Hamburg. Die 49-Jährige, bisher die rechte Hand von Klaus von Dohnanyi, vertritt künftig die Interessen von Hunderten Geschäften.

Heute wird alles noch einmal Routine sein. Brigitte Nolte wird sich auf dem Weg ins Büro von Klaus von Dohnanyi machen und ihm beratend zur Seite stehen. Seit neun Jahren ist die 49-Jährige so eine Art persönliche Referentin für den Altbürgermeister. Sie arbeitet für seine Stiftung für Zivilcourage und eine von ihm geleitete Beratungsgesellschaft, koordinierte Termine, beantwortete Medienanfragen und recherchierte Inhalte für Vorträge des 87-Jährigen. „Zivilcourage ist sein Lebensthema“, sagt sie über ihren Noch-Arbeitgeber, dessen Vater als Widerstandskämpfer kurz vor Kriegsende hingerichtet wurde. „Das hat auch mich geprägt.“

Von morgen an wird sich für Nolte der Alltag grundlegend ändern. Am 1. Dezember tritt sie ihre Stelle als Leiterin der Geschäftsstelle Hamburg beim Handelsverband Nord an und wird Nachfolgerin von Wolfgang Linnekogel, der den Verband bis zu seinem Ruhestand Ende September 15 Jahre lang führte. „Herr Linnekogel ist schwer zu ersetzen. Er ist ein Sympathieträger. Aber ich gehe das jetzt tapfer an“, sagt sie und lächelt. Als Chefin des vier Personen starken Büros in der Altstadt soll sie die Interessen von Hunderten Mitgliedern vertreten. Sie wird viel zu tun haben – und genau darauf freut sie sich, weil ihre Arbeit sie zuletzt nicht mehr ausgelastet habe.

Aus zwei Ordnern mit Bewerbungen habe man sich für Nolte entschieden, sagt Monika Dürrer, Kieler Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord, der in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg die Interessen von etwa 32.600 Einzelhandelsbetrieben vertritt. Für die Norderstedterin hätten die regionalen Kenntnisse gesprochen, ihre Ausbildung als Diplom-Volkswirtin, ihre Vita – und die Tatsache, dass sie eine Frau ist. Dürrer: „Sie passt zu unserem Team aus 20 Leuten.“

Nolte wurde in Paderborn geboren, studierte dort und kam 1993 in den Norden. Zunächst arbeitete sie in Mecklenburg-Vorpommern für den Landtag, später wurde sie in Schwerin Büroleiterin von Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU). Als 1999 ihre Tochter Anna geboren wurde, ging sie in Elternzeit und zog mit ihrem Ehemann Jörg Adolf nach Bergedorf. Beruflich fand sie beim CDU-nahen Wirtschaftsrat in der Hansestadt eine Beschäftigung. Im Jahr 2000 schaffte die leidenschaftliche Gitarren- und Klavierspielerin auch ihr sportliches Highlight. Beim Hamburg Marathon spulte sie die 42,195 Kilometer in flotten drei Stunden und 48 Minuten ab.

Im Jahr 2005 zog die um Sohn Julius, heute 13 Jahre alt, erweiterte Familie nach Norderstedt. In der Stadt engagiert sich Nolte auch politisch, seit zwei Jahren sitzt sie für die CDU in der Stadtvertretung. „Ich komme ja aus der Politik. Da ist das auch Bürgerpflicht, sich zu engagieren.“ Zuletzt habe sie sich besonders mit der Flüchtlingsfrage beschäftigt. Besonders erfreut sei sie, wenn sich parteiübergreifend Lösungen finden lassen.

Die Erfahrungen aus der Kommunalpolitik will sie auch für ihre neue Aufgabe nutzen. Stadtplanung und Einzelhandel seien eng miteinander verwoben, lautet eine Erkenntnis aus ihrem politischen Engagement. „Der stationäre Einzelhandel bringt das Leben in die Stadt.“ Das Aus für alteingesessene Geschäfte oder Neueröffnungen seien im Freundeskreis stets wichtige Gesprächsthemen. „Shopping hat mittlerweile einen hohen Freizeitwert. Das ist ein gesellschaftlicher Trend.“ Mit den Anliegen der Händler in die Köpfe der Entscheidungsträger zu gelangen, sieht sie auch als ihre vordringlichste Aufgabe an. „Verbandsarbeit ist in erster Linie auch Politik.“ Dabei sollen ihr ihre Erfahrungen aus der Arbeit beim Wirtschaftsrat helfen, für den sie bis 2014 tätig war. Menschen mit Argumenten zu überzeugen, das reizt sie an ihrer neuen Aufgabe.

Bei ihrem eigenem Einkaufsverhalten ist sie auf mehreren Kanälen aktiv: in den Innenstädten, in Shoppingzen­tren und auch im Internet, unter dem der stationäre Handel seit Jahren leidet. Laut Handelsverband Deutschland liegt der Onlineanteil derzeit bei neun Prozent, bis 2020 könnte dieser Wert auf 15 bis 20 Prozent steigen. Nolte hat sich in einigen Bereichen vom Onlineeinkauf allerdings schon wieder verabschiedet, zum Beispiel bei Elektronik. „Der Fachhandel ist sehr kulant und bietet einen guten Service“, sagt sie. Außerdem genießt sie es, sich von Schaufenstern beim Bummel inspirieren zu lassen. „Meist kauft man ja nicht, weil man etwas braucht. Sondern weil einem die Präsentation gefällt.“

Die verleitet so langsam wohl auch die Hamburger zum Einkaufen für das große Fest. Mit dem ersten Adventssonnabend seien die Händler ganz zufrieden gewesen, es gebe aber „noch Luft nach oben“, sagt Dürrer. Gut gelaufen seien Weihnachtsschmuck, Bücher und Nahrungsmittel. Insgesamt erwartet sie im Festtagsgeschäft für Hamburg ein Plus von zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, der Zuwachs ist damit genauso hoch, wie er deutschlandweit erwartet wird. Für das Gesamtjahr rechnet sie mit plus 2,7 Prozent. Noch stammen die Prognosen von Dürrer – das Weihnachtsgeschäft 2016 soll Nolte einschätzen.