Hamburg. Hamburger Lieferservice wird nach Übernahme durch Australier umbenannt. Zahl der Filialen soll sich verdoppeln.
Carsten Gerlach ist ein wenig heiser, er hat viel reden müssen an diesem Mittwoch. Darüber, warum er sich nach fast 30 Jahren überraschend von seinem Lebenswerk Joey’s Pizza trennt. Und darüber, warum er den deutschen Marktführer unter den Lieferdiensten ausgerechnet an den Konkurrenten Domino’s verkauft. Die Sorgen seiner fast 140 Franchisenehmer hat Gerlach ausräumen müssen, die zu einem Treffen in Hannover zusammengetrommelt wurden und die zunächst einmal geschockt auf die Nachricht reagierten.
„Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, Joey’s zu verkaufen“, sagt Gerlach im Gespräch mit dem Abendblatt. „Immerhin ist das mein Baby, ich habe mir den Namen ausgedacht und damit den Pizza-Lieferservice in Deutschland erfunden.“ Doch die Marktbedingungen in der Bundesrepublik und auch international hätten sich verändert. „Es geht darum, die Zukunft des Unternehmens langfristig abzusichern“, so Gerlach weiter. „Mit Domino’s haben wir einen Partner gefunden, der das Geschäft ebenso gut versteht wie wir.“
Letztlich ausschlaggebend dürfte die Tatsache gewesen sein, dass Domino’s bereit ist, satte 45 Millionen Euro an Gerlach und den zweiten Eigentümer Christian Niemax zu zahlen. Abhängig von bestimmten Erfolgskriterien kann sich dieser Preis sogar noch um weitere 34 Millionen Euro erhöhen.
Dafür waren die Inhaber in den etwa drei Monate dauernden Verhandlungen auch bereit, einer massiven Veränderung in dem Hamburger Unternehmen mit Sitz in St. Georg zuzustimmen: Der Name Joey’s wird definitiv aus der deutschen Gastro-Branche verschwinden. „Wir planen die Umbenennung aller Joey’s-Filialen in Domino’s in den kommenden zwei Jahren“, sagt der Europa-Chef von Domino’s Pizza Enterprises Limited (DPE), Andrew Rennie. „Nur auf diese Weise können wir die Synergien mit unseren Aktivitäten in anderen europäischen Ländern optimal nutzen.“
Sorge, den bekannten Markennamen Joey’s gegen die in Deutschland fast unbekannte Marke Domino’s zu tauschen, hat Rennie nicht. Ähnliche Umbenennungen habe man auch schon sehr erfolgreich in Spanien oder Neuseeland vorgenommen, sagt er. Danach habe sich der Umsatz der Franchisenehmer deutlich gesteigert.
Der Europachef geht insgesamt von einem deutlichen Wachstum in Deutschland aus. Die Zahl der durch Franchisenehmer geführten Filialen sollen sich nach seinen Worten von derzeit 212 auf 400 bis 500 mehr als verdoppeln. Davon könne auch die Zentrale in Hamburg profitieren. „Hier könnte sich die Zahl der Mitarbeiter in den kommenden Jahren um 20 Prozent erhöhen“, so Rennie. Investieren will Domino’s zudem in die Einführung eines neuen IT-Systems und weitere technische Neuerungen. Unter anderem sollen Kunden vom kommenden Jahr an per GPS-Tracking beobachten können, wo sich eine von ihnen bestellte Pizza gerade befindet.
An den Produkten soll sich hingegen nichts ändern. „Joey’s kennt den Geschmack der deutschen Kunden sehr gut, wir hingegen nicht“, sagt Rennie. Daher sollen auch die bisherigen Geschäftsführer des Hamburger Lieferservices, Friedrich Niemax und Karsten Freigang, an Bord bleiben und den Transformationsprozess begleiten.
Bisher hat sich Domino’s an dem hart umkämpften deutschen Markt die Zähne ausgebissen. Obwohl seit 2010 in der Bundesrepublik aktiv, gibt es hierzulande bislang gerade einmal 20 Filialen mit diesem Namen. Diese werden allerdings nicht von dem australischen Unternehmen DPE betrieben, sondern von der britischen Domino’s Pizza Group (DPG), bei der die Franchise-Rechte für Deutschland und Großbritannien liegen. Für die Übernahme von Joey’s haben Australier und Briten nun ihre Kräfte gebündelt und ein Joint Venture gegründet, in dem die Australier die Führung innehaben. Mit der in Michigan gegründeten US-Kette Domino’s, dem größten Pizza-Lieferservice weltweit, sind DPG und DPE nur lizenzrechtlich verbunden. Beide Unternehmen agieren wirtschaftlich eigenständig.
Joey’s-Inhaber Carsten Gerlach ist überzeugt davon, mit Domino’s den richtigen Käufer für das von ihm gegründete Unternehmen gefunden zu haben. Nach dem anfänglichen Schock über den Eigentümerwechsel und die geplante Umbenennung hätten dies auch die deutschen Franchisenehmer so empfunden, sagt er.
Was Gerlach selbst in Zukunft machen will, lässt er noch offen. „Für den Ruhestand fühle ich mich mit 55 Jahren definitiv noch zu jung“, sagt er. Einen Teil seiner Zeit werde er vermutlich damit verbringen, in junge Startups zu investieren. So ist Gerlach seit einiger Zeit Minderheitsgesellschafter von Vincent Vegan, einem Hamburger Unternehmen, das Food Trucks mit veganen Speisen auf die Straße bringt. Von denen gibt es im Augenblick gerade einmal zwei Stück – aber Joey’s Pizza hat vor fast 30 Jahren auch mal ganz klein angefangen.