Hamburg. Die Zeit des DT 2 ist beendet: Mit einer U-Bahn-Sonderfahrt endete die Ära der „Silberlinge“ aus den 60er-Jahren.

Als um 14.04 Uhr der „DT 2“ an Gleis 3 in der Hochbahnhaltestelle Jungfernstieg einfährt, schlägt die Stunde der „Trainspotter“. Das sind in der Regel Männer – zu 99,9 Prozent handelt es sich um solche –, für die alles, was auf Schienen fährt, so was wie eine existenzielle Bedeutung im Leben besitzt. Christian Nahrwold, 45, Altenpfleger und begeisterter Marathonläufer, ist extra aus Pinneberg angereist, um die letzte Fahrt des DT 2 mitzumachen und natürlich auch für seine Facebook-Seite zu dokumentieren. Die Stimmung an Bahnsteig 3 ist etwas gedrückt, aber es ist ja auch eine Trauerfeier und Abschied ist ein scharfes Schwert.

Diese DT 2-Doppeltriebwagen – Kenner bezeichnen sie als „Silberlinge“ – galten Anfang der 60er-Jahre für die Hochbahn als „eindrucksvolle Botschafter für den Aufbruch in die Moderne“. Ohne Frage waren sie ein Erfolgsmodell, die von 1962 an bis spät in die 90er-Jahre hinein das Bild der Hamburger Hochbahn prägten: äußerst robust (in Stahlleichtbauweise) und stromsparend, aber dafür leider etwas lahm in der Beschleunigung und mit einer Höchstgeschwindigkeit von gerade mal 70 Kilometern pro Stunde auch ziemlich langsam. Insgesamt 186 Einheiten schaffte die Hochbahn bis 1966 an. Durchschnittlich hat jeder dieser Doppeltriebwagen 2,6 Millionen Kilometer auf dem Hamburger Schienennetz zurückgelegt – das entspricht einer Strecke von rund 65 Erdumrundungen auf dem Äquator. In den letzten Jahren setzte die Hochbahn noch 15 DT 2 als Betriebsreserve und für „Verstärkerfahrten“ ein.

Die U-Bahn-Enthusiasten drängen sich auf dem Bahnsteig

Als die letzten vier Waggons einfahren, kommt Bewegung in die Menge der gut 200 versammelten Trainspotter und ihre Kameras fangen an zu klicken. Auch Christian Nahrwold schert sich nur halbherzig um die mahnende Durchsage aus den Lautsprechern, „von der Bahnsteigkante zurückzutreten“ und hockt sich hin, um den einfahrenden Sonderzug, der mit ein paar grünen Tannenzweigen geschmückt ist, noch ein letztes Mal von vorn in Aktion zu fotografieren. „Ich mag diese alten Wagen einfach“, sagt er ein paar Minuten später, als die Trauergäste sich wie die sprichwörtlichen Sardinen in die vier Waggons quetschen, „und heute geht eine Ära zu Ende.“ Eine Erklärung für sein zeitintensives Hobby hat er nicht – außer, dass es sich vielleicht um „Prägung“ handeln könne, da er ja früher als Kind viel U-Bahn gefahren sei; meistens zur Oma, die in der Nähe vom Berliner Tor wohnte. „Aber meine Freundin hat sich an meine Leidenschaft inzwischen gewöhnt“, sagt er, „auch im Urlaub. Neulich zum Beispiel haben wir in Zürich meinen Onkel besucht. Da fährt noch eine Straßenbahn ...!“ Nahrwolds Augen glänzen jetzt.

Im Laufe ihres Lebens erhielten die DT 2 mehrere komplette Überarbeitungen und Redesigns. Eine Klimaanlage, eine automatische Stationsansage sowie Videokameras wurden jedoch nicht nachgerüstet.

Die letzte, gut zweistündige Fahrt führt noch einmal bis raus nach Großhansdorf, eine Endhaltestelle der U 1. Hier werden einmal mehr Erinnerungen wach, vor allem an die kalte Jahreszeit. Denn wer hier an einem frühen, kalten Wintermorgen einstieg, um zur Arbeit zu fahren, war besser warm angezogen, denn die Heizung verdiente ihren Namen kaum. „Wir Fahrer waren angewiesen, im Winter auf den ersten Kilometern ordentlich zu bremsen, um die so gewonnene Energie in Wärme umzuwandeln und die Waggons schneller zu beheizen“, sagt Thorsten Kornprobst, heute Chef der Hamburger U-Bahnfahrschule. Ungefähr ab Volksdorf kletterte dann die Innentemperatur tatsächlich über den Gefrierpunkt.

Nur ein DT 2 wird überleben – für den historischen Fuhrpark der Hochbahn

In den vergangenen Jahren wurden die restlichen 15 Doppeltriebwagen nur noch sporadisch eingesetzt. Aber nach rund 50 Jahren Betriebslaufzeit sei der Betrieb wirtschaftlich nun nicht mehr vertretbar. „Vom DT 2 zum neuen DT 5 ist es ein technischer Quantensprung“, sagt Kornprobst und zählt die Pluspunkte auf: „Der DT 5 ist rund 90 Stundenkilometer schnell, mindestens doppelt so leise, er ist klimatisiert und verfügt über zahlreiche verbesserte Sicherheitsaspekte.“ Einschränkend fügt Kornprobst allerdings hinzu: „Der DT 2 ließ sich nur mit den Füßen fahren: Da hatte man die Hände immer so schön frei.“ Die DT 2 würden jetzt „verwertet“ (also verschrottet und recycelt), ein Fahrzeug aber werde die Hochbahn für ihren historischen Fuhrpark behalten.