Hamburg. Eine Studie zeigt, was nach der Pleite der Hamburger Baumarktkette und der Mutter Praktiker mit den Beschäftigten geschah.
Es war eine der größten und spektakulärsten Pleiten in der deutschen Einzelhandelsbranche: Als die Baumarktkette Praktiker und die Tochter Max Bahr im Jahr 2013 Insolvenzantrag stellen mussten, da standen rund 15.000 Beschäftigte in Deutschland quasi vor dem Nichts. Insbesondere beim Hamburger Traditionsunternehmen Max Bahr kämpften die Mitarbeiter erbittert, aber letztlich ohne Erfolg für den Erhalt der Firma, die unter anderem durch eine verfehlte Rabattpolitik der Muttergesellschaft, aber auch durch diverse interne Querelen in eine schwere, finanzielle Schieflage geraten war.
Mehr als zwei Drittel der Transferteilnehmer wurden weiter vermittelt
Nun liegt erstmals eine Studie über den Verbleib der ehemaligen Praktiker- und Max-Bahr-Beschäftigten vor. Rund 8000 von ihnen sind in insgesamt sechs Transfergesellschaften gewechselt, in denen sie für neue Jobs auf dem regulären Arbeitsmarkt fit gemacht werden sollten. Etwas mehr als zwei Drittel (67,6 Prozent) dieser Transferteilnehmer konnten tatsächlich in eine neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermittelt werden, wie aus der Untersuchung des Bochumer Helex Instituts hervorgeht.
Rund ein Viertel bezog zum Zeitpunkt der Befragung im Frühjahr vergangenen Jahres Arbeitslosengeld. 3,3 Prozent waren in Rente. Nicht erfasst ist der Verbleib von denjenigen Mitarbeitern, die nicht in eine Transfergesellschaft wechseln wollten und von rund 5500 geringfügig Beschäftigten, die kein Anrecht auf eine entsprechende Maßnahme hatten.
„Insgesamt ist die Arbeit der Transfergesellschaften als Erfolg zu bewerten“, sagt Helex-Chef Gernot Mühge, der die Untersuchung selbst durchgeführt hat. „Es ist ihnen gelungen, die Praktiker- und Max-Bahr-Beschäftigten, die nach der Insolvenz in ein Loch zu fallen drohten, aufzufangen und ihnen eine neue Perspektive zu geben.“ In anderen Fällen, wie etwa der Pleite der Drogeriemarktkette Schlecker, habe die Vermittlungsquote ohne Transfergesellschaften nur bei rund 50 Prozent gelegen.
Finanziert wurde die Vermittlung unter anderem aus der Insolvenzmasse
Die finanziellen Mittel für solche Maßnahmen sind daher aus Sicht der Sozialforscher gut angelegt. Insgesamt hat die Arbeit der sechs Transfergesellschaften für Praktiker und Max Bahr rund 100 Millionen Euro verschlungen – 2800 Euro pro Person im Monat, wobei das Gros der Summe an die Beschäftigten ging, rund 200 Euro monatlich standen für die eigentliche Vermittlung zur Verfügung. Finanziert wurden die Maßnahmen aus der Insolvenzmasse sowie von der Bundesagentur für Arbeit.
„Wir haben für die Mitarbeiter Bewerbungstrainings organisiert, aber auch EDV-Kurse oder Sprachkurse bezahlt, wenn dies für eine weitere Vermittlung sinnvoll war“, sagt Wolfgang Köbernik von der BOB Transfer GmbH, die unter anderem für die Beschäftigten in Hamburg zuständig war. In vielen Fällen sei es gelungen, die ehemaligen Praktiker- und Max-Bahr-Mitarbeiter in Konkurrenz-Baumärkten unterzubringen. Einige seien den Anforderungen dort allerdings nicht gewachsen gewesen und hätten ihre Arbeitsplätze wieder aufgeben müssen.
„Insgesamt sind wir mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt der ehemalige Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Max Bahr, Ulli Kruse, der heute selbst für eine der Transfergesellschaften arbeitet. „In Hamburg hatten wir die glückliche Situation, dass viele betroffene Baumärkte von Wettbewerbern weitergeführt wurden.“ So hat allein der Konkurrent Bauhaus vier einstige Max-Bahr-Filialen übernommen und auf die eigene Marke umgeflaggt, darunter auch das ehemalige Haupthaus an der Wandsbeker Zollstraße. „Zu Bauhaus sind fast komplette Belegschaften einzelner Filialen gewechselt“, sagt Kruse.
Bauhaus, Hagebau und Obi haben Standorte in Hamburg übernommen
Drei weitere einstige Max-Bahr-Märkte in Altona, Winterhude und Rahlstedt wurden von dem Hamburger Unternehmer Philipp Möller in Hagebaumärkte umgewandelt. Ein Haus in Harburg wird jetzt von Obi betrieben. Die einstige Filiale in Bergedorf wird hingegen als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Ein Standort am Hammer Steindamm wurde in Büroflächen umgewandelt, die von dem benachbarten Waagenhersteller Seca zur Erweiterung des eigenen Unternehmens angemietet wurden.
Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende Kruse hat heute noch Kontakt zu vielen einstigen Max-Bahr-Mitarbeitern. „Die Umstellung auf andere Firmen war für sie nicht einfach“, sagt er. „Auch der Verdienst ist nicht immer so hoch wie früher bei Max Bahr. Vielen wird erst jetzt bewusst, was sie an dem Unternehmen hatten.“