudem warnte Buschkowski davor, dass Großstädte angesichts des Flüchtlingsstroms an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit geraten könnten.

Thema der Ausschusssitzung war der Plan des rot-grünen Senats, für eine dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen mit Bleibeperspektive 5600 Wohnungen zu errichten. Diese sollen bis Ende dieses Jahres entstehen. Sie werden zunächst als Flüchtlingsunterkünfte deklariert und nach der Erstellung eines regulären Bebauungsplans in einigen Jahren in normale Wohnungen umgewandelt.

Demonstranten: „Demokratie statt Olaf-Scholz-Gettos“

Die zuständige Stadtentwicklungsbehörde nutzt dazu die Ausnahmen im Baugesetz, die der Bundestag im Oktober beschlossen hatte. Danach können Flüchtlingsunterkünfte auf Flächen errichtet werden, auf denen bislang sozialer Wohnungsbau nicht vorgesehen oder erlaubt ist.

Gegen die Ansiedlung von Flüchtlingen in Großwohnsiedlungen gibt es in den Stadtteilen Protest. Mehrere Hundert Bürger hatten vor Beginn der Ausschusssitzung vor dem Rathaus gegen die Pläne des Senats protestiert. Die Stadt müsse sich an Gesetze halten, forderte ein Redner und kritisierte die fehlenden Möglichkeiten der Bürger, sich zu beteiligen. Demonstrationsteilnehmer hielten Plakate mit der Aufschrift „Demokratie statt Olaf-Scholz-Gettos“ oder „Bürgerbeteiligung statt Basta-Politik“ hoch.

„Vandalismus darf in keinem Fall geduldet werden“

Einig waren sich die Experten in ihrer Einschätzung, dass durchmischte Quartiere notwendig seien und Gettos unbedingt vermieden werden müssten, solle Integration gelingen. „Das größte Problem sehen wir in der einseitigen Belegung der geplanten Quartiere mit Flüchtlingen“, sagte Verena Herforth vom Bundesverband für Wohnungswirtschaft.

Die Anhörung im Rathaus zur Unterbringung von Flüchtlingen
Die Anhörung im Rathaus zur Unterbringung von Flüchtlingen © Andreas Laible | Andreas Laible

Saga-Vorstand Thomas Krebs meinte: „Wir müssen die Herausbildung von überforderten Quartieren und die Entstehung verbrannter Standorte verhindern. Natürlich sollte man keine großen Siedlungen schaffen.“ Kultur und Bildung, Beleuchtung, Spielplätze, Kitas, Vermeidung von Angsträumen seien nötig. „Vandalismus darf in keinem Fall geduldet werden.“ Zugleich brachte die Möglichkeit der Privatisierung von Flüchtlingswohnungen ins Gespräch. Warum solle es künftig auch keine Flüchtlingsgenossenschaft geben?

Prof. Michael Rothschuh von der HAWK-Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen forderte, die Flüchtlinge von Anfang an an der Gestaltung ihres Umfeldes zu beteiligen. „Wir müssen die Menschen, die kommen, als Subjekte sehen, die eigene Rechte haben.“ Der Migrationsforscher Jens Schneider erklärte, neben dem Wohnen seien ausreichende Bildungschancen und die Möglichkeit, zu arbeiten, wichtige Voraussetzungen für die Integration. Zudem sei Integration keine Frage, die sich nur an Zuwanderer richte. Sie müsse auch nicht Anpassung an eine bürgerliche Mehrheitsgesellschaft bedeuten.

Prof. Ingrid Breckner von der HCU Hamburg warf einem Teil der protestierenden Bürgern „kultivierten Rassismus“ vor und erntete dafür Buhrufe aus dem Publikum.

Quartiere mit 15.000 Flüchtlingen "integrationsfeindlich"

Buschkowski warnte vor Stadtvierteln, „die eine abgeschlossene Einwohnerschaft“ haben. Integrationsförderlich sei, was Kontakt zu Einwohner ermögliche. Integrationsfeindlich sei, was dazu führe, dass die Flüchtlinge unter sich bleiben und sich abschotten. Die Ballung von Flüchtlingen in der Anzahl sollte möglichst klein gehalten werden. „Ich halte Unterbringungsquartiere mit 15.000 Flüchtlingen nicht für integrationsfreundlich. Sie sind integrationsfeindlich.“

Zudem habe es keinen Sinn, Flüchtlingsunterkünfte in Gebieten zu schaffen, wo die umliegenden Kitas Kinder nicht aufnehmen könnten, sagte Buschkowski weiter. Dann müssten zusätzliche Kitas geschaffen werden, die aber eher abgeschottet seien.