Hamburg. Michael Gwosdz hatte gesagt, alle Männer seien „potenzielle Vergewaltiger“. Es gab Anzeigen wegen Beleidigung und Volksverhetzung.
Nach Eingang mehrerer Strafanzeigen hat die Staatsanwaltschaft Hamburg am Montag ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen den stellvertretenden Hamburger Grünen-Chef Michael Gwosdz wegen des Verdachts der Volksverhetzung und Beleidigung eingeleitet. Das bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nana Frombach. Gwosdz hatte in der Nacht von Donnerstag auf Freitag in einer öffentlich gewordenen Nachricht an eine Bürgerin bei Facebook geschrieben: "Als Mann weiß ich, jeder noch so gut erzogene und tolerante Mann ist ein potenzieller Vergewaltiger. Auch ich. Wir Männer müssen uns dessen bewusst sein – nur dann sind wir auch in der Lage, erkennen zu können, wenn sexuelle Gewalt und Nötigung beginnt. (…) Wer das nicht für sich selbst akzeptiert, wird mit dem Erkennen von Grenzen Schwierigkeiten haben."
Diese Aussage hatte für bundesweite Empörung vor allem in den sozialen Medien gesorgt. Bei der Polizei wurden mittlerweile sieben Strafanzeigen gegen Gwosdz gezählt (Stand Montagmittag). Bei der Staatsanwaltschaft selbst drei. Die Einleitung des Verfahrens bedeutet formal lediglich, dass ein Aktenzeichen festgelegt und die Anzeigen (auch mögliche weitere) dort gebündelt würden, so Frombach. Die Frage, ob tatsächlich ein ausreichender Anfangsverdacht vorliege, sei damit nicht beantwortet. Dies werde man erst in den kommenden Tagen prüfen.
Mehr als 600, teilweise justiziable Kommentare auf Gwosdz' Facebook-Seite
Mittlerweile gibt es mehr als 600 Kommentare auf der offiziellen Facebook-Seite von Gwosdz, in manchen davon wird der bekennende Christ und Migrationsberater auf teilweise ehrabschneidende und justiziable Weise beschimpft. Auch auf Twitter gibt es zahlreiche Kommentare, von denen viele im Falle von Anzeigen vermutlich ebenfalls die Staatsanwaltschaft auf den Plan rufen könnte. Gwosdz selbst hatte am Wochenende gesagt, er werde die Frage einer Strafanzeige möglicherweise mit einem Anwalt prüfen. Aus der Partei hieß es, auch wenn nicht alle glücklich mit der Aussage gewesen seien, gebe es viel Rückhalt für den Parteivize. Forderungen nach Rücktritt habe es nicht gegeben.
Bereits am Sonnabend hatte Gwosdz sich für seine Äußerung entschuldigt. "Die Verbrechen in Hamburg, Köln und anderswo, bei denen Männer Frauen nicht nur beraubt, sondern auch sexuell attackiert haben, haben mich wie wahrscheinlich alle anderen Menschen auch erschüttert. Es tut mir leid, wenn meine Aussage, die nicht auf diese Vorfälle bezogen war, den Eindruck erweckt, ich wolle die schlimmen Gewalterfahrungen der Frauen in der Silvesternacht bagatellisieren", schrieb Gwosdz auf seiner Facebook-Seite. "Was die Frauen erlebt haben, ist durch nichts zu relativieren.“ Es tue ihm auch leid, "wenn Männer sich durch meine Aussage persönlich angegriffen fühlen". Jeder Täter trage seine eigene Verantwortung und sei für seine Taten zu bestrafen.
Grünen-Landeschefin und Gwosdz fordern mehr Härte gegen sexuelle Gewalt
Am Sonntag hatte die Grünen-Landeschefin Anna Gallina zusammen mit Gwosdz eine Presseerklärung herausgegeben, in der mehr Härte gegen sexuelle Gewalt gefordert wird. "Leider sind sexuelle Handlungen gegen den ausdrücklichen Willen einer Person nicht automatisch strafbar“, heißt es darin. "Viele Täter nutzen gerade den ‚Überraschungsmoment' im öffentlichen Raum aus. Leider entgehen diese Täter immer wieder einer Bestrafung, weil ihr Vorgehen nicht durch den Straftatbestand der sexuellen Nötigung erfasst ist. Deshalb fordern wir, dass die sexuelle Selbstbestimmung in Deutschland voraussetzungslos geschützt werden muss."
Erzwungener Geschlechtsverkehr oder andere sexuelle Handlungen würden derzeit nur dann als Vergewaltigung und sexuelle Nötigung anerkannt, wenn sie mit Gewalt oder Drohungen zustande kommen oder wenn der Täter eine schutzlose Lage des Opfers ausnutzt. "Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass sich das Bundesjustizministerium dieser Schutzlücke annimmt und sind gespannt auf die konkrete Ausgestaltung“, so Gallina und Gwosdz. "Wichtig ist, dass ein eindeutiges Nein zu sexuellen Handlungen bereits die Schwelle der Strafbarkeit markiert und darüber hinaus die sexuelle Selbstbestimmung voraussetzungslos geschützt wird. Da sexuelle Übergriffe oft im Verborgenen stattfinden, ist es gut, wenn die Frage des Opferschutzes jetzt offensiv diskutiert wird. Genauso müssen wir auch die Debatte über die Ursachen sexualisierter Gewalt führen."