St. Georg. Das neue Präventionsprogramm der Hamburger Polizei greift. Aber: Die Täter sind erfinderisch und entwickeln immer neue Tricks.

Endspurtstimmung im Weihnachtsgeschäft heißt: Wenige Tage vor Heiligabend sind mehr Menschen als üblich unterwegs auf den Straßen der Stadt. In Kaufhäusern, auf Weihnachtsmärkten und auf den Bahnhöfen herrscht ordentliches Gedränge. „Genau diese Situation wird von Taschendieben ausgenutzt“, sagt Christian Heini, Kommissar der Bundespolizei, der heute ausnahmsweise in Uniform im Hauptbahnhof unterwegs ist und gemeinsam mit zwei jungen Polizeianwärtern Ausschau nach potenziellen Diebstahlsopfern hält und nebenbei Aufklärungsbroschüren an Passanten verteilt: „Schlauer gegen Klauer“ trifft auf den australischen Familienvater jedoch nicht zu, der gemeinsam mit seinen Kindern in der Wandelhalle auf seine Frau wartet. Eine Umhänge­tasche baumelt auf seinem Rücken, im Außenfach steckt sein Mobiltelefon. Für Christian Heini ist es die Gelegenheit, um in freundlich-bestimmtem Ton Präventionsarbeit zu leisten. „Die Tasche gehört nach vorne vor den Bauch und das Außenfach nach innen“, sagt er, und der australische Tourist sieht das sofort ein und folgt dem Ratschlag des erfahrenen Zivilfahnders, der hauptsächlich auf den Bahnsteigen Jagd auf Taschendiebe macht.

„Die Banden arbeiten zumeist in Gruppen von drei bis vier Personen. Einer späht die Opfer aus – zumeist ältere Menschen, die am Bankautomaten Geld ziehen, oder Frauen, deren Handtaschen offen sind“, sagt Heini, „ein Komplize ist dann fürs Ablenkungs­manöver verantwortlich, einer langt zu, und der vierte blockt dann ab.“ Am häufigsten stehlen die Diebe an den Informationstafeln für die Abfahrt und Ankunft, beim Einsteigen in einen Zug sowie vor den Wagenstandsanzeigen auf den Bahnsteigen. „Dabei ist gerade Taschendiebstahl das Delikt, vor dem man sich relativ gut schützen kann“, sagt Heini, „dazu gehört jedoch vor allem, Taschen und Rucksäcke zu verschließen, wobei die Verschlussseite zum Körper hin zeigen sollte. Das Handy, Bargeld und Geldkarten sollte man möglichst auf verschiedene Taschen verteilen, und wenn es einmal richtig eng wird, sollte man eben besonders wachsam sein.“

Die neueste Masche der Diebe, die zurzeit vor allem aus Nordafrika und dem südosteuropäischen Raum stammten, sei richtig fies: „Neuerdings haben wir Fälle registriert, in denen Taschendiebe sich als Blinde oder Kriegsversehrte ausgeben. Die humpeln mit einem Pappschild auf ihr Opfer zu, um eine Spende zu erbitten, lenken es ab – und ein Komplize langt zu.“

Christian Heinis heutiger Rundgang ist Teil des polizeilichen Präventionsprogramms gegen den Trickdiebstahl: eine behördenübergreifende Zusammenarbeit zwischen Bundes-, Landes- und Kriminalpolizei, um mit verstärkter Polizeipräsenz sowie dem verbesserten Zugriff auf zwei Datenbanken die Zahl der Taschendiebstähle im Innenstadtbereich zu senken. So kann jetzt schneller als bisher überprüft werden, ob es sich bei festgenommenen Tatverdächtigen um Serientäter handelt. Hinzu kommen in regelmäßigen Abständen Veranstaltungen wie diese, auf denen die Polizei Infomaterial und Faltblätter verteilt; Letztere gibt es inzwischen in elf Sprachen, was dem internationalen Publikum geschuldet sei, sagt Morten Struve, Chef des PK 14 und der Region Mitte. „Wir haben eine Trendumkehr hin zu einer Fallzahlenreduzierung“, sagt der Polizeidirektor, „die Zahl der Diebstähle im Innenstadtbereich ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von rund 6500 auf 6000 gesunken.“ Am häufigsten werde nach wie vor auf dem Kiez geklaut. „Dabei spielt der Alkoholisierungsgrad der Opfer oft eine entscheidende Rolle.“