Hamburg. Ein neues Buch schildert die Weihnachts- und Silvesterbräuche von einst. Vor allem derb und ängstlich ging es damals zu.

Reichlich merkwürdig ging es rund um die Weihnachtstage einst im alten Hamburg zu. Neben allen Festlichkeiten war es auch eine Zeit voller Aberglaube, Völlerei und Krawall. Von der Besinnlichkeit unserer Tage war damals nur wenig zu spüren.

Das macht Angelika Rosenfeld in ihrem Buch „Weihnachten im alten Hamburg“ deutlich (Verlag der Nationen, 216 S., 15,95 Euro).

Viele Details hat die Autorin herausgefunden. So konnten in Hamburg zunächst nur an einem einzigen Ort Weihnachtsbäume gekauft werden: auf dem Gänsemarkt. Die Tannen und Fichten mussten per Bahn aus dem Harz oder dem Thüringer Wald herbeigeschafft werden, denn in Hamburg und Umgebung gab es erst von 1900 an die ersten Plantagen zur Aufzucht. Anders als heute war es in der Weihnachtszeit und um Neujahr herum fast immer sehr kalt, und meistens froren Alster und Teile der Elbe zu. Im Jahr 1829 „stand“ die Elbe über 100 Tage, wie Rosenfeld nachweist, und im Winter 1838/39 soll das Eis des Flusses sogar sechs Meter dick gewesen sein. Übrigens: 1881 eröffnete Franz Gladow am Wandsbeker Markt eine Kunsteisbahn – es war die erste Deutschlands.

Tiefster Aberglaube prägte die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Noch heute berufen sich ältere Hamburger darauf, dass man „zwischen den Jahren“ – genau genommen vom 25. Dezember bis zum 6. Januar – keine Wäsche waschen dürfe. Dahinter steckt die Furcht, dass weiße Wäsche an der Leine an Totenhemden erinnere. An diesen zwölf Tagen („Twölften“) wurden auch andere Arbeiten eingestellt, zum Beispiel das Dreschen und Nähen.

Hier können Sie eine Liste der Hamburger Weihnachts-Gottesdienste als PDF herunterladen

Die heute so beschauliche Zeit nach den Weihnachtstagen war im alten Hamburg mit ständigem Lärm angefüllt, um Dämonen zu vertreiben. Das steigerte sich bis zu Silvester, das noch bis in das 19. Jahrhundert hinein „Altjahresabend“ hieß. Privatleute schossen mit Gewehren und Pistolen in der Gegend herum, sogar Kanonen wurden abegfeuert. Jugendliche warfen Flaschen und Töpfe gegen Haus­türen – alles angeblich nur, um Geister loszuwerden. Das dauernde Geballere mit Vorderladern musste bereits in den 1840er-Jahren verboten werden, nachdem etliche Menschen in der Stadt zu Schaden gekommen waren. In Hamburgs Umgebung hielt sich diese Unsitte noch deutlich länger. Davon übrig geblieben ist die Silvesterknallerei unserer Tage, die im Vergleich zu früher eigentlich recht friedlich anmutet.

Auch in ganz bürgerlichen Häusern und Wohnungen dominierte Spökenkiekerei die Silvesternacht, und man vertrieb sich die Zeit mit allerlei Spielen, um einen Blick ins neue Jahr zu tun. Dienstboten warfen Schuhe hinter sich durchs Zimmer und sahen sich dann das Ergebnis an. Zeigte die Spitze in Richtung Tür, stand im neuen Jahr ein Ortswechsel an. Das noch heute beliebte Bleigießen wurde damals viel ernsthafter betrieben, geradezu ängstlich blickten die Gäste auf das Ergebnis. Wer kein Blei hatte, schlug Eier in eine Schüssel Wasser und betrachtete gebannt die entstehenden Gebilde. Makaber war das Salzorakel. Man presste für jeden Teilnehmer Salz in einen Fingerhut, stülpte diesen um und ließ die Salzkegel über Nacht stehen. Derjenige, dessen Kegel am Morgen eingestürzt war, musste damit rechnen, dass er im neuen Jahr sterben würde.