Schlecht für Klima und Wirtschaft: Umweltminister kritisieren vom Bund geplante Gesetzesänderung zu Erneuerbaren Energien.

Hamburg. Hamburgs Senator für Umwelt und Energie, Jens Kerstan (Grüne), hat scharfe Kritik an der geplanten Änderung des Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG) geübt, die Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) den Länderministern am Mittwoch in Berlin vorgestellt hat. Nach dem Eckpunktepapier, das dem Abendblatt vorliegt, soll der Anteil der Windenergie an der Stromversorgung bis 2025 bei 45 Prozent fest gedeckelt werden. Zugleich soll der Ausbau der Offshore-Windkraftanlagen gebremst werden.

Über Ausschreibungsverfahren will der Bund künftig zusätzlich dafür sorgen, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien weniger schnell vorangeht als in den vergangenen Jahren, in denen die Ausbauziele stets übertroffen wurden.

Zoff in Berlin – Kerstan und Gabriel geraten aneinander

Das Bundeswirtschaftsministerium hält eine Verlangsamung des Ausbaus vor allem aus zwei Gründen für notwendig. Erstens halte der Netzausbau mit den Ausbau der Analgen bisher nicht Schritt. Und zweitens sorge ein Überangebot an Strom aus erneuerbaren Energien für steigende Kosten bei den Endabnehmern, sagte eine Ministeriumssprecherin dem Abendblatt.

Je tiefer die Preise wegen der Überproduktion nämlich an der Strombörse fallen, umso stärker muss der Staat die Produzenten über die EEG-Umlage subventionieren, die schließlich direkt auf die Endkunden umgeleget wird.

Hamburgs Umweltsenator hält die Gabriel-Vorlage gleichwohl für inakzeptabel – vor allem mit Blick auf den Klimawandel. „Die Bundeskanzlerin hat bei der Klimakonferenz in Paris für das 1,5-Grad und für die Dekarbonisierung gekämpft. Das müsste bedeuten: Ausstieg aus der Kohle, volle Kraft in die Energiewende und in den Ausbau der Erneuerbaren. Was der Wirtschaftsminister jetzt tut, ist das glatte Gegenteil“, sagte Kerstan dem Abendblatt. „Sein Gesetz ist eine Bankrotterklärung für den Klimaschutz, ein Jobkiller für die Windenergie-Branche und eine Lebensversicherung für schädliche Kohlekraftwerke. Alle Ziele zum Klimaschutz werden mit diesen Plänen für eine Deckelung sauberer Energien zu einem Lippenbekenntnis. Dieses Bremsmanöver für die Energiewende ist nicht akzeptabel. Die grünen Energieminister sind sich einig, dass der geplante Deckel deutlich angehoben werden muss.“

Nach Abendblatt-Informationen sind Kerstan und Wirtschaftsminister Gabriel beim Treffen am Mittwoch heftig aneinandergeraten. Gabriel soll versucht haben, Kerstan barsch zurechtzuweisen.

Wird Hamburgs Wirtschaft unter EEG-Novelle leiden?

Der Umweltsenator aber sieht auch negative Konsequenzen für die Hamburger Wirtschaft, wenn die EEG-Novelle so beschlossen wird. „Hamburg ist in den letzten Jahren zur Windkrafthauptstadt geworden, tausende Arbeitsplätze hängen an diesem Wirtschaftszweig“, so Kerstan. „Windkraft ist die günstigste und wettbewerbsfähigste Form unter den Erneuerbaren Energien. Mit der Beschränkung insbesondere der Offshore-Windenergie steht die Existenz dieser Zukunftsbranche auf dem Spiel.“

Die Pläne des Wirtschaftsministers würden zudem „die Akteursvielfalt und Energiewende von unten abwürgen, weil kleine Player und Unternehmen am Markt kaum noch Chancen hätten“, sagte der Umweltsenator. „Die Große Koalition bremst saubere Energien aus Wind, Sonne oder Biomasse mit ihrem Gesetz brutal aus – und macht damit den Exportschlager Energiewende zunichte.“

Hamburgs SPD-Bürgermeister Olaf Scholz äußerte sich zunächst nicht zu der Kerstan-Kritik an seinem Parteifreund Gabriel. Aus dem Rathaus hieß es, der Senat habe sich mit den Eckpunkten zur EEG-Novelle noch nicht befasst. Das Bundeswirtschaftsministerium plant nach Abendblatt-Informationen für Februar eine Sonderkonferenz mit allen Ministerpräsidenten zu dem Thema.

„Die Eckpunkte laufen den Verpflichtungen aus dem Weltklimavertrag zuwider“

Hamburgs SPD-Umweltpolitikerin Monika Schaal warnte vor einer „Deckelung oder Verlangsamung des weiteren Ausbaus“. Der eingeschlagene Weg müsse weiter gegangen werden, um die festgelegten Ausbauziele nicht zu gefährden. „Gut wäre es, im Zuge der Novelle auch nachzuprüfen, ob der Ausbaukorridor zur Umsetzung der Klimaziele der Bundesrepublik ausreicht.“

Scharfe Kritik kam am Donnerstag auch vom schleswig-holsteinischen Umweltminister Robert Habeck (Grüne): „Die Eckpunkte laufen den Verpflichtungen aus dem Weltklimavertrag zuwider“, sagte Habeck dem Abendblatt. „Deutschlands große Worte werden zu leeren Hülsen, wenn es selbst den Klimaschutz nicht ernst nimmt und die Ziele zu verfehlen droht. Die Eckpunkte sind vom Geist geprägt, die Energiewende scheitern zu lassen.“ Der Deckel für Erneuerbare sei vom System her falsch. Aber wenn es schon eine Begrenzung gebe, müsse sie mindestens bei 50 Prozent liegen.

Energieexperte Christian Growitsch, Ökonom an der Uni Hamburg, dagegen sagte: „Vor dem Hintergrund der im letzten Jahr weiter gestiegenen EEG-Umlage ist eine Begrenzung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien aus ökonomischer Sicht durchaus nachvollziehbar.“ Für die Küstenländer könne dies bedeuten, „dass der Erfolg der Windenergie sich in den nächsten zehn Jahren abschwächen wird“.