Hamburg. Die Firma der beiden Hamburger Jungunternehmer Windsourcing.com hat 20.000 Ersatzteile für Windanlagen im Angebot.
„Neulich hatte ich einen Anruf, bei dem ich meinen Gesprächspartner vor lauter Rauschen kaum verstand. Er sagte er mir, dass er gerade auf einer Windturbine steht und ein Ersatzteil braucht, das wir an eine Hoteladresse in der Umgebung ausliefern sollen.“ Es kommt vor, dass Stefan Weber und seine Kollegin Seher Kaygusuz die letzte Rettung für einen Servicetechniker oder den Betreiber eines Windparks sind. Denn sie können so ziemlich jedes Teil besorgen, das eine ausgefallene Anlage wieder flott macht. Das Duo gründete 2013 sein Unternehmen Windsourcing.com, erreichte mit ihm 2015 die Gewinnzone und ist dabei, sich in der Branche einen Namen zu machen.
Die junge Firma mit Sitz an der Hoheluftchaussee handelt mit Ersatzteilen für Windenergieanlagen – von Elektronik- und Hydraulikkomponenten über Lacke, Folien und Kleber für Rotorblätter bis zu kompletten Getrieben. Rund 20.000 Produkte umfasst das Online-Sortiment. Ein Teil davon liegt abrufbereit im Lager einer Logistikfirma in Billbrook, weitere Produkte in einem Gefahrgutlager in Remscheid (NRW). Der große Rest wird bei festen Lieferanten zugekauft. „Wir recherchieren aber auch Bezugsquellen für Produkte, die wir nicht im Sortiment haben“, sagt Seher Kaygusuz.
Die Zahl der angebotenen Teile vervierfachte sich binnen zwei Jahren. Eine ähnliche Entwicklung machte der Umsatz, er werde jetzt wohl bald siebenstellig, sagen die beiden Jungunternehmer. Ihre Kunden sind zum einen Servicefirmen, die – ähnlich wie freie Kfz-Werkstätten – unabhängig vom Hersteller die Windturbinen warten oder bei Ausfällen reparieren. Zum anderen wenden sich große in- und ausländische Windpark-Betreiber an Windsourcing.com. „Um teure Wartungsverträge zu vermeiden, reparieren sie zum Teil selbst, haben aber nicht jedes Ersatzteil auf Lager“, sagt Geschäftsführer Weber. „Für diese Firmen fungieren wir als ausgelagerte Einkaufsabteilung.“
Wer bei Windsourcing.com erstmals einkaufen will, muss sich persönlich melden. „Bei Neukunden ist uns der Kontakt wichtig. Wir müssen uns mit ihnen nicht treffen, skypen oder telefonieren aber miteinander. Wir möchten wissen, was der Kunde genau macht und ob das angefragte Bauteil wirklich passt. Mit dem ersten Verkaufsgespräch geht immer auch eine Beratung einher. Später reichen dann ein kurzer Anruf oder eine E-Mail, um eine Bestellung auszulösen“, sagt Kaygusuz, die für das Marketing des Unternehmens zuständig ist.
Ein Viertel der Kundschaft sitze in Deutschland, drei Viertel im Ausland, sagt Weber. „Wir beliefern die klassischen Windmärkte Deutschland, Großbritannien, Spanien, Italien und neuerdings auch Griechenland, Rumänien, Polen, Dänemark. In Asien sind es vor allem Japan und Südkorea. Wir würden gern mehr Geschäfte in den USA machen, aber das ist logistisch schwierig. Dort bräuchten wir eine Repräsentanz, und dazu ist es jetzt noch zu früh.“ Sprachbarrieren gebe es nicht, sagt Weber, seine Geschäftspartnerin sei ein wahres Sprachtalent, spreche neben Deutsch und Englisch fließend Spanisch und Türkisch sowie Französisch und Italienisch.
Der Standort Hamburg als „Windenergiehauptstadt Europas“ käme ihnen sehr zugute, betonen die Firmeninhaber. Weber: „Hier residieren viele Anlagenhersteller, die von ihren Lieferanten besucht werden. Diese sind oft auch unsere Lieferanten, wir können uns mit ihnen im Rahmen ihres Hamburg-Besuchs gut treffen.“ Die Standort-Entscheidung allerdings ergab sich aus dem beruflichen Werdegang der studierten Kaufleute: Beide arbeiteten zuvor als Einkäufer beim Solaranlagen-Hersteller und -Projektierer Conergy mit Sitz in Hamburg.
Ihre Kunden profitierten davon, dass Windsourcing.com die gesamte Produktpalette der Windenergietechnik sowie Dienstleistungen aus einer Hand liefern könne, sagt Kaygusuz: „Wir können die georderten Produkte aus mehreren Quellen in unserem Lager sammeln und in einer Sendung ausliefern.“ Besonders nachgefragt seien Elektronik-Ersatzteile, aber auch Produkte zur Reparatur von Rotorblättern.
Wenn das Ersatzteil nicht rechtzeitig geliefert wird, kann es sehr teuer werden
„Gerade bei Offshore-Anlagen sind die Rotorblätter enormen Belastungen ausgesetzt, da der Wind auf dem Meer deutlich stärker weht als an Land. Dort wirken Regentropfen wie Hagelschläge“, sagt Weber. Ist die Oberfläche uneben, leidet die Aerodynamik. Hier haben die Unternehmer ihr erstes eigenes Produkt entwickelt: eine Erosionsschutzfolie, die die Rotorblattfläche vor „Einschlägen“ schützt. Die Folie ist so elastisch, dass sie Dellen ausbügelt und in ihre Ausgangsform zurückkehrt.
Auch logistisch seien Meereswindparks eine große Herausforderung, sagt Weber: „Hier zählt nur eines, nämlich dass die Teile zum vereinbarten Termin geliefert werden. Denn dann stehen vier bis fünf Techniker bereit, sowie ein Schiff oder ein Hubschrauber für den Transport zum Windpark. Wenn die Teile dann nicht verfügbar sind, kann das sehr teuer werden. Wir sagen lieber schon bei der Auftragsannahme, wenn der gewünschte Liefertermin zu optimistisch angesetzt ist – auch auf die Gefahr hin, dass dann ein anderer Lieferant gesucht wird.“
Als kleines Unternehmen aber seien sie oft sogar schneller als andere, sagen Weber und Kaygusuz. Es sei sogar vorgekommen, dass ein Großunternehmen ein Teil bestellte, das es selbst auf Lager hatte – weil es über Windsourcing.com schneller verfügbar war. Optimierte Abläufe seien wichtig, sagen die Kaufleute – und haben ein großes Vorbild: die „perfekte Logistik“ des Online-Versandhändlers Amazon.