Hamburg. Die Fusionen von Reedereien erhöhen den Preisdruck. Die Mitarbeiterzahl soll im kommenden Jahr möglichst konstant bleiben.

2016 wird für den Hamburger Hafen ein entscheidendes Jahr. Glaubt man den vom Abendblatt befragten Experten, geht es um nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit. Denn nachdem der Umschlag in diesem Jahr deutlich eingebrochen ist, stellt sich die Frage, ob der Hafen langfristig in einen Abwärtsstrudel gerät, und damit auch Arbeitsplätze abgebaut werden. Das abschließende Gerichtsurteil über die Elbvertiefung ist dabei nur eine Entscheidung, die für den Hafen die Weichen stellen wird.

Rahmenbedingungen hinsichtlich der Weltwirtschaft werden sich nicht verbessern

Die Ausgangslage ist negativ: Der Seegüterumschlag in Hamburg ist in den ersten neun Monaten 2015 um 4,8 Prozent auf 104,6 Millionen Tonnen zurückgegangen, der besonders bedeutsame Containerumschlag wird mit knapp neun Millionen Tonnen am Jahresende zehn Prozent unter dem Vorjahreswert liegen. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Die Weltwirtschaft ist in diesem Jahr weniger stark gewachsen als ursprünglich angenommen. Der Seegüterverkehr mit China sank aufgrund der wirtschaftlichen Abkühlung dort um 15 Prozent, der Handel mit Russland aufgrund der Sanktionen sogar um 35 Prozent.

Diese Rahmenbedingungen werden sich auch 2016 nicht bessern, sagt Ingo Schmidt, Analyst der Hamburger Sparkasse (Haspa). Aus diesen und anderen Gründen sieht er die Zukunft des Hafens zunächst negativ. „Da tut sich aus verschiedenen Gründen eine Abwärtsspirale auf“, sagt Schmidt. „Die Unwägbarkeiten nehmen zu.“ Dazu zählt Schmidt auch, dass der Wettbewerbsdruck steigt. „Die Konkurrenzhäfen in Rotterdam und Antwerpen haben Hamburg in diesem Jahr schon Ladung abgezogen. Und jetzt steigt auch der Hafen in Wilhelmshaven in diesen Wettbewerb mit ein“, sagt Schmidt.

Die großen Hamburger Hafenfirmen sehen die Lage offenbar nicht so negativ

Die in diesem Jahr gestarteten Fusionen von Reedereien werden zudem im kommenden Jahr dafür sorgen, dass der Druck auf die Hafenbetreiber steigt. „Über Umschlagpreise kann man mit einer fusionierten Großreederei einfach schlechter verhandeln als mit mehreren kleinen Anbietern.“

Zudem schwäche der Zusammenschluss der Reedereien die Stellung von Hapag-Lloyd, was sich wiederum negativ auf den Hafen auswirken könnte. So hat die französische Großreederei CMA CGM kürzlich die Neptune Orient Lines aus Singapur übernommen. Und die chinesischen Reedereien Cosco und China Shipping werden auch zusammengelegt. „Die betroffenen Reedereien können ihre Schiffe besser auslasten und die Transporte zu günstigeren Preisen anbieten. Das wiederum erhöht den Druck auf Hapag-Lloyd, ebenfalls die Frachtraten zu senken“, ist Schmidt überzeugt. Angesichts seiner Prognose ist es erstaunlich, dass die großen Hafenfirmen laut Abendblatt-Umfrage die Zahl ihrer Mitarbeiter im kommenden Jahr konstant halten wollen. Entweder sie warten zunächst einmal die globale Entwicklung ab oder sie sehen die Lage nicht so negativ.

Um das zu beantworten, lohnt sich ein Blick auf den Gesamthafenbetrieb (GHB). Der GHB ist der Personaldienstleister des Hafens, ihm gehören 1180 Hafenarbeiter an, die nicht fest bei einer Firma angestellt sind. Um Schwankungen beim Arbeitsanfall abzudecken, können die Hafenbetriebe aus dem GHB-Pool zusätzliche Mitarbeiter anfordern und in schlechteren Zeiten wieder zurückgeben. Der GHB ist deshalb ein guter Indikator dafür, wie die Jobsituation wirklich ist und wie sie sich weiter entwickeln dürfte. Der GHB erwartet 2016 kein gutes, aber auch kein besonders schlechtes Hafenjahr: „Wir sehen 2015 schon nicht als Krisenjahr, weil die Mitarbeiter unverändert in Arbeit sind“, sagt GHB-Geschäftsführer Thomas Brügmann. „Und wir werden auch 2016 keine Mitarbeiter entlassen.“ Zwar würden die Hafenfacharbeiter flexibler eingesetzt, so müsse ein Brückenfahrer damit rechnen auch einmal als Lascher (Beschäftigter zum Verzurren der Seefracht auf dem Schiff) oder in einem Packbetrieb eingesetzt zu werden. „Wir werden den Personalstamm aber erhalten. Natürliche Abgänge werden durch frische Kräfte ersetzt“, so Brügmann. Da der GHB-Chef die prognostizierten Personalanforderungen der Hafenbetriebe als Grundlage für seine Jahresplanung nimmt, ist davon auszugehen, dass die Hafenwirtschaft keinen so starken Einbruch wie in diesem Jahr erwartet.

Hafenbetriebe setzen auf den Ausbau ihrer Infrastruktur

Er sehe keine deutlichen Wachstumsimpulse für die Hafenwirtschaft und sei im kommenden Jahr mit einem kleinen Plus schon zufrieden, sagte Gunther Bonz, der Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg vor zwei Wochen. Optimistischer äußerte sich der Zentralverband der Seehafenbetriebe (ZDS): Im kommenden Jahr sei wieder mit einem Wachstum im niedrigen einstelligen Prozentbereich zu rechnen. „Wir haben gute Wachstumschancen, die nun konsequent ergriffen werden müssen“, erklärte ZDS-Präsident Klaus-Dieter Peters. Damit meinte er, dass die Infrastruktur vorangebracht werden müsse. In Hamburg sind das der geplante Drehkreis für große Schiffe, eine Vereinbarung mit Schleswig-Holstein zur Schlickentsorgung, ein zuverlässiger Betrieb der Schleusen am Nord-Ostsee-Kanal und die Genehmigung der Elbvertiefung. „2016 wird für den Hamburger Hafen auch im historischen Vergleich ein entscheidendes Jahr, weil auf alle großen Herausforderungen eine Antwort gefunden werden muss“, so UVHH-Präsident Gunther Bonz.